Vikinger im Thanner Wald
Autor: Rainer Lutz
LKR Coburg, Montag, 05. Dezember 2016
Wilde Gesellen, Kampfgetümmel und Beschwerden, die auch vor dem Rücken echter Recken nicht haltmachen - aus diesem Stoff entsteht ein Werbefilm.
Es ist eine nicht ganz gewöhnliche Szene für unsere Tage. Ein in Felle gehüllter Kerl stapft, ein gerade erbeutetes Reh auf der Schulter, durch den Wald, watet durch einen Bach und erreicht schließlich die heimatliche Hütte, wo seine Vorzeitfrau schon auf ihn und die Mahlzeit wartet. Plötzlich stürmt ein anderer Wilder aus dem Gebüsch. Streitaxt schwingend will er dem Jäger seine Beute abnehmen - es kommt zum Kampf.
Kämpfen auf so urtümliche Art will mit ordentlich Gebrüll untermalt sein. Kampfgeschrei zu nächtlicher Stunde allerdings bleibt heute kaum verborgen. So kommt es, wie es kommen muss,und die Polizei taucht am Kampfplatz auf. Die Szenerie wird dadurch noch ein wenig skurriler. Männer in Uniform stehen Männern in Fell und Rüstung gegenüber - man unterhält sich kultiviert. Die Wilden sind Akteure einer Filmproduktion. Es ist ein Werbespot, der hier gedreht wird.
Gefällte Bäume und abgerissene Äste gehen in Ordnung. Der Wald ist Privatgrund und die Dreharbeiten sind genehmigt. Wolfgang Bretschneider von Liquidfilm dreht hier im Auftrag der Coburger Werbeagentur Background KG mit erheblichem Aufwand einen Werbefilm. Die Polizisten sind beruhigt, schießen mit ihren Handys ein paar Erinnerungsfotos von den Wilden im Wald. Dann kann die Arbeit dort weitergehen.
Der Recke "hat Rücken"
Der Auftrag kommt von Mey Chair Systems in Merlach. Wilde Vikinger werben für Bürostühle? "Nein, es geht um Faszienrollen", sagt Wolfgang Bretschneider und grinst. "Faszien", erklärt er, "sind die Weichteilkomponente des Bindegewebes." Was das mit raufenden Wilden im Wald zu tun hat, erzählt der Film wenige Sekunden später. Gerade als der Jäger im Kampf um das Futter für sich und seine Gefährtin zum entscheidenden Hieb ausholt, hindert ihn eine Verspannung im Schulter- und Nackenbereich am Zuschlagen, und der Kontrahent verdrückt sich wieder in die Tiefen des Thanner Tanns. Mist.Doch Frau weiß Rat. Sie führt den verspannten Recken in die Hütte, wo - Wotan sei Dank - eine Faszienrolle von Mey am Pfosten befestigt ist. Der Recke reibt sich und kann wenig später mit der Holden wieder am Feuer sitzen und das mühsam verteidigte Beutestück verschmausen.
Ungewöhnliches Projekt
"Normalerweise mache ich vor allem Filme für den Industriebereich, von der Firmendarstellung bis zur Dokumentation von Herstellungsprozessen", erklärt Bretschneider. Als die Agentur auf ihn zukam und er hörte, worum es ging, reizte ihn die Produktion aber doch. Rasch erwiesen sich Kontakte zu einer Truppe als nützlich, die sich "Horden des Chaos" nennt. Das Hobby der Mitglieder ist es, in antiker Aufmachung Kämpfe nachzuspielen. So wurde Patrick Tonn zum wackeren Jäger, Marcel Bauer zum bösen Räuber und Eva Neugebauer zur klugen Hausfrau, die mit Vorbedacht eine Faszienrolle angebracht hat.Sieben Tage investierten die Geschwister Andrea Takacs und Christian Hesselbach von Background zusammen mit Wolfgang Bretschneider ihre ganze Arbeitskraft in Vorbereitung und Dreh. Wenn alles steht, dann muss es auf den Punkt klappen, darauf arbeitete das ganze Team hin.
Das Wetter ist dabei noch ein Faktor, der gar nicht wirklich kalkuliert werden kann. Wie viele Stunden es am Ende sein werden, ehe das Material geschnitten und vertont, der Spot also ganz fertig ist, das steht noch gar nicht fest. Allein der Schnitt für die Kampfszene dauerte schon sechs Stunden.
Immerhin hatten die Darsteller ihre Kostüme und Waffen schon. Das Reh, das eine wichtige Rolle spielt, steuerte ein Jäger bei. Es war im Straßenverkehr umgekommen. Der Agentur Background war es wichtig, dass kein Tier extra für den Spot getötet wird.
Soweit das Werk jetzt schon gediehen ist, bezeichnen es alle Beteiligten als ihre bisher größte und aufwendigste Produktion.