Was Coburgs Direktoren vom neuen G9 halten
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Donnerstag, 04. Mai 2017
Neue Lehrpläne, neue Schulbücher, weniger Nachmittagsunterricht, neun Jahre - das Gymnasium kehrt zum entspannteren Lernen zurück.
Guten Mutes blicken die beiden Coburger Direktoren Burkhard Spachmann (Casimirianum) und Herbert Brunner (Alexandrinum) auf die kommenden Schuljahre. Dem neuen bayerischen Gymnasium, wie das Kultusministerium die Reform zurück zum neunjährigen Gymnasium nennt, begegnen die beiden langjährigen Schulleiter durchaus mit einer gewissen Vorfreude. "Wir beiden Alten auf dem Muppets-Balkon sind noch einmal richtig gefragt", sagt Burkhard Spachmann und lacht.
Die Freiheit, künftig den Kompetenzen wieder mehr auf den Grund gehen zu können, Themen zu vertiefen und Zeit zum Durchdenken zu haben, wecken bei Spachmann und Brunner ein Grundbedürfnis, das durch G8 vernachlässigt wurde.
Entspannung und Verlässlichkeit bringe das neue G9 für Lehrer, Eltern und Schüler. "Aber, wer glaubt, das G9 seine das G8 in Zeitlupe, wird scheitern", betont Herbert Brunner. Trödeln sei keine Alternative. Selbstbewusstes und eigenverantwortliches Lernen stehe künftig wieder im Mittelpunkt. Auch das Elternhaus sei gefordert - vorbei die Zeiten, in denen das G8 für alles herhalten musste, was schief lief.
Wer sein Kind in der kommenden Woche an einem Coburger Gymnasium anmeldet (8. bis 12. Mai), kann sicher sein, dass es das neue bayerische Gymnasium durchläuft. Es wird bereits ab dem Schuljahr 2017/18 nach dem neuen Lehrplan Plus unterrichtet. Nigelnagelneue Lehrbücher sind gedruckt.
30 Wochenstunden stehen auf dem Stundenplan. Auch in den nachfolgenden Klassen werden die kaum überschritten.Nachmittagsunterricht findet kaum noch statt. Es gibt ein offenes Nachmittagsangebot mit Hausaufgabenbetreuung.
Intensivierungsstunden bleiben
Allerdings sollen die Intensivierungsstunden beibehalten werden. "Lediglich den Umfang kennen wir noch nicht", sagt Spachmann, hofft jedoch, dass es zu möglichst wenig Kürzungen kommt. Immerhin sollen bis zu 1000 neue Lehrkräfte bayernweit eingestellt werden.Die neuen Lehrpläne werden schrittweise angepasst und sollen auch für die Jahrgangsstufen 7 bis 10 bis September 2018 vorliegen.
Ein Jahr mehr Zeit heißt im Klartext für Spachmann und Brunner: "Wir bekommen Kinder und lassen verlässlich junge Erwachsene gehen!" Die Abiturienten werden wieder volljährig sein - was bei Klassenabschlussfahrten durchaus ein Vorteil sei, meinte Spachmann schmunzelnd. Aber auch, was die Einschreibung an den Universitäten und Hochschulen betrifft oder gar das Unterschreiben von Mietverträgen für die erste Studentenbude...
Schule braucht Muse
Herbert Brunner ist froh, dass jeder künftig selbst entscheiden könne, ob er die Schule in neun oder in acht Jahren durchläuft. Ihn bedrückt eher die Frage nach dem Bildungshintergrund. Landesbischof Bedford-Strohm habe neulich von einem Traditionsbruch gesprochen. "Auch mir fällt auf, dass Grundtatsachen weniger greifbarer sind." Die Allgemeinbildung gehe zunehmend unter. Umso mehr begrüße er Philosophie-Stunden, die es schon im ""alten G9" in der 11. Jahrgangsstufe gab. "Schule brauche Muse", unterstreicht auch Spachmann. Kreative Freiräume seien notwendig um Persönlichkeit zu bilden. Nicht umsonst sei das Reifealter früher mit 21 angegeben worden (Wahlrecht). Die soziale Intelligenz, die notwendig sei, um Menschen einzuschätzen, komme lange nach der Pubertät, sind sich die Schulleiter einig.
Das neue Gymnasium in Kürze
Organisation Das bayerische Gymnasium umfasst künftig in einem organischen Bildungsgang die Jahrgangsstufen 5 bis 13. Die zweite Fremdsprache setzt weiterhin in Jahrgangsstufe 6, das Profil der Ausbildungsrichtungen in Jahrgangsstufe 8 ein - auch diese Bereiche profitieren somit von einem zusätzlichen Lernjahr.
Akzente
- 17 bis 19 Wochenstunden zusätzlicher Pflichtunterricht gegenüber G8
- Reduzierung des Nachmittagsunterrichts in Unter- und Mittelstufe
- Beginn der zweiten Fremdsprache auch künftig in Jahrgangsstufe 6
- Erwerb des Mittleren Schulabschlusses nach der 10. Klasse
- Beibehaltung der Grundstruktur der bisherigen Oberstufe
- Erhalt der Intensivierungsstunden in bestimmtem Umfang
- Stärkung der Kernfächer
- Stundenausstattung pro Fach entspricht mindestens der im G8 (kein Fach wird schlechter gestellt)
Oberstufe Als Einführungsphase der Oberstufe kommt der "neuen" Jahrgangsstufe 11 eine besondere Bedeutung zu. Sie wird dieser Funktion entsprechend inhaltlich und konzeptionell ausgestaltet. Zur Vorbereitung auf die Qualifikationsphase der Oberstufe sollen verstärkt vorwissenschaftliche Kompetenzen (Propädeutik) erworben werden, mit der Vorverlagerung des P-Seminars aus der Qualifikationsphase in die neue Jahrgangsstufe 11 ist zudem eine Neuakzentuierung der beruflichen Orientierung vorgesehen. Die Jahrgangsstufe 11 bietet Raum für eine Stärkung der digitalen und politischen Bildung. Auch die Teilnahme an Begabtenförderungsangeboten bietet sich aufgrund des fortgeschrittenen Reifegrads der Schüler in dieser Jahrgangsstufe an. Schüler sollen ihre Lernzeit bis zum Abitur an jedem Schulstandort individuell um ein Jahr verkürzen können (institutionell verankerte "Überholspur"). Quelle: km