Druckartikel: Verwitwete Königin trifft trauernde Mutter in Coburg

Verwitwete Königin trifft trauernde Mutter in Coburg


Autor: Jochen Berger

Coburg, Sonntag, 19. Juni 2016

Was verbindet Henry Purcell und Ralph Vaughan Williams? Die letzte Opern-Produktion dieser Spielzeit am Landestheater liefert die Antwort.
Verena Usemann (oben Mitte) als Dido und Gabriela Künzler als Zauberin in "Dido and Aeneas".Foto: Andrea Kremper


Dieser Opernabend ist ein Abend mit doppeltem Trauerrand. Zwei britische Opern und zwei tragische Frauenschicksale bündelt das Landestheater Coburg bei seiner letzten Musiktheater-Produktion dieser Saison: Henry Purcells Dreiakter "Dido and Aeneas" und "Riders to the Sea" von Ralph Vaughan Williams.
Hier das Lieben, Leiden und Sterben der verwitweten Königin Karthagos namens Dido, dort der Fatalismus einer Mutter, die erleben muss, dass nach und nach alle ihre sechs Söhne der Naturgewalt des Meeres zum Opfer fallen.


"Concentus musicus Coburg"

Zweieinhalb Jahrhunderte trennen beide Werke - in diesem doppelten Coburger Premierenabend aber schlägt eine schiefe Ebene die Brücke zwischen Barock und frühem 20. Jahrhundert. Denn eine symbolschwere schiefe Ebene bildet den gemeinsamen Nenner im atmosphärisch dichten Bühnenbild von Tilo Steffens.
Gemeinsamer musikalischer Nenner des doppelten Opernabends ist das Philharmonische Orchester, das unter Roland Kluttigs souveräner Leitung verblüffend wandlungsfähig agiert.


Bei Purcell klingt das Philharmonische Orchester beinahe so, als müsste es eigentlich unter dem Etikett "Concentus musicus Coburg" firmieren. Jederzeit prägnant in den Konturen, fein differenziert in Artikulation und Phrasierung - so bringt das Orchester in kammermusikalischer Besetzung Henry Purcells Musik zum Klingen. Dabei lässt Kluttig hörbar werden, dass sich "Dido an Aeneas" keineswegs nur auf den Lamento-Tonfall reduzieren lässt.



Sogwirkung entfaltet nach der Pause Ralph Vaughan Williams in den feinen klanglichen Verästelungen seines Einakters auch deshalb, weil Roland Kluttig und das Philharmonische Orchester die zarten klangfarblichen Nuancen einfühlsam zur Geltung bringen. Wer aber Debussys "Pelléas et Melisande" aus der vorletzten Saison noch im Ohr hat, kommt trotz dieser jederzeit stilsicheren Wiedergabe kaum an der Erkenntnis vorbei, dass Vaughan Williams denn doch eher ein erstklassig zweitklassiger Komponist ist.



Szenisch ist dieser doppelte Opernabend eine heikle Aufgabe, die der junge Gastregisseur Tobias Heyder mit seiner dramaturgisch ebenso schlüssigen wie psychologisch stimmigen Interpretation spannungsvoll und überzeugend löst.


Faszinierende Rollen-Porträts

In "Dido and Aeneas" verwandelt Heyder den vielbeschäftigten Chor in eine Gaukler-Truppe, in deren Auftreten sich Commedia dell'Arte-Elemente und Zirkus-Flair dank der zauberhaft ironischen Kostüme von Verena Polkowski wunderbar verbinden. Der von Lorenzo Da Rio sorgsam einstudierte Chor verdient sich Sonderapplaus für sein spielfreudiges Agieren wie für seinen stilsicheren Gesang.


Zum eindringlichen Erlebnis wird dieser Premierenabend durch die in allen Rollen überzeugende Besetzung, aus der drei Protagonisten herausragen. So beeindruckt der junge Bariton Salomón Zulic del Canto bei Purcell und Vaughan Williams mit ausdrucksstarkem Gesang. Im Zentrum aber stehen zwei Sängerinnen.
Als Dido gelingt der Mezzosopranistin Verena Usemann ein stimmlich wie darstellerisch gleichermaßen eindringliches Rollen-Porträt.


Ihr Pendant in "Riders to the Sea" ist die Figur der Maurya. Die Trauer dieser Mutter, die ihre sechs Söhne verliert, gestaltet Kora Pavelic mit faszinierend expressivem Mezzosopran. Auch dafür gibt es am Ende verdientermaßen Sonderapplaus.


Termine und Darsteller



Theater-Tipp Henry Purcell "Dido and Aeneas"/ Ralph Vaughan Williams "Rider to the Sea" - 21., 24., 30. Juni, 19.30 Uhr, 3. Juli, 18 Uhr, 6. Juli, 19.30 Uhr , Landestheater Coburg

Die Solisten "Dido and Aeneas": Dido - Verena Usemann; Aeneas - Salomon Zulic del Canto; Belinda - Ana Cvetkovic-Stojnic; Zweite Frau - Stefanie Schmitt; Zauberin - Gabriela Künzler; Erste Hexe - Nadja Merzin; Zweite Hexe - Heide Lynn Peters; Geist - Luise Hecht; Seemann - Jan Korab / "Riders to the Sea": Maurya - Kora Pavelic; Bartley - Salomon Zulic del Canto; Cathleen: Nadja Merzyn; Nora: Anna Gütter; Eine Frau - Tomoko Yasumura; Sopran-Solo: Joanna Stark