Teufelsgeiger Piotr Plawner begeistert in Coburg
Autor: Jochen Berger
Coburg, Dienstag, 19. November 2013
Der Geiger Piotr Plawner zog das Publikum der "Gesellschaft der Musikfreunde" bei seinem furiosen Soloabend im Kongresshaus in Bann.
Wie sieht ein Teufelsgeiger im 21. Jahrhundert aus? Wie einst Paganini - schwarze, wirr durcheinander fliegende Haare, bohrender Blick? Oder doch eher wie David Garrett, der im Film gerade Paganini mimt, ansonsten aber auf blonde Haare und Pferdeschwanz setzt? Piotr Plawner sieht nicht aus wie Paganini oder Garrett - und hat für seinen Soloabend bei der Coburger "Gesellschaft der Musikfreunde" dennoch ein Programm parat, das jeden Teufelsgeiger ins Schwitzen bringen könnte.
Mit verblüffender Natürlichkeit
Plawner aber, braunes, mittellanges Haar, freundlicher Blick, gerät keineswegs ins Schwitzen, lässt vielmehr das Publikum innerlich warm werden. Zum Auftakt: Bachs d- Moll-Partita für Violine solo, ein Werk, das in der Kombination aus gestalterischem Anspruch und technischer Herausforderung gewiss noch immer zu den heikelsten Aufgaben für Geiger zählt.
Bravour-Stück von Kreisler
Manche Geiger, die sich an dieses Werk wagen, bieten heute eine betont schlanke, klanglich aufgeraute Lesart, die sich an den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis orientiert. Plawner dagegen setzt auf abgerundeten, wenn auch nicht romantisch üppigen Ton, lässt die Geige singen und die melodischen Bögen weit ausschwingen. Plawners Bach klingt fließend und rund, besitzt gleichwohl klare Konturen und gut ausgewogene Proportionen. Auch die berühmte Chaconne mit ihren zahllosen Variationen wirkt stets organisch und ist genau gegliedert - eine interpretatorisch reife Leistung.
Von Johann Sebastian Bach zu Heinrich Wilhelm Ernst - größer kann der Kontrast kaum sein. Denn auf Bachs Tiefgang folgt zum Auftakt des zweiten Teils die pure Brillanz - Virtuosität um der Virtuosität willen. Schließlich hat Ernst in seiner 6. Etüde mit Variationen über das irische Volkslied "The last rose of summer" eine technische Höchstschwierigkeit an die nächste gereiht. Piotr Plawner bewältigt auch diese heikle Herausforderung jederzeit souverän - genauso souverän wie Fritz Kreislers Bravourstück Recitativo und Scherzo-Caprice sowie die Caprice mit dem vielsagenden Titel "Il labirinto" des italienischen Bach-Zeitgenossen Pietro Locatelli.
"Polnisches Capriccio"
Grazyna Bacewicz zählt zu den profiliertesten Musikerpersönlichkeiten im Polen des 20. Jahrhunderts. Ihre 2. Solosonate für Violine, 1958 und damit elf Jahre vor ihrem Tod entstanden, ist eine gestalterisch sehr anspruchsvolle Aufgabe, verzichtet aber - mit Ausnahme des Presto-Finales - auf äußere Brillanz. Plawner, wie Bacewicz in Lodz geboren, gelingt eine ebenso engagierte wie eindringliche Deutung des Werks, dessen spannungsvolle Tonsprache sich in intensiven Ausdruck verwandelt. Den Schlusspunkt des offiziellen Programms setzt dann das "Polnische Capriccio" von Bacewicz - ein folkloristisch gefärbter Gesang auf der Geige.
Souverän gemeistert
Gut 15 Jahre sind seit dem letzten geigerischen Soloabend bei den Coburger "Musikfreunden" vergangen. Wer Plawners gefeierten Auftritt erlebt, weiß spätestens jetzt, warum das so ist - weil es nur wenige Geiger gibt, die ein derart anspruchsvolles Programm technisch wie musikalisch gleichermaßen souverän bewältigen können.
Kein Wunder, dass das zu Recht begeisterte Coburger Publikum diesen Künstler erst nach zwei Zugaben endgültig vom Podium lässt. Plawner bedankt sich mit einem weiteren Capriccio aus der Feder von Grazyna Bacewicz und kehrt schließlich zu Bach zurück - mit der bekannten Gavotte aus der dritten Partita E-Dur.