Druckartikel: Voller Spaß voraus auf der "MS Coburg"

Voller Spaß voraus auf der "MS Coburg"


Autor: Jochen Berger

Coburg, Sonntag, 18. Dezember 2016

So feiert das Landestheater am Ende einer turbulenten Woche einen umjubelten Premieren-Erfolg mit dem Musical "Anything Goes".
Schwungvolle Premiere: Reichlich Beifall gab es für die Neuinszenierung von "Anything Goes" am Landestheater Coburg. Foto: Henning Rosenbusch


Das Landestheater hat es schwer in diesen Tagen und Wochen. Was schließlich soll ein Theater machen, wenn- wie jüngst geschehen - Stadträte ihren Ehrgeiz als Hobby-Regisseure entdecken und mit Intrigen, überraschenden Allianzen und Strippenzieherei hinter den Kulissen für reichlich Schlagzeilen sorgen zum Thema Generalsanierung und damit die künstlerische Arbeit ein wenig in den Hintergrund drängen.


Reichlich Polit-Theater vorab

Nach reichlich Polit-Theater um das Theater liefert Coburgs Musentempel am Ende einer höchst turbulenten, freilich nicht immer vergnüglichen Woche die passende künstlerische Antwort in Gestalt einer noch turbulenteren, freilich bis zum letzten Ton, bis zum letzten Auftritt vergnüglichen Neuinszenierung.


Die ausdauernd umjubelte Musical-Premiere mit Cole Porters "Anything Goes" zeigt jedenfalls, wozu der "Broadway Oberfrankens" in der Lage ist jenseits aller Diskussionen um Finanzen und Ausweichspielstätten. Tempo, Witz und reichlich Verwirrung um echte und falsche Gangster, um Aufschneider und Dilettanten - das alles hat Cole Porters 1934 uraufgeführte "Musical Comedy" zu bieten in der Neuinszenierung von Gastregisseurin Iris Limbarth. Mit "Hair" und "Copacabana" hat sie dem Landestheater bereits zwei Kassenschlager im Musical-Genre beschert. "Anything Goes" dürfte ihr dritten Quoten-Hit im Haus am Schlossplatz werden. Mit ihrer temporeichen Lesart zeigt sie jedenfalls, wie man ein Musical zum rauschenden Premierenerfolg macht.


"Broadway Oberfrankens"

Inszenierung und Choreografie werden bei ihr zur untrennbaren Einheit und erinnern an die Erfolge, die einst Hartmut H. Forche mit seinen Produktionen dem Landestheater bescherte und jenen Ehrentitel vom "Broadway Oberfrankens" überhaupt erst zum geflügelten Wort werden ließ. Von Forche stammen auch die deutschen Gesangstexte, die in dieser fulminanten Neuinszenierung zu hören sind. Iris Limbarth weiß, welche Zutaten eine erfolgreiche Musical-Inszenierung braucht. Bei ihr wird jeder Auftritt zur effektvollen Show, jede Massenszene zum detailreich arrangierten lebenden Bild.


Ozean-Dampfer

Möglich wird das alles durch die perfekt funktionierende Ausstattung von Udo Herbster (Bühne) und Heike Korn (Kostüme), die das dringend sanierungsbedürftige Landestheater in einen schneeweißen Ozean-Dampfer namens "MS America" verwandelt. Die Drehbühne garantiert flotte Verwandlungen und pausenlose Auf- und Abtritte mit reichlich Potenzial für Szenenapplaus.


Musiker des Philharmonischen Orchesters und einige Gäste liefern unter der ebenso umsichtigen wie anfeuernden Leitung von Roland Fister als Philharmonische Big Band stilsicheren und dynamisch gut abgemischten Musicalsound.


Dramaturgisch ist "Anything Goes" ein durchgedrehter Unsinn in allerbester Screwball-Manier. Iris Limbarth versucht zum Glück gar nicht erst, das Durcheinander an Intrigen und Verwechslungen mit irgendeinem vermeintlichen Hintersinn aufzuladen. Sie treibt vielmehr das äußere Durcheinander bewusst auf die Spitze und beweist ihr Geschick, jeden Auftritt effektvoll zu zelebrieren.


Mitreißende Spielfreude

Und die Solistenschar mit einer Reihe von Gästen macht daraus für das (Premieren-)Publikum ein einziges Vergnügen. An die Spitze der Applaus-Charts schafft es Carolin Soyka in der Rolle als Nachtclubsängerin Reno Sweeney. Viel Beifall verdienen sich auch Julia Harneit als Hope Harcourt, die ihrer Mutter Evangeline (Gabriela Künzler) durch die angestrebte Hochzeit mit Lord Oakleigh (Dirk Mestmacher) zur Sanierung ihrer reichlich angeschlagenen Finanzen verhelfen soll.
Stephan Mertl als Börsenmakler Elisha Whitney, Andreas Langsch als unsterblich in Hope verliebter Billy Crocker, Benjamin Hübner als tollpatschiger Gangster Moonface Martin und Veronika Hörmann als seine Geliebte Erma - sie alle demonstrieren mitreißende Spielfreude und Gespür für ironische Zuspitzung der jeweiligen Charaktere. Nicht zu vergessen der Auftritt von Schoßhündchen Zazou als Benjamin Franklin.


Und ganz nebenbei erlebt das Publikum nach manchen kuriosen kommunalpolitischen Äußerungen in der zu Ende gegangenen Woche, dass ein Orchestergraben irgendwie doch eine ganz praktische Erfindung ist, auch wenn ein Stadtrat meinte, ein solcher Orchestergraben sei bei einer Ausweichspielstätte allein deshalb verzichtbar, weil es zu Mozarts Zeiten auch keine Orchestergräben gegeben habe.




Sie bringen "Anything Goes" in Coburg auf die Bühne


Theater-Tipp "Anything Goes" - Musical Comedy von Cole Porter, 21., 26. Dezember, 19.30 Uhr, 31. Dezember, 15 und 19.30 Uhr, 5., 12., 18., 27., 28. Januar, 19.30 Uhr, 5. Februar, 15 Uhr, 11. Februar, 19.30 Uhr, 12. Februar, 15 Uhr, 17., Februar, 4. März, 19.30 Uhr, 26. März, 18 Uhr, 1., 15., 25. April, 19.30 Uhr, 21. Mai, 15 Uhr, 30. Juni, 19.30 Uhr, 9. Juli, 18 Uhr

Produktionsteam
Musikalische Leitung Roland Fister
Inszenierung und Choreografie Iris Limbarth
Bühnenbild Udo Herbster
Kostüme Heike Korn
Dramaturgie Carola von Gradulewski

Besetzung
Reno Sweeney : Carolin Soyka
Hope Harcourt: Julia Harneit
Evangeline Harcourt: Gabriela Künzler
Lord Evelyn Oakleigh: Dirk Mestmacher
Elisha Whitney: Stephan Mertl
Billy Crocker: Andreas Langsch / Nathanael Schaer*
Moonface Martin: Benjamin Hübner
Erma: Veronika Hörmann
Kapitän: Felix Rathgeber
Zahlmeister: Norman Hofmann
Luke & John: Tae-Kwon Chu & Jaehan Bae
Matrosen: Kostas Bafas, Jaume Costa i Guerrero, Federico Frigo, Sylvain Guillot, Jan Korab, Marcello Mejia-Mejia, Simon van Rensburg, Takashi Yamamoto
Engel/Showgirls: Chi-Lin Chan, Lucia Colom, Natalie Holzinger,
Lauren Limmer, Mireia Martinez Pineda
Fred, Barmann: Frederick Diez / Mees Menzer*
Geistlicher, Henry T. Dobson: Martin Trepl
Ein Mädchen: Emily Lorini
Ein Kind: Matthis Menzel / Lucas van Rensburg*
Benjamin Franklin, Schoßhündchen: Belicia / Mika / Taic / Zazou*