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Urban Priols satirischer Hilferuf in Coburg


Autor: Jochen Berger

Coburg, Freitag, 08. November 2019

Wie der Kabarettist Urban Priol im ausverkauften Coburger Kongresshaus Politik und Politiker satirisch an den Pranger stellt.
Mahner und Warner: Urban Priol stellte sein neues Programm "Im Fluss" in Coburg vor.Foto: Jochen Berger


Urban Priol ist gut in Form an diesem Abend. Mit schier ermüdungsfreier Ausdauer schimpft er über die bundesdeutsche Politikerkaste im Allgemeinen und über ihre ausgeprägt kompetenzfreien Vertreter auf diversen Ministersesseln im Besonderen.

Politikerbeschimpfung

Wer als Kabarett-Fan einen Abend mit Urban Priol im praktisch ausverkauften Kongresshaus bucht, weiß ganz genau, was er bekommt - ausdauernde Politikerbeschimpfung, die sich freilich nicht in blanker Polemik verliert, sondern der verdrießlichen Politik-Wirklichkeit Fakten und Zahlen entgegen stellt.

Das Publikum kann sich auf Priol verlassen - und Priol auf sein treues Coburger Publikum. Priol bekommt seinen Applaus fast immer genau dort, wo er ihn in seinem satirischen Drehbuch auch erwartet hat. Wenn Priol sich über Mutti Merkel und ihre längst perfektionierte Taktik des Aussitzens ereifert, gibt es ebenso verlässlich Beifall wie bei der bloßen Erwähnung des Bundes-Verkehrsministers.

Ergebnis-dienst für Fußball-Fans

Der Kabarettist und sein Publikum sind sich von Anfang an einig in ihrem Missfallen an der politischen Wirklichkeit in Deutschland mit erschreckenden Wahlergebnissen wie beispielsweise jüngst in Thüringen.

Weil Priol-Abende einen Hang zu zeitlichen Ausschweifungen haben, gibt es nach der Pause von Priol höchst persönlich einen netten Ergebnis-Dienst für alle Fußball-Fans.

Freiburger Thesen

Im zweiten Teil wird es ein wenig nostalgisch. Denn Priol erinnert einfach Mal an die Programme, die sich die etablierten Parteien einst selbst gegeben hatte - an die 1971 verkündeten Freiburger Thesen der Liberalen oder an das Ahlener Programm der Christdemokraten von 1947. Und er träumt beseligt davon, was passieren würde, wenn Ursula von der Leyen als Frisch gekürte

EU-Kommissions-Präsidentin bei ihrer Antrittsrede ein flammendes Bekenntnis abgegeben hätte.

Moderner Sisyphos

Das Erwachen in der Wirklichkeit ist dann umso schmerzlicher für den Kabarettisten, auch wenn der sich dann mit reichlich Applaus trösten darf. Wer mag, darf Priols ausdauernde Politiker-Schelte natürlich wohlfeil nennen - schließlich darf er sich der Zustimmung seiner Zuhörer fast von vornherein sicher sein.

Und doch hat sein pausenloser Furor, sein satirischer Hilferuf, fast etwas von der unverzagten Ausdauer eines modernen Sisyphos. Die begründete Sorge, dass sich auch bei der nächsten Wahl nichts grundlegend bessert, raubt ihm trotzdem nicht die Hoffnung.

Künstler zu Gast im Coburger Kongresshaus

Urban Priol, 1961 in Obernburg am Main geboren, absolvierte erste Bühnenauftritt schon 1982. Seit 2004 war und ist er ihn unterschiedlichen Fernseh-Formaten präsent - darunter von 2007 bis 2013 in der Sendung "Neues aus der Anstalt". Mit seinem satirischen Jahresrückblick "Tilt!" ist Priol seit 2002 jeweils im Dezember auf Tournee unterwegs. Priol wurde mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. Passauer Scharfrichterbeil (1986 mit Klaus Staab), Salzburger Stier (1997), Deutscher Kabarettpreis (2002), Bayerischer Kabarettpreis (2003), Kulturpreis der Stadt Aschaffenburg (2008), Chemnitzer Biene (2015), Hessischer Kabarettpreis (Ehrenpreis 2019).red