Tödliches Futter
Autor: Sandra Hackenberg
Weitramsdorf, Dienstag, 05. Oktober 2021
Im Tierpark Tambach ist wieder ein Hirsch qualvoll verendet, weil sich Besucher nicht an die Fütterungsregeln halten. Und manch einer gefährdet die Tiere, obwohl er es besser weiß.
Tambach - Der Schock sitzt bei Mensch und Tier tief. Nicole Seifferth sucht am Gehege der Schwarznasenschafe nach Essen, das dort nicht hin gehört. Vertrauensselig nähern sich die "charmanten Landschafe aus der Schweiz", wie es auf der Infotafel heißt, der Tierpflegerin, vor Menschen haben sie keine Scheu. Genau das wurde ihnen vergangene Woche zum Verhängnis.
Nachdem Besucher unerlaubter Weise bereits den ganzen Sommer über Essensreste in den Tierpark Tambach mitgebracht hatten, kam es vor wenigen Tagen zu einem dramatischen Zwischenfall. "Meistens trifft es leider die besonders zutraulichen Tiere, die gleich an den Zaun kommen", weiß Nicole Seifferth. Zwei Schafe konnten buchstäblich noch in letzter Minute gerettet werden. "Eine Mitarbeiterin, die ohnehin einen engen Bezug zu den Schafen hat, hat die Tiere am späten Vormittag entdeckt", schildert die 41-Jährige den Todeskampf, der sich im Gehege abgespielt hat. "Sie war anschließend fix und fertig."
Ein Tier habe Schaum vor Mund und Nase gehabt, nach Luft geschnappt, bevor es einfach umkippte. Nicole Seifferth und ihre Mitarbeiter haben das Tier so lange beatmet und reanimiert, bis die Tierärztin kam. Mit einem alten Trick, einem Gemisch aus Spülmittel und Wasser, konnte der Pansen notdürftig gereinigt werden.
Widder verendet
Flöckchen (1) hat überlebt. Charles (3), der Widder der benachbarten Viehhornschafe, erholt sich derzeit noch im Stall und bekommt im Moment nur Heu zu fressen. "Wir wissen nicht, was er gefressen hat. Aber ihm steckte etwas ganz tief im Schlund." Charles' Gefährtinnen seien auch Tage nach dem Vorfall noch irritiert, meint die Tierpflegerin. "Sie merken, dass etwas nicht stimmt und er nicht da ist." Für einen Hirsch kam die Hilfe zu spät: Ohne Betäubung war es für die Tierpfleger unmöglich, den imposanten Geweihträger unter Kontrolle zu bringen. "Der bringt dich um."
Bereits vor ein paar Jahren hat falsch verstandene Tierliebe einen weißen Damhirsch dahin gerafft. Und auch diesmal sei den Mitarbeitern sofort klar gewesen, dass nicht-artgerechtes Futter die Ursache für das Leid der Tiere war. Nicole Seifferth deutet auf die großen Warnschilder, die fast an jedem Gehege hängen. "Wir weisen die Leute auch ständig darauf hin, dass sie den Tieren gar kein oder nur unser eigenes Futter geben dürfen." Doch einige Besucher würden eben nach dem Motto "Ich habe Eintritt bezahlt, jetzt kann ich machen, was ich will" handeln.
Beschimpfungen
Nicht immer sei die Unwissenheit darüber, was welches Tier was fressen darf, die Ursache, weiß Annette Gräfin zu Ortenburg: "Wir holen immer wieder Maiskolben aus den Gehegen, die dort einfach nicht hingehören. Und wenn wir jemanden auf frischer Tat ertappen, kann es auch passieren, dass die Mitarbeiter wüst beschimpft werden." Laut der Gräfin ist die falsche Fütterung nicht nur in Tambach ein Problem. "Bei den verendeten schwarzen Schwänen bei Schloss Rosenau sind mitunter Berge von Brot abgeladen worden."
Konsequenzen
Das Wildpark-Team zieht aus den jüngsten Vorfällen nun Konsequenzen: "Wir greifen jetzt rigoros durch. Wer sich nicht an die Fütterungsregeln hält, fliegt raus", kündigt Nicole Seifferth an. Was viele Menschen nicht wahrhaben wollen: "Ein Brötchen kann töten." Gerade robust wirkende Tiere wie Elche und Wisente hätten einen sensiblen Magen und könnten altes oder gar schlechtes Essen nicht gut verdauen. Das 40 Jahre Esel-Pärchen beispielsweise dürfe von den Besuchern gar nicht mehr gefüttert werden, weil die Tiere keine Zähne mehr haben - so steht es auch auf dem Hinweisschild.