Vier Tage Mittelalter im Coburger Hofgarten
Autor: Simone Bastian
Coburg, Freitag, 29. Sept. 2017
Markttreiben, Kämpfe und mehr ab Samstag im Hofgarten zwischen Herzog-Alfred-Brunnen und Spielplatz :Ein Gespräch mit Organisator Stephan Walter.
Im normalen Leben betreibt Stephan Walther eine Grafikagentur und ist Vorsitzender eines Vereins. In seinem zweiten Leben nennt er sich Hauptmann Berack, und die Mitglieder seines Vereins Coburger Mittelalter und Fantasy sind Mitglieder seiner Gruppe "Die Goldfänge". Angefangen haben sie als Söldner. Ihr Heimatland Neu West-Barmenien liegt auf dem Kontinent von Mythodea. Aber an diesem Wochenende bis einschließlich Dienstag schlagen sie im Coburger Hofgarten ihr Lager auf und laden ein, fantasievolles mittelalterliches Treiben zu erleben.
Hauptmann Berack, was erwartet die Besucher des Hofgartens am Wiochenende?
Hauptmann Berack: Eine Mischung aus klassischem Mittelaltermarkt gepaart mit phantastischen Wesen und magischen Momenten. Wir wollen weg vom klassischen Mittelaltermarkt, den man in jeder Stadt zu jedem Stadtjubiläum findet. Bei uns gibt es wenige Händler, die nur ihre Ware feilbieten, dafür umso mehr zum Bestaunen und Anfassen, vom Glücksschmied über Brandmaler bis hin zu einem Erlebnisbauernhof. Hungern muss niemand: Es gibt Luther-Steaks, Flammkuchen und natürlich Coburger Bratwurst, regionales Bier und Honigwein. Kinder können spielen und toben, basteln und Schätze suchen und natürlich auch gegen echte Ritter kämpfen. Anfassen ist ausdrücklich gewünscht!
Gibt es besondere Höhe- oder Programmpunkte?
Es werden etliche Barden und Musikgruppen zu hören sein, wir werden Kämpfe zeigen und magische Momente schaffen. Wir haben auch Freunde aus der Cosplay-Szene eingeladen, die Sagengestalten darstellen und in aufwendigen Kostümen auftreten. Achten Sie auf den Brunnen! Höhepunkte sind der Auftritt der "Kilkenny Knights" am Sonntag um 17 Uhr und die Märchenfeuershow "Lichterloh". Außerdem wird es Kämpfe geben. Wir kündigen unsere Shows nicht im Voraus an, aber wir garantieren unseren Besuchern, dass sie deutlich merken werden, wann es losgeht.
Sie nennen sich die "Goldfänge". Wie kam es dazu, und was machen Sie?
Wir haben vor 15 Jahren diese Gruppe als Söldnertrupp hier in Coburg gegründet. Mittlerweile hat sich diese Gruppe aber durch ihre Mitglieder so verändert, dass wir keine Söldner mehr sind. Wir haben aktuell 35 Mitglieder, die zum größten Teil aktiv auf Veranstaltungen anzutreffen sind oder sich in der Vereinstätigkeit einbringen.
Was muss man tun oder können, um mitzumachen?
Man muss nichts mitbringen außer Spaß an Gemeinschaft, Natur und Phantasie. Wir sind offen für jeden und jede Altersgruppe. Ob man nur im Lager leben möchte, kämpfen möchte oder Rätsel lösen - jeder findet die Rolle, die einem persönlich am besten gefällt. Der Einstieg über eine Gruppe wie uns ist einfacher als alleine - obwohl es alleine möglich ist. Aber in einer Gruppe kann man die vorhandenen Zelte und Ausrüstung mitnutzen und hat so einen geringen Erstanschaffungspreis. Generell kann man mit Ausrüstung im Wert vom 50 Euro auf jeden Fall eine Woche mit uns mitfahren.
Was ist so faszinierend an diesen Reisen in eine phantastische Vergangenheit?
Die Phantasie fehlt uns allen in unserem Leben. Es ist schwer, die Magie eines Märchens aus der Kindheit in unseren stressigen Alltag zu bringen, aber durch unser Hobby schaffen wir es, diesen wichtigen Teil auszuleben. Das Mittelalter war teilweise düster und grausam. Es ist schwer, sich korrekt als Darstellung an diese Epoche zu halten. Und ich denke, dabei geht viel von dem Zauber verloren, den auch ein solches Leben hatte. Das Fantasy-Genre hält weit mehr bereit und verkörpert mehr den Zauber und die Romantik eines Märchens. Wir beschäftigen uns ständig mit unseren Sorgen und Ängsten, aber eine Woche im Jahr schlüpft man in ein anderes Leben und kann abschalten und genießen. LARP (live action role play) ermöglicht jedem den Urlaub, den er schon immer wollte. Eine Woche ohne PC, Handy, TV oder sonst was, eine Woche ohne den belastenden Stress und, ganz wichtig, eine Woche in der Natur. Das Faszinierendste an dieser Woche ist, dass man allen Leuten, die man trifft, positiv gegenüber tritt, denn man erschafft gerade zusammen eine Geschichte und reagiert auf eine ausgedachte Person. Niemanden interessiert, ob der Gegenüber gerade Millionär oder arbeitslos ist, sondern nur, was man zusammen erleben kann.
Andere Mittelalter-Gruppen leben diese Epoche bis aufs Knopfloch genau. Haben Sie mit diesen Living-History-Gruppen Berührungspunkte?
Eher nicht. Wir werden immer als die Kiddies mit Gummischwertern im Wald hingestellt, und unsere Szene stellt die historische Darstellung, die "Living History", immer als verkleidete alte Lehrer hin. Aber im Grunde ist es so unterschiedlich wie Handball und Fußball. Beide spielen mit dem Ball, aber ein Fußballer ist nicht zwangsläufig ein guter Handballer. Es sind zwei Szenen, die sich ähneln, aber sehr unterschiedlich sind.
Ihre Szene ist aber sehr groß. Sie haben sogar ein eigenes Land!
Neu West-Barmenien ist ein fiktives Land, das die Heimat unserer Gruppe ist. Es liegt auf dem Kontinent Mythodea im Nördlichen Siegel. Dies ist ein Spielhintergrund, den wir seit zwölf Jahren spielen und mitgestalten. So treffen wir auf den dazugehörigen Veranstaltungen jedes Jahr viele Freunde wieder. "Conquest of Mythodea" ist das größte Event dieser Szene in Europa. Dort treffen sich bis zu 10 000 Leute für eine Woche. Dieses Event behandelt die Geschichte von Mythodea und damit auch unsere und die unseres Landes. Wir spielen diese seit zwölf Jahren fortlaufend mit, und das mit vielen befreundeten Gruppen. Daraus sind feste Freundschaften erwachsen, die sich auch abseits der Veranstaltungen fortsetzen. Die Goldfänge spielen mittlerweile eine zentrale Rolle in der Geschichte. Ich bin seit zwei Jahren Tulhen des Nordens, was einer rechten Hand des Königs eines Landes gleichkommt, und die Goldfänge sind meine Elitetruppe.
Was können wir in Coburg in diesem Jahr noch von Ihnen erwarten?
Unsere Saison für dieses Jahr endet mit dem Mittelalterfest. Uns liegt der Sommer mehr als der Winter. Trotzdem veranstalten wir im Winter interne Planungstreffen und Tavernen und bereiten so das neue Jahr vor.
Das Gespräch führte Redaktionsmitglied Simone Bastian.