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Totimpfstoffe schon im Januar?


Autor: Christiane Lehmann

Coburg, Donnerstag, 26. August 2021

Neue Impfstoffe kann es nach Ansicht des Leiters des Coburger Impfzentrums schon im Januar geben, so genannte Totimpfstoffe, wie es sie schon gegen Tollwut gibt.
Totimpfstoffe sind länger und einfacher haltbar.


Aktuell wird nur mit Lebend-impfstoffen gegen Corona geimpft. Die Namen kennen wir inzwischen alle: Biontech, Moderna, Astrazeneca, Johnson & Johnson. Aber schon bald könnten neue Vakzine, so genannte Totimpfstoffe zugelassen werden. Was sind das für Stoffe? Wie funktionieren sie? Was unterscheidet sie von den bisherigen? Hier die Fakten.

Nach Einschätzung des ärztlichen Leiters des Impfzentrums in Witzmannsberg, Dr. Jens Stüber, ist im Januar 2022 mit einem neuen Impfstoff zu rechnen. "Zunächst bedarf es hier eine Zulassung der EMA und der EU-Kommission, so dass ich nicht von einer Freigabe vor Dezember ausgehe. Meines Wissens sind vom Gesundheitsministerium für 2022 Dosen bestellt."

So funktioniert es

Der österreichisch-französische Hersteller Valneva forscht an diesem Corona-Totimpfstoff. VLA2001, wie er genannt wird, enthält nur abgetötete Krankheitserreger. Das heißt, die Partikel wurden so behandelt, dass sie keine Krankheit mehr verursachen und sich nicht mehr vermehren können. Im Körper werden die Erreger trotzdem als fremd erkannt und regen das Immunsystem zur Antikörperbildung an. Die Krankheit selbst bricht dabei nicht aus. "Bei den Totimpfstoffen wird der abgetötete Virus zusammen mit einem Impfstoffverstärker verabreicht. Dieses Prinzip wird von der Firma Valneva erfolgreich bei der japanischen Enzephalitis (eine Tropenkrankheit, d.Red.) eingesetzt", erläutert Jens Stüber.

Lange Haltbarkeit

Totimpfstoffe lassen sich sehr schnell in großen Mengen produzieren. Sie sind lange lagerfähig und können bei Temperaturen von zwei bis acht Grad mehrere Jahre gelagert - und bei Raumtemperatur 24 Stunden verabreicht werden. Ideal für die Verabreichung in entlegenen Teilen der Welt.

In Wirksamkeitstests schneiden aber besonders die Impfstoffe aus China schlechter ab als die mRNA-Impfstoffe. Zusätzlich braucht es einen Verstärker, um eine Immunreaktion gegen das Virus auszulösen. Trotzdem sind die Nebenwirkungen bei einer Impfung mit Totimpfstoffen vergleichsweise gering. "Leichte grippeähnliche Symptome können jedoch auftreten", sagt Stüber.

Gut verträglich

Auch die Verträglichkeit spricht für Totimpfstoffe, da sie selbst bei Risikopatienten und in allen Altersgruppen prinzipiell einsetzbar sind. "Allerdings liegen uns leider derzeit noch keine Erkenntnisse vor. Wir sind ebenfalls sehr gespannt auf die Daten der Phase III-Studie aus Neuseeland. Der Impfstoff für die japanische Enzephalitis (gleicher Hersteller und Prinzip) wird gut vertragen", sagt der Coburger Mediziner.

Das System der Impfung mit Totimpfstoffen ist in der Medizin generell nichts neues. Auch die Grippe, Diphtherie, Hepatitis B, Kinderlähmung und Tetanus werden mit Totimpfstoffen bekämpft. Selbst im Kampf gegen Corona wird bereits in anderen Teilen der Welt auf Totimpfstoffe zurückgegriffen. Vier dieser Stoffe, aus China und Indien, haben bereits eine Zulassung und werden unter anderem in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Indien verimpft.

Tests in Großbritannien

VLA2001 ist der einzige Impfstoff seiner Art in Europa, der sich in klinischen Studien befindet. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend und ergaben eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Aktuell befindet sich die Entwicklung in der Phase-3-Studie. 4000 Teilnehmer in Großbritannien bekommen den Stoff geimpft und es erfolgt ein Vergleich mit der Wirksamkeit von Astrazeneca. Dazu erfolgt eine parallele Studie zur Wirksamkeit als Auffrischungsimpfstoff. Ergebnisse sollen im Oktober vorliegen. Sollten diese positiv sein, könnte ein Antrag zur Zulassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur Ema noch im Herbst erfolgen. Ein Einsatz ist dann auch in Deutschland möglich und geplant. Und wie wird geimpft? "Es werden nach derzeitigen Erkenntnissen zwei Impfungen im Abstand von 28 Tagen sein. Änderungen sind natürlich in Abhängigkeit der Phase III-Studie möglich", sagt der ärztliche Leiter des Impfzentrums. Geplant sei auch, den neuen Wirkstoff als Drittimpfung einzusetzen. Rechnet Stüber mit einer neuen Welle von Impfwilligen, wenn der neue Impfstoff zugelassen ist? Er verweist auf die vorhandenen Präparate: "Wir haben, denke ich, schon sehr gute Präparate von den Herstellern, insbesondere die Möglichkeit der Wahl zwischen mRNA und Vektorimpfstoffen mit meist ebenfalls sehr geringen Nebenwirkungen." Gesundheitsminister Jens Spahn hat Berichten zufolge für 2022 bereits über 200 Millionen Dosen Impfstoff bestellt. Neben den bekannten Vakzinen stehen auch die neuen Impfstoffe von Novavax aus den USA, Sanofi aus Frankreich und eben Valneva auf dem Bestellzettel.

Totimpfstoffe kurz erklärt

Totimpfstoffe - oder inaktivierte Impfstoffe - enthalten entsprechend ihrer Bezeichnung nur abgetötete Krankheitserreger, die sich nicht mehr vermehren können, oder auch nur Bestandteile der Erreger. Diese werden vom Körper als fremd erkannt und regen das körpereigene Abwehrsystem zur Antikörperbildung an, ohne dass die jeweilige Krankheit ausbricht.

Zu den Totimpfstoffen gehören Impfstoffe gegen Diphtherie, Hepatitis B, Hib (Haemophilus influenzae Typ b), Kinderlähmung, Keuchhusten und Tetanus.

Lebendimpfstoffe enthalten geringe Mengen vermehrungsfähiger Krankheitserreger, die jedoch so abgeschwächt wurden, dass sie die Erkrankung selbst nicht auslösen. Nur in seltenen Fällen können sie zu einer leichten "Impfkrankheit" führen - wie bei den sogenannten Impfmasern. Dies ist ein leichter, masernähnlicher Ausschlag, der einige Wochen nach der Impfung auftreten kann und nicht ansteckend ist.

Zu den Lebendimpfstoffen gehören beispielsweise Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)