Tränen und König Artus in Coburg
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Sonntag, 10. Februar 2019
"Very British" bringt am Landestheater zwei sehr gegensätzliche Choreografien, Tränenreiches von Martin Chaix und heitere Gralssuche von Mark McClain.
Zwei durchaus umfangreiche Tanzstücke an einem Abend, die aber nichts weiter gemeinsam haben, als dass sie zur Musik englischer Komponisten spielen. Die wird mit Solisten und dem Philharmonischen Orchester des Landestheaters unter Leitung von Roland Fister ganz wunderbar dargebracht. Ansonsten aber fällt "Very British" ein bisschen arg auseinander. Die erste der beiden Choreografien ist etwas Herausforderndes, die zweite eine Gefälligkeit.
Herausfordernd an "Lachrymae" (Tränen) des Gastchoreografen Martin Chaix ist nicht dessen Tanzsprache. Chaix bewegt sich auf den Grundlinien des klassischen Tanzes, womit er in die Geist und Atmosphäre gebende Musik, sieben Lieder des Renaissance-Komponisten John Dowland, eintaucht. Aus diesen Strukturen aber beugt er die Körper seiner in lange Röcke - Männer wie Frauen - gehüllten Tänzer in die Gefühlswelt von heute.
In der Dunkelheit
Den Fokus verstärkt auf der Ausdruckskraft der Arme, findet Chaix innige Bilder der suchenden, sehnenden, lauschenden, in Schmerz verharrenden sich begegnenden und wieder lösenden Menschen. Eindringlich in der Dunkelheit des von ihm selbst gestalteten Raumes, in dem nur drei lange, bewegliche Neonleuchten einen Gegenimpuls setzen zu den sich in der Dunkelheit bewegenden und mitunter verlierenden Tänzern.
Am berührendsten sind die solistischen Momente oder kurze Pas de deux. Den Ensembles mit der ganzen Compagnie fehlte es bei der Premiere sehr an Synchronität, was viel der intentierten Wirkung zunichte machte.
Innige Lieder
Herausfordernd ist die meditative Konzeption des Stückes. Mit zart fühlendem und trotzdem die Kraft der Emotionen haltendem Sopran singt Luise Hecht unmittelbar auf der Bühne sieben Dichtungen von John Dowland, nicht minder einfühlsam begleitet von dem Gitarristen Christian Rosenau.
John Dowlands Lieder sind wunderschön und werden bis heute immer wieder aufgegriffen, man denke nur an Stings Interpretationen. Doch die über einstündige Klage, so gut sie musikalisch auch vorgetragen ist, erschöpft sich, die Choreografie wie die Zuschauer.
Geradezu aufrüttelnd wirkt dann die abschließende Passage, nun mit Kammerorchester im Graben, Benjamin Brittens titelgebendes Lachrymae op 48a, 1974 für Viola und Streichorchester bearbeitet. Britten reflektiert hier mit seinen maßvoll modernen Mitteln Dowland. Bei der Premiere brachte Zhuo Lu mit ihrem Violaspiel Schauder der Ergriffenheit. Sie alterniert in den folgenden Aufführungen mit Woongwhee Moon am Violoncello.