Unterricht in Coburg für Flüchtlinge: Vor dem Gesetz sind alle gleich
Autor: Rainer Lutz
Coburg, Dienstag, 05. April 2016
Beim "Rechtsbildungsunterricht" bringen Vertreter der Justiz Flüchtlingen und Asylbewerbern gesetzliche Regeln näher.
Sie kommen aus Syrien, dem Iran, aus Äthiopien, Libyen oder Pakistan. Sie sind wenige Monate oder gerade ein gutes Jahr in Deutschland. Trotzdem schafften es die Teilnehmer am Kurs "Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge und Asylbewerber", sich auf Deutsch ganz umfassend vorzustellen. Die Ausführungen der Referenten wurden dann aber doch übersetzt. Denn Richter Bernd Buhl und Staatsanwältin Ulrike Andersch wollten ihren Zuhörern schon recht komplex klar machen, was in Deutschland Recht und Gesetz ist.
Schon, dass eine Staatsanwältin zu dem Kurs im beruflichen Fortbildungszentrum (Bfz) gekommen war, unterstrich einen Rechtsaspekt, der immer wieder betont wurde: Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. "Wie ist das denn in Ihrem Heimatland", wollte Richter Buhl wissen. Die Antworten fielen sehr unterschiedlich aus. Haben in Syrien Frauen weitgehend gleiche Rechte wie Männer, wenn es etwa um Bildung und Berufsausübung geht, schildert eine junge Äthiopierin, dass in ihrer Heimat Frauen kaum die Chance auf Schulbildung haben und nicht einmal Auto fahren dürfen. Eine Iranerin fügt hinzu: "Im Iran sind alle Gesetze für Männer."
Wichtige Grundsätze
Doch da ist viel mehr, das Neuankömmlinge aus der arabischen Welt über Deutschland und seine Gesetze, sowie den Umgang damit, erfahren sollen. Die Art der Gesetzgebung durch das demokratisch gewählte Parlament. Die Trennung von Staat und Religion, die freie Wahl und das Recht auf freie Ausübung der Religion - all das legen Richter und Staatsanwältin ihnen ans Herz. Sie erklären ihnen aber auch, dass Meinungsfreiheit bei uns so weit geht, dass akzeptiert werden muss, wenn religiöse Dinge zum Ziel von Satire werden. "Sie dürfen den Urheber kritisieren und sagen, dass Sie sich durch seine Darstellung gekränkt fühlen, aber sie müssen hinnehmen, dass er das darf", erklärt Bernd Buhl eindringlich.Es ist gewissermaßen eine Brücke zum Thema Gewaltmonopol des Staates. Mag es vielleicht im Heimatland akzeptiert werden, wenn Kinder körperlich gezüchtigt werden, so müsse klar sein, dass das bei uns strafbar ist, erklärt Ulrike Andersch eindringlich. "Auch Frauen dürfen nicht geschlagen werden", führt sie weiter aus und nennt Einrichtungen, in denen Opfer häuslicher Gewalt Zuflucht finden, wie etwa Frauenhäuser. Männer dürfen übrigens auch nicht geschlagen werden, das vergessen die Juristen nicht. "Bei sämtlichen Konflikten lassen sie die Fäuste in der Tasche und die Füße auf dem Boden", rät Richter Buhl zur verbalen Konfliktbewältigung.
Mit "Bakschisch" geht nichts
Im Zweifelsfall sei es die Polizei, die einschreiten muss, wenn Auseinandersetzungen aus dem Ruder zu laufen drohen. Es ist den Vertretern der Justiz ein spürbares Anliegen, Vertrauen in Gerichte und Vollzugsbeamte zu schaffen. "Vor dem Gesetz sind alle gleich zu behandeln", betont Ulrike Andersch immer wieder. Richter und Polizisten seien nicht korrupt. "Wer versucht, etwa einen Polizeibeamten zu bestechen, der wird angezeigt und bestraft", stellt sie klar. Ein Umstand, der wohl in manchen Herkunftsländern der Zuhörer keine Selbstverständlichkeit ist. Es sind Themen wie Vergewaltigung in der Ehe, Scheidungsrecht oder das strikte Verbot von Selbstjustiz, auf die Buhl und Andersch gründlich eingehen. Denn gerade, weil der Grundsatz gilt, nachdem Unwissenheit nicht vor dem Gesetz schützt, sollten so wesentliche Rechtsgrundsätze bekannt sein.
Kulturelle Hintergründe
Dabei vergessen die Referenten nicht, zu erwähnen, dass es ihre tägliche Arbeit ausmacht, Verstöße gegen diese Gesetze zu ahnden. Verstöße, die selbstverständlich auch von Deutschen begangen werden. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Flüchtlinge in einem Land gelandet wären, in dem die Einheimischen nie gegen ihre eigenen Gesetze verstoßen - die sie in der Regel besser kennen, als ihre neuen Mitbürger aus einem anderen Kulturraum.In der Diskussion wird auch deutlich, wie unterschiedlich der kulturelle Hintergrund ist, den die Flüchtlinge aus ihren Heimatländern mitbringen. Sie sind nicht etwa alle Muslime. Es sind ebenso Christen darunter und eine junge Frau, die keiner Religion angehören möchte. Gerade diese Freiheit ist es, die viele von ihnen suchen, wenn sie nach Deutschland kommen - glauben zu dürfen, was sie wollen.
Dennoch widmet Staatsanwältin Andersch einem religiösen Thema besondere Aufmerksamkeit. "Eine religiöse Gruppe spielt in Deutschland eine besondere Rolle", sagt sie mit Blick auf die jüdische Gemeinde. Sie erklärt, dass Deutschland sich gegenüber den Juden im Land seiner geschichtlichen Verantwortung bewusst sei.