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Uraufführung in Coburg: Hass frisst junge Seelen


Autor: Jochen Berger

Coburg, Montag, 20. Februar 2017

Was lässt junge Menschen unter den Einfluss der Terror-Miliz IS geraten? Einblicke verspricht das Jugendstück "Jihad Baby", das in Coburg uraufgeführt wird.
Ingo Paulick in einer Probenszene zu "Jihad Baby" Foto: Henning Rosenbusch


Der Titel ist Programm. "Jihad Baby" hat der Schauspieler und Autor Daniel Ratthei sein "Monologstück für Jugendliche" genannt, das am Freitag im Theater in der Reithalle uraufgeführt wird. Im Zentrum: der 16-jährige Jona, der sich unter dem Einfluss muslimischer Freunde radikalisiert. Der Schauspieler Ingo Paulick, der sich mit seinem Kollegen Benjamin Hübner und Darstellern des Jugendclubs die Rolle des Jona teilt, erzählt über seine Erfahrungen mit dem Stück.

Sie sind jetzt in Ihrer dritten Spielzeit am Landestheater. Stört es Sie, dass Sie als inzwischen 30-Jähriger immer wieder Jugendliche spielen müssen?
Ingo Paulick: Seit ich 25 bin, stört mich das nicht mehr. Wichtig ist nur, sich an diesen Ratschlag zu halten: Versuche nicht, besonders jugendlich zu spielen. Versuche einfach nur, echt zu sein.

In "Jihad Baby" spielen Sie gemeinsam mit Benjamin Hübner und Darstellern des Jugendclubs den 16-jährigen Jona. Wie spielt man einen 16-Jährigen?
Durch Erinnerung an sich selbst. Schließlich war man auch mal 16. Damals habe ich auch manche Sachen gemacht, für die ich mich begeistert habe, wenn auch nicht so radikal wie Jona. Ich erinnere mich noch, wie wir als Jugendliche alte Armee-Klamotten angezogen und Krieg gespielt haben.

Wie bereiten Sie sich auf neue Rollen vor?
Ich lese zuerst natürlich das Stück und versuche die Rolle zu verstehen und ihre Entwicklung zu hinterfragen. Dann versuche ich herauszufinden, wo die möglichen Wendepunkte dieser Figur sind. Wo gibt es mögliche Radikalisierungen der Figur?

In "Jihad Baby" gerät Jona immer mehr unter den Einfluss muslimischer Freunde und radikalisiert sich. Wo liegen für Sie die Herausforderungen dieser Rolle?
Bei Jona erfährt man am Anfang nicht, wie er unter den Einfluss seiner Freunde geraten ist. Man erfährt nicht viel über sein Elternhaus. Sicher ist nur: Er scheint in einer Phase zu sein, in der er Vorbilder sucht.

Wie hat sich das Ensemble auf dieses Stück vorbereitet?
Mit Regisseurin Maike Bouschen haben wir uns in den ersten zwei Wochen intensiv mit Recherche befasst. Dabei haben wir nicht nur Dokumentationen über den IS angesehen, sondern auch gesellschaftliche Dokus.

Hat sich Ihr Blick auf Jona während der Probenarbeit verändert?
Schon. Jona ist kritischer geworden gegenüber den Einflüssen seiner Freunde. Das hängt sicher auch mit dem Regiekonzept zusammen. Daniel Ratthei hat "Jihad Baby" eigentlich als Monologstück geschrieben, das im Präsens spielt. Wir verteilen aber die Rolle des Jona auf mehrere Darsteller. Das bringt noch eine Erzählebene rein und schafft eine gewisse Distanz. Dadurch ist es auch für das Publikum leichter, kritische Fragen zu stellen.

Welche Wirkung auf der Publikum erhoffen Sie sich von diesem Stück?
Dass nicht nur eine Geschichte erzählt wird, sondern dass die Zuschauer auch Gelegenheit haben, über gewisse Aussagen nachzudenken. Wie kann das passieren, dass man als Jugendlicher in so etwas hinein rutscht, wie es Jona passiert?

Auf einer Rangliste schwieriger Rollen: Wo würden Sie die Rolle des Jona ansiedeln?
Das ist eine gute Frage - und gar nicht einfach zu beantworten. Auf einer Rangliste von eins für einfach bis zehn für sehr schwierig würde ich den Jona eher mittig einsortieren - so um die fünf.

Wann ist ein Abend auf der Bühne für Sie ein guter Abend?
Wenn ich die Zuschauer begeistern kann und sie sich auf dem Heimweg nicht fragen: Wofür habe ich da Geld ausgegeben? Aufklären will ich eigentlich nicht. Ich will die Besucher lieber zum Nachdenken anregen.

Wie erleben Sie einen Premierentag? Pflegen Sie Rituale?
Meistens ist der Vormittag frei. Das ist sehr schön, nachdem man vorher die Anstrengungen der Hauptproben und der Generalprobe gehabt hat. Meistens schlafe ich dann am Premierentag etwas länger, aber nicht zu lange, genieße ein ausgiebiges Frühstück. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem der Stress beginnt und man seine Premierengeschenke vorbereitet. Das frisst immer mehr Zeit, als man meint. Später schaue ich noch mal das Textbuch durch, lese meine Aufzeichnungen dazu durch und bin meist eine halbe Stunde vor Maskentermin im Theater. Wenn ich im Theater bin, ist der Stress erst einmal weg. Die Anspannung beginnt erst wieder, wenn ich das Kostüm anziehe. Dann geht's auf die Bühne. Mit dem ersten Schritt auf die Bühne werde ich wieder entspannter. Nach der Premiere fühlt es sich an, als habe man einen großen Rucksack abgelegt.




Rund um die Uraufführung von "Jihad Baby"




Premieren-Tipp "Jihad Baby!" - Monologstück von Daniel Ratthei für Menschen ab 14 Jahren, Uraufführung Freitag, 24. Februar, 20 Uhr, Theater in der Reithalle Coburg. "Jihad Baby" ist das Siegerstück des 2. Coburger Forums für junge Autoren. Neben der Uraufführung ist damit ein Preisgeld (6000 Euro) verbunden.

Partner mit Unterstützung des Lions Clubs Coburg, in Kooperation mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Hochschule Coburg

Produktionsteam Inszenierung: Maike Bouschen; Bühnenbild und Kostüme: Daniel Tauer; Sounddesign: Lutz Gallmeister; Dramaturgie: Carola von Gradulewski
Darsteller Benjamin Hübner, Ingo Paulick, Kevin Pojani, Luca Schenk, Ayman Shanana, Christof Stier, Dominik Tippelt

Termine 26. Februar, 7. März, 20 Uhr, 8. März, 11 und 20 Uhr, 17., 18. März, 20 Uhr, 19. März, 18 Uhr

Darum geht es Erzählt wird die Geschichte von Jona, dem Lehrer und Eltern mit ihrer geheuchelten politischen Korrektheit auf die Nerven gehen. Sein Freund Musa nimmt ihn mit in die Moschee, in der Gemeinschaft dort fühlt er sich wohl. Online sieht Jona Videoposts von einem muslimischen Prediger an und ist fasziniert, konvertiert schließlich zum Islam. Er verliebt sich in Jenny, doch die soll nun tabu für ihn sein. Diese Regel zu befolgen, fällt Jona natürlich schwer. Musa nimmt ihn schließlich mit zu einem privaten Treffen, bei dem es um einen "richtigen" Kampfeinsatz im Namen Allahs gehen soll...

Autorenforum Die zweit- und drittplatzierten Stücke des Autorenforums - "Boat People Opera" von Syrène Nazora, "Rakete" von Enver Husicic sowie "Schwestern halb/halb" von Katharina Peter werden im Rahmen eines Autorenabends am Samstag, 25. Februar in der Reithalle präsentiert (19 Uhr).

Ingo Paulick besuchte die Freie Schauspielschule Hamburg. Seit der Spielzeit 2014/15 ist er Mitglied des Schauspielensembles am Landestheater Coburg ("Fabian", "Tschick").