Viel Storchen-Nachwuchs im Coburger Landkreis
Autor: Berthold Köhler
Coburg, Samstag, 20. Juli 2013
Während im restlichen Bayern zahllose Jungtiere dem schlechten Wetter im Frühjahr zum Opfer fielen, werden im Landkreis in diesem Jahr acht junge Störche flügge. Dabei ging es auf manchen Horsten ziemlich stürmisch zu.
Interessante Fakten hat die Kreisgruppe im Landesbund für Vogelschutz (LBV) über die Störche im Coburger Land herausgefunden. Zu verdanken sind die neuen Erkenntnisse dem renommierten Tierfotografen Hans Schönecker, dem in den vergangenen Wochen detailscharfe Fotos der Vögel gelungen sind. Dadurch konnte bei einigen Tieren die Beschriftung ihrer Ringe abgelesen und deren Herkunft ermittelt werden. Dabei gab es selbst für einen Fachmann wie Frank Reißenweber, den LBV-Kreisvorsitzenden, manch Überraschung.
So ging es im Bad Rodacher Storchenhorst in den vergangenen Monaten drunter und drüber. Dabei begann alles so idyllisch: Schon Mitte April fingen das Weibchen (geboren in Mittelfranken) und sein im tschechischen Zadni Chodov geschlüpfter Partner mit dem Brüten an, vermutlich dürften sie auch Eier gelegt haben. Doch dann verschwand der Storchen-Mann, vielleicht sogar nicht ganz freiwillig nach einem Revierkampf mit einem anderen Vogel. Der Nachfolger zerstörte, so ist es die Natur der Tiere, die Brut seines Vorgängers - verschwand aber ebenfalls nach kurzer Zeit spurlos. Seit Ende Juni sitzt nun der dritte Storchen-Herr auf dem Horst unweit des Kurparks. "Aber für eine erfolgreiche Brut ist es nun zu spät", erklärt Reißenweber.
Die Bevölkerung dürfte vom munteren Wechselspiel in der Thermalbadstadt nur wenig mitbekommen haben, denn Störche sind nur sehr schwer auseinander zu halten. "Für die meisten Betrachter ist Storch gleich Storch", sagt der LBV-Kreisvorsitzende. Wer einen geschulten Blick und oder ein mächtiges Teleobjektiv wie Schönecker hat, tut sich da natürlich leichter. Das Ausmaß der Partnerwechsel hat indes aber auch Frank Reißenweber überrascht. Freilich - dass ab und an mal ein Vogel verunglückt oder bei Revierkämpfen ums Leben kommt, kennt man in Fachkreisen schon. Aber drei Männchen in einer Saison auf einem Horst, da sagt selbst der Biologe Reißenweber: "Das ist ein hochinteressantes Phänomen."
Alte Hasen in Kaltenbrunn
Eher beschaulich geht es in Kaltenbrunn zu. Jetzt wissen die Vogelschützer auch, warum. Die beiden Störche auf dem Schleicher-Schlot sind jeweils schon über zehn Jahre und damit "alte Hasen", was Brut und Aufzucht betrifft. Sie stehen, altersmäßig, quasi "mitten im Leben". Beide Vögel wurden im Westen Deutschlands geboren und sind damit mit größter Wahrscheinlichkeit West-Zieher. Das heißt: Sie fliegen über Spanien und Gibraltar in ihr Winterquartier nach Afrika. Manche nicht einmal das - sie bleiben während der kalten Jahreszeit schon in Spanien stehen. Das könnte bei beiden Itzgrund-Störchen durchaus der Fall sein, schließlich sind sie oft schon Ende Februar im Coburger Land zurück und damit absolute Frühstarter.
In Meschenbach ist nur einer der beiden Vögel beringt. Das Tier wurde erst vor zwei Jahren in der Nähe von Karlsruhe geboren und gehört sicher zu den West-Ziehern. Es wurde nämlich im vergangenen Winter gleich zweimal in Spanien von Vogelschützern an seinem Ring erkannt. Die beiden Seßlacher Störche tragen keine Ringe. Kurios ist auch die Lebensgeschichte des Storchenweibchens in Hochstadt (Landkreis Lichtenfels). Dieses wurde westlich des Rheins in Deutschland geboren, wurde aber 2011 und 2012 jeweils auf einem sächsischen Horst gesichtet.
Dort leben normal Ost-Zieher, die sich über den Bosporus nach Afrika aufmachen. Dass das Weibchen heuer zum ersten Mal nach Hochstadt gekommen ist, dürfte wohl mit dem Verlust ihres Partners zusammenhängen. Doch auch in Oberfranken hatte die Storchen-Dame kein Glück: Das hiesige Männchen ist wohl auch umgekommen. So sitzt nun eine "alleinerziehende Mutter" mit ihren vermutlich zwei kleinen Küken auf dem Dach der Suchtklinik. Frank Reißenweber ist dennoch optimistisch, dass ihr die Aufzucht ihres Nachwuchses gelingen kann: "Wenn zwei Altvögel vier oder fünf Junge groß bekommen, dann kann es einer mit zwei kleinen Störchen durchaus auch schaffen."
Der Goldbergsee ist "heiß"
Weil sich die Storchen-Populationen in den vergangenen Jahren insgesamt gut erholt haben, ist es nicht auszuschließen, dass sich in der Region vielleicht bald weitere Paare ansiedeln. "Heißer Favorit" ist für Frank Reißenweber der Bereich rund um den Coburger Goldbergsee, wo schon eine nahezu sensationelle Menge an teils seltener Vögel einen Lebensraum gefunden hat. Auf dem alten "Hessen-Hof" steht für Neuankömmlinge auch schon eine Plattform für einen Storchen-Horst zur Verfügung.
Nicht ganz so optimistisch ist Reißenweber, was die Hoffnung der Neustadter auf ein Storchen-Paar auf der alten Hausser-Fabrik betrifft - auch wenn dort heuer Vögel gesehen wurden. "Eigentlich ist ein Horst in der Stadt zu weit weg vom Nahrungsrevier in den Rödenauen entfernt", vermutet der Vogelfachmann. Aber die Erkenntnisse der vergangenen Wochen haben ihn vorsichtig werden lassen: "Wenn es um Störche geht, sage ich niemals Nie."
Die Störche in der Region und ihr Nachwuchs
Ausgangslage Die kühle Witterung und die heftigen Regenfälle im Mai und Juni waren für die Storchenpopulation in Bayern verheerend. "Bis zu 70 Prozent aller Paare in Bayern haben ihren Nachwuchs nicht durchgebracht", weiß Frank Reißenweber. Im Coburger Land ist die Lage dagegen einigermaßen gut.
Meschenbach Das absolute Spitzenergebnis im Landkreis. Nachdem der Horst in den vergangenen drei Jahren von argen Kämpfen unter den Vögeln zu leiden hatte, vermutete Frank Reißenweber dort lange drei kräftige Jungtieren. Jetzt hat er sogar noch ein Nesthäkchen entdeckt - mit sehr guten Überlebensaussichten.
Seßlach Auch hier können die Vogelschützer mehr als zufrieden sein. Das Storchenpaar in der Stadt hat drei Junge groß gezogen, die schon bald auf die ersten Rundflüge gehen werden.
Bad Rodach Durch den ständigen Wechsel auf dem Horst hat es heuer keine Brut gegeben.
Kaltenbrunn Vermutlich hat das Storchenpaar im Frühjahr zwei Junge verloren. Übrig geblieben ist ein Jungvogel, der sich prächtig entwickelt hat.