Ungewollter Wolf-Zuwachs im Wildpark Tambach
Autor: Rainer Lutz
Tambach, Mittwoch, 12. Juni 2013
Im Wildpark von Schloss Tambach tummelt sich der Tiernachwuchs. Das freut die Besucher. Doch gerade bei den Wölfen wird es durch ungewollten Zuwachs langsam eng.
Jungtiere sind Jahr für Jahr die Besuchermagneten im Wildpark von Schloss Tambach. Gerade jetzt tummelt sich in vielen Gehegen der Nachwuchs oder wird in den kommenden Tagen erwartet. Heinrich Graf zu Ortenburg könnte sich also freuen, denn sein Wildpark bietet eine Menge Attraktionen. Die Freude wird aber durch einige Sorgen getrübt.
Da ist zunächst der völlig verregnete Mai. "Das ist normalerweise einer unserer besucher stärksten Monate", stellt Graf zu Ortenburg fest. Heuer war nichts normal im Mai. Der Regen hielt die Leute fern. Das kann auch ein schöner Juni nicht wettmachen, denn die Ferien sind vorbei, die Familien haben nicht so viel Zeit.
Dabei gibt es wirklich viel zu sehen. Tierpflegerin Anne Hornung kommt fast ins Schwärmen, wenn sie aufzählt. "Die Luchse haben schon Junge, zwei haben wir gesehen", erzählt sie. Noch haben die kleinen Luchse die Augen geschlossen, aber Mutter Bonnie trägt sie schon ab und zu an sonnige Plätzchen, damit sie sich wärmen können. Kater Clyde kommt tagsüber selten von seinem Lieblingsplatz in einer Astgabel hoch droben im Baum herunter.
Die Wiesente haben ein trolliges Kälbchen, auf das Graf zu Ortenburg sichtlich stolz ist: "Es ist seit vielen Jahren das erste Kalb, das im Park geboren wurde", erklärt er.
Auch bei den Elchen steht ganz offensichtlich Nachwuchs ins Haus und bei den Ottern ebenso. "Frau Hornung ist sozusagen die Patin bei den Ottern, sie lassen sie am nächsten an sich heran", erklärt Graf zu Ortenburg. Gerade die jungen Otter sind erfahrungsgemäß bei den Besuchern besonders beliebt.
Ein Rudel voller Probleme
Eine der Hauptattraktionen des Parks sind ohne Zweifel die Wölfe. Das Rudel ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. So gut hat sich der Bestand entwickelt, dass die große Zahl der Tiere nun zum Problem zu werden droht. Daher wurden die Wolfsrüden im vergangenen Jahr sterilisiert. Noch mehr junge Wölfe wollten die Tierpfleger und Graf zu Ortenburg nicht im Gehege haben.
Wollten, denn die Natur sah die Sache anders. Offenbar klappte mindestens bei einem Wolf die Sterilisierung nicht, denn jetzt gibt es wieder Junge. "Es sind ziemlich sicher sechs Stück", sagt Anne Hornung. Mit absoluter Sicherheit lässt sich die Zahl nicht nennen, denn die Wölfe lassen niemanden an die Welpen heran - auch die vertrauteste Tierpflegerin nicht. Mit den neuen würde der Bestand auf 23 Tiere anwachsen. Das wäre zwar angesichts der Größe des Geheges noch zulässig, aber besser für die Tiere wäre es, wenn ihr Lebensraum nicht so dicht besetzt wäre.
"Langsam stellt sich da auch die Frage des Futters", sagt Anne Hornung. Zwei bis drei Kilo Fleisch braucht ein Wolf jeden Tag. Zwar fällt im Park und im Ortenburgschen Jagdrevier einiges an, doch längst nicht so viel, dass 23 hungrige Wölfe jeden Tag satt werden.
Also sollten dringend junge Wölfe das Gehege verlassen. Denn erwachsene Tiere sollten nicht aus einer Rudelstruktur entfernt werden. "Heute weiß man, dass so etwas zu schlimmen Kämpfen führen kann", betont die Tierpflegerin. Doch in Deutschland braucht niemand Wölfe. Im Gegenteil, auch andere Parks und Zoos würden gern Tiere abgeben. Zwar kommen auch Wölfe inzwischen wieder in freier Wildbahn in Deutschland vor, doch Auswilderungsprogramme gibt es derzeit nicht. In Sachsen gibt es, wie Anne Hornung erfahren hat, sogar schon Bestrebungen, eine Regelung zu schaffen, die den Abschuss von Wölfen erlaubt, die eigentlich streng geschützt sind. Damit scheidet auch das Töten der Jungtiere aus. Dafür gibt es derzeit keine Genehmigung.
Fachleute sollen entscheiden
Das ist ein Problem, meint Graf zu Ortenburg. Einerseits ist kontinuierlicher Nachwuchs wichtig und wird gewünscht. Andererseits fehlt eine rechtliche Grundlage für ein tiergerechtes Management der Bestände.
Daher unterstützt Graf zu Ortenburg Bestrebungen, eine Art Ethik-Kommission für das Bestandsmanagement in Tierparks zuzulassen. "Da könnten Tierpfleger, die Parkleitung, der Vertragstierarzt und ein Vertreter des Veterinäramtes drin sein und gemeinsam entscheiden, welche Schritte unternommen werden sollen", wäre sein Vorschlag. Für die Tambacher Wölfe bleibt zunächst ein erneuter Versuch zur Geburtenkontrolle.
Auch wenn die Sterilisation offensichtlich keine absolute Sicherheit bringt. "Sicher wäre nur eine Kastration, also die Entfernung der Hoden, aber das geht nicht. Ein kastrierter Leitwolf beispielsweise würde mit hoher Sicherheit von den anderen Rüden angegriffen", erklärt Anne Hornung.
Da ist sie froh, dass bei anderen Tierarten solche Probleme bisher nicht auftauchen. Drei junge Luchse wurden schon an andere Parks abgegeben. An Wiesentkälbern besteht immer Interesse aus Polen, wo die Tiere wieder in freier Wildbahn leben, und man dankbar für frisches Blut in der Zucht ist. Auch bei Elchen und Ottern gibt es solche Probleme nicht.
Und weil besonders die Menschenkinder sich für Tierkinder begeistern können, gibt es am Sonntag, 23. Juni, ein großes Kinderfest im Park, bei dem sogar auf einem der großen Teiche im hinteren Teil des Parks gepaddelt werden kann.