Druckartikel: Von Coburg aus: Musik als Politik

Von Coburg aus: Musik als Politik


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Montag, 12. Juni 2017

Angelika Tasler hat das musikalische Schaffen Herzog Ernst II. untersucht. Es diente dem Streben nach einem deutschen Nationalstaat.
Taslers Buch ist mit einer Zeichnung von Charles Hunt illustriert, das satirisch zeigt, in welch künstlerische Familie Queen Victoria (rechts ) geheiratet hat. "The Wonder of Windsor" umfasst von links Prinz Albert, König Ferdinand von Portugal, König Leopold von Belgien und Herzog Ernst II.


Dass der Ernst, der Zweite (1818 - 1893), ein ganz Besonderer war, das wissen die Coburger und freuen sich bis heute darüber. Dass er im Bereich Musik nicht nur selbst Opern verfasste, sondern für das deutschsprachige Musiktheater des 19. Jahrhunderts eine besondere Rolle spielte, belegt jetzt ein umfangreiches Buch von Angelika Tasler. Es geht um "Macht und Musik". Ernst II. sei ein "unglaublicher Netzwerker" überall dort in Europa gewesen, wo deutsche Oper gespielt wurde, sagte die Coburger Musikwissenschaftlerin gestern bei der Vorstellung des Buches. Am 3. Juli wird es an authentischem Ort, der Reithalle, eine besondere Präsentation geben.
Ernst II. wäre gerne Musiker geworden, wie er gesagt haben soll. Aber für den Erstgeborenen im Hause Sachsen-Coburg und Gotha war der Weg vorgezeichnet. Also versuchte er beides miteinander zu verbinden. Sein politisches Anliegen war die Bildung einer vereinten deutschen Nation, was er vor allem auch als kulturelle Aufgabe verstand. In der herzoglichen Reithalle wurden im Juni 1860 das Erste Deutsche Turn- und Jugendfest, im September die erste Generalversammlung des Deutschen Nationalvereins veranstaltet. Zwei Jahre später folgte die Gründung des Deutschen Sängerbundes.


Sie wurden überall gespielt

Ernst II. hat unter anderem fünf Opern und patriotische Gesänge für Männerchöre geschrieben, die damals explizit politische Organisationen waren. "Ernst II. wollte aber nicht als Komponist berühmt werden", erklärt Angelika Tasler. Seine Opern, aber auch seine sonstige Theaterarbeit - er war ja selbst als Regisseur und Schauspieler aktiv - waren ihm "Transportmittel für seine politischen Überzeugungen" und zielten auf die bundesstaatliche Einheit der deutschen Länder. Seine Opern (die er sehr wohl selbst geschrieben, wenn auch nicht selbst orchestriert hat, dafür fehlte ihm die Zeit) wurden in ganz Deutschland und sogar in Amerika gespielt.


Große Mengen an Material

"Ernsts Musik ist nett, Singspiel-artig, mehr aber auch nicht", urteilt Tasler, weshalb man sich in der Musikwissenschaft bisher auch gar nicht für sie interessiert hat. Bei ihren Forschungen in Coburg stieß Tasler aber auf solch unglaubliche Mengen an interessanten Quellen, mehr als 3500 Akten im Staatsarchiv, über 500 Opernakten in der Landesbibliothek, aufschlussreiche Briefe, die belegen wie wichtig Ernst II. und das Coburger Theater im 19. Jahrhundert generell für das deutsche Theaterleben waren, dass sie beschloss, ihre Erkenntnisse in einem kulturgeschichtlichen Werk zu verarbeiten.
Sechs intensive Jahre lang war die in München lebende Wissenschaftlerin, die selbst auch Konzertorganistin und Dirigentin ist, damit beschäftigt. Sie sieht das Ergebnis auch als "kleinen Beitrag zur Erforschung der Geschichte meiner fränkischen Heimat". Mit Vorträgen war die Forscherin bereits mehrfach an die Öffentlichkeit getreten.

Angelika Tasler: Macht und Musik. Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und das Musiktheater im 19. Jahrhundert. Böhlau Verlag Köln, Weimar und Wien, 624 Seiten, 75 Euro.

Buchpräsentation Angelika Tasler wird ihr Werk "Macht und Musik" am 3. Juli präsentieren, in Kooperation mit der Volkshochschule und dem Landestheater Coburg, an historisch bedeutsamem Ort, in der Reithalle. Im Gespräch mit Prinz Hubertus, dem derzeitigen Hauptvertreter des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha, wird es nach der Lesung um die Hintergründe gehen. Die beiden sind Schulkollegen. Beginn ist um 19 Uhr, Karten (7 Euro im Vorverkauf, 10 Euro an der Abendkasse) gibt es bei der Volkshochschule sowie bei der Buchhandlung Riemann.
Die Autorin
Die aus Coburg stammende Angelika Tasler studierte an der Ludwig Maximilians-Universität in München Musikwissenschaft (mit den Nebenfächern Staatsrecht und katholische Theologie). Parallel absolvierte sie am Mozarteum in Salzburg die Studiengänge Kirchenmusik sowie Orgel als Konzertfach. Anschließend vervollständigte sie ihre Ausbildung mit einem Dirigierstudium bei Jeanpierre Faber an der Musikhochschule in Regensburg sowie der Promotion an der Universität Freiburg i. Br. bei Christoph Wolff (Thema: Der Münchner Hofkapellmeister und Mozart-Zeitgenosse Peter von Winter). Sie erhielt einige Stipendien und Auszeichnungen, darunter die Aufnahme in die Stiftung Maximilianeum in München und die Studienstiftung des deutschen Volkes. Sie lebt in München und arbeitet als Wissenschaftlerin, Chorleiterin und Solistin.

Ernst II. geboren am 21. Juni 1818 in Coburg, gestorben am 23. August 1893 in Reinhardsbrunn bei Gotha. 1844 übernahm er nach dem Tod seines Vater Ernst I. die Regentschaft über das Doppelherzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Ernst II. pflegte intensiven Kontakt zu Musikern und komponierte selbst unter anderem fünf Opern, die in seinen Hoftheatern in Gotha und Coburg uraufgeführt wurden. Sein erfolgreichstes Werk wurde die romantische Oper "Santa Chiara", die nach der Gothaer Uraufführung unter Franz Liszt 1854 über die meisten großen deutschen Bühnen ging. Bereits 1846 hatte er auf Anregung von Franz Liszt die Oper "Zaire" nach der gleichnamigen Tragödie von Voltaire komponiert. Es folgten 1848 "Tony oder Die Vergeltung", 1851 "Casilda" und 1858 "Diana von Solange".