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Urban Priols verbaler Rundumschlag in Coburg nach Zwangspause


Autor: Jochen Berger

Coburg, Samstag, 16. Oktober 2021

Wie Urban Priol seinen Auftritt im Kongresshaus zur Generalabrechnung mit der Politikerkaste nutzt.
Knapp zwei Jahre nach seinem letzten Coburg-Gastspiel kehrte der Kabarettist Urban Priol zurück ins Kongresshaus Rosengarten.Foto: Jochen berger


Eineinhalb Jahre Berufsverbot unter den Vorzeichen des Corona-Lockdowns haben Urban Priols Lust am Angela-Merkel-Bashing nicht im mindesten gebremst. Zwei, drei Minuten - mehr braucht der Kabarettist aus Aschaffenburg bei seinem Gastspiel im Kongresshaus Rosengarten nicht, um sich und sein applausfreudig gestimmtes Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen.

"Ich habe ein wenig Text mitgebracht - auswendig lernen lohnt sich ja gar nicht mehr" sagt Priol und kommentiert flugs die aktuellen Entwicklungen bei den Sondierungsgesprächen der potenziellen Ampel-Koalition. Ein bisschen Jammern über die Beschränkungen der Corona-Krise muss sein zur Einstimmung - doch dann ist Priol bei seinem Lieblingsthema gelandet: dem verbalen Frontalangriff auf korrupte und unfähige Politiker, die Priol vor allem im konservativen Lager ausmacht.

Noch längt nicht normal

Eineinhalb Jahre Bühnenabstinenz haben bei Priol offenkundig einen heftigen Pointen-Stau verursacht, den er in Coburg vor seinem treuen Publikum eifrig abarbeitet. Auch wenn Live-Auftritte inzwischen wieder in allerlei Varianten möglich sind - völlig normal fühlt sich das Priol-Gastspiel in Coburg noch längst nicht an. Im Kongresshaus, wo sonst verlässlich das Etikett "ausverkauft" bei Priol-Auftritt prangt, bleibt an diesem Abend noch gänzlich ungewohnt reichlich Platz.

Auch auf lokale Pointen verzichtet Priol an diesem Abend, obwohl der Kabarettist eigentlich im Ruf steht, sich am Abend unmittelbar vor dem Auftritt mit Hilfe der lokalen Tageszeitung mit passendem Pointen-Material zu versorgen. Stattdessen arbeitet sich Priol ab an seinen Lieblings-Feindbildern in der Landes- und Bundespolitik. Selbst längst verstorbene Feindbilder recycelt Priol bei seiner ausdauernden Politiker-Schelte im Kongresshaus - Feindbilder wie Franz Josef Strauß, den er jammern lässt über die Unfähigkeit seiner Nachfolger, nach allen Regeln der Kunst Korruption gänzlich unbehelligt von der Öffentlichkeit zu praktizieren.

Schonungslos entlarvend

Nach der Pause versorgt Priol sein Publikum zunächst mit aktuellen Fußball-Zwischenständen. Dann aber breitet er das gesamte Arsenal seines reichhaltigen Politiker-Beschimpfungs-Vokabulars aus - beinahe so, als wolle er nicht nur seinen Zuhörern, sondern fast mehr noch sich selber beweisen, dass er die Kunst des schonungslos entlarvenden Charakterisierens trotz langer Bühnen-Abstinenz nicht verlernt hat. So tituliert er den Bundes-Gesundheitsminister als "Frankensteins Gesellenstück", nennt Bayerns Ministerpräsident den "Covid-19-Terminator" und tauft Ex-Kanzler Schröder den "Gasableser von Putin".

Ein wenig fühlt sich dieser Abend im Kongresshaus so an, als wollten sich Priol und sein Publikum gegenseitig vergewissern, dass sie sich nach eineinhalb Jahren Kabarett-Zwangspause noch über die gleichen politischen Fehler aufregen wie vor Beginn der Corona-Krise. Dass wiederum aber vermittelt am Ende auf seltsame Weise ein Gefühl von Normalität. Und fast normal an diesem Abend ist auch die Länge des Auftritts samt Pause. Erlösender Applaus und eine Zugabe kurz vor 23 Uhr - das ist fast wie bei einem normalen Priol-Abend im Kongresshaus vor der Pandemie...

Zu Gast im Kongresshaus

Urban Priol, 1961 in Obernburg am Main geboren, absolvierte erste Bühnenauftritte schon 1982. Seit 2004 war und ist er ihn unterschiedlichen Fernseh-Formaten präsent - darunter von 2007 bis 2013 in der Sendung "Neues aus der Anstalt". Mit seinem satirischen Jahresrückblick "Tilt!" ist Priol seit 2002 jeweils im Dezember auf Tournee unterwegs. Priol wurde mit vielen Auszeichnungen bedacht: Passauer Scharfrichterbeil (1986 mit Klaus Staab), Salzburger Stier (1997), Deutscher Kabarettpreis (2002), Bayerischer Kabarettpreis (2003), Kulturpreis der Stadt Aschaffenburg (2008), Chemnitzer Biene (2015), Hessischer Kabarettpreis (2019).red