Druckartikel: Versicherungsbetrug in großem Stil?

Versicherungsbetrug in großem Stil?


Autor: Katja Nauer

LKR Coburg, Montag, 12. Sept. 2016

Ein 31-jähriger Versicherungskaufmann aus dem Landkreis Coburg soll in großem Stil seine Kunden und seinen Arbeitgeber betrogen haben.
Foto: Ferdinand Merzbach


Am Montag fiel der Startschuss für eine spektakuläre Hauptverhandlung: Gleich mit drei Anwälten erschien der Angeklagte, tadellos gekleidet mit rosa Krawatte und im Anzug, vor der Ersten Großen Strafkammer in Coburg. Der Mann aus dem Landkreis Coburg soll seinen ehemaligen Arbeitgeber, eine Versicherung, und seine Kunden, die vornehmlich aus dem Raum Kronach, teilweise aber auch aus dem Landkreis Coburg stammten, in großem Umfang betrogen haben. Insgesamt 186 Mal, so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, habe der Mann falsche Angaben bei Versicherungsverträgen gemacht, um erstens die Provision zu kassieren und damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Versicherung hätte - in Kenntnis der richtigen Daten - die Verträge in der Form vermutlich nicht anerkannt. Zweitens soll der Mann Leistungen versprochen haben, die überhaupt nicht durch die abgeschlossene Versicherung abgedeckt gewesen seien.

Damit habe er seine Kunden, deren Vertrauen er massiv missbrauchte, so die Staatsanwaltschaft, erst zu einem Vertragsabschluss bewogen.


19 Verhandlungstage angesetzt

Für die Aufklärung der Vorfälle, die sich in einem Zeitraum zwischen Oktober 2007 und Dezember 2009 zugetragen haben sollen, hat Vorsitzender Richter Christoph Gillot deshalb vorsorglich bereits 19 Verhandlungstage anberaumt. Es können aber durchaus mehr werden: Bis zu zehn Stunden veranschlagte der Richter allein für einzelne Zeugenaussagen. "Angesichts des Umfangs des ganzen Prozessstoffs müssen wir genau prüfen, was für den Strafvorwurf relevant ist", erklärte er. Deshalb stellte Gillot auch weitere Termine in Aussicht, "bis wir irgendwann genügend Informationen haben, um ein Urteil fällen zu können".

Die Frage, ob es eventuell Verfehlungen weiterer Mitarbeiter der Versicherung gegeben habe, spiele allenfalls am Rande eine Rolle, sagte der Richter. Genau darauf will aber wohl die Verteidigung hinaus: Rechtsanwalt Jochen Kaller verlas für seinen Mandanten eine Erklärung, in der dieser auf Unregelmäßigkeiten bei Vertragsabschlüssen hinwies, die von seinem Vorgesetzen und Kollegen nicht nur gebilligt worden seien, sondern in der Versicherung durchweg als gängige Praxis gelten.

Der Angeklagte, der als Organisationsleiter besagter Versicherung in Kronach tätig war, machte ansonsten lediglich Angaben zu seiner Person. In Coburg habe er den Beruf des Versicherungskaufmanns erlernt, gab er an. Später habe er sich dann bei seinem damaligen Arbeitgeber in Kronach vorgestellt. Er betonte, zu der Zeit keinerlei Erfahrung mit dem Vertrieb und Verkauf von Versicherungsprodukten gehabt zu haben. Bei Abschluss bestimmter Verträge wie der Kfz-Versicherung seien von seinem Vorgesetzten und auch Kollegen Daten geändert oder korrigiert worden, teils auch um günstigere Beiträge für die Versicherten zu erreichen, um diese für weitere Verträge zu "ködern". "Die Zeugen, die dort noch arbeiten, werden wohl nichts bestätigen", sagte der Mann. "Sie haben Verschwiegenheitsverträge unterschrieben."


Hoher Druck

Der interne Druck auf ihn und seine Kollegen war vermutlich immens: Pro Jahr sollten 150 Neuverträge abschlossen und ein Umsatz von 22 000 Euro generiert werden, gab der 31-Jährige an. Weiter erklärt der Angeklagte, dass seine Verträge von seinem Vorgesetzten stets gegengezeichnet worden seien. Auch sei der Vorgesetzte bei vielen seiner Vertragsabschlüsse dabei gewesen.

Der Angeklagte habe sich mit seinem ehemaligen Arbeitgeber bereits auf die Rückzahlung von 10 000 Euro geeinigt, erklärte Rechtsanwalt Jochen Kaller. Der Jurist stellte sich allerdings die Frage, ob der Gesellschaft überhaupt ein Provisionsschaden entstanden sei. "Die Versicherung verweigert jede Auskunft, uns liegen keine Zahlen vor", sagte er und pochte darauf, dass "dieser Buchauszug zwingend vorgelegt" werden müsse.
Von einer "sehr belastenden Geschichte", spricht der 31-Jährige. Seit sieben Jahren sei sein Leben nachhaltig belastet und erheblich eingeschränkt. Pläne für die Zukunft seien ungewiss: "Das ist auch ein Grund, warum ich keine Kinder habe und noch ledig bin."