"Tante Pechauf" ist immer für die Einberger da
Autor: Rainer Lutz
Einberg, Samstag, 18. Mai 2013
Wo früher die "Millich-Emma" einen Laden aufbaute, ist Brigitte Pechauf heute noch für die Einberger eine wichtige Anlaufstelle für alles mögliche.
"Ich kann gar nicht anders", sagt Brigitte Pechauf mit einem Strahlen im Gesicht, und meint ihre Arbeit in einem der letzten echten "Tante Emma Läden" der Region. Echt ist er schon deswegen, weil er von einer echten Emma gegründet wurde. Brigittes Mutter, Emma Kessel, fing 1949 ganz klein am, wo ihre Tochter heute noch Tag für Tag im Laden steht.
Ganz klein, das war eine Milchsammelstelle. Die Bauern brachten dort ihre Milch per Handwagen in großen 40-Liter-Kannen hin. Emma Kessel betreute diese Sammelstelle, in der Mengen ins "Milchbüchle" notiert, Fettgehalte gemessen und eben die Milch bereitgestellt wurde, damit sie von den Lastwagen des Coburger Milchhofes abgeholt werden konnte.
"Da haben sie auch angefangen Milch zu verkaufen", erzählt Brigitte Pechauf. Bei ihrer Mutter gab es Butter, Quark, den Coburger Camembert und eben Milch.
Die "Millich-Emma" war eine tüchtige Frau, und der Milchladen wurde mit der Zeit ein Laden, in dem es fast alles gab, was die Einberger brauchten. Irgendwann kam eine Fleischtheke dazu, ein Getränkemarkt und sogar Mitarbeiter. "Wir hatten mal vier Beschäftigte", sagt Brigitte und schwärmt von der umsatzstarken Zeit ihres Ladens. Damals konnte man gut davon leben. Und auch in Einberg ließ es sich damals schon gut leben. Es gab fast nichts, was es nicht gab. "Wenn ich Flaschenbierhandlungen und Gasthäuser mit rechne, hatten wir mal 32 Geschäfte", rechnet Brigitte Pechauf zusammen.
Versorgung vor Ort
Die Leute fanden fast alles für ihren Bedarf im Ort und kauften es auch dort: "Wer hatte denn damals ein Auto?", fragt Brigitte Pechauf und ist schon bei einem der Gründe, warum ihr Laden heute nicht mehr so läuft wie in seiner Blütezeit. Die Leute wurden mobiler, fuhren zum Einkaufen in die Märkte nach Coburg. Dann kamen Discounter und Supermärkte auch in das rasch wachsende Rödental. Kleine Läden galten als unrentabel und wurden von den beliefernden Ketten geschlossen. "Die haben mich auch rausgeschmissen, weil ich nicht groß genug war", erzählt die resolute Ladenbesitzerin, die deswegen aber keineswegs aufgab.
Das hängt auch damit zusammen, dass Brigitte Pechauf von ihrer Mutter, der "Millich-Emma" eine ganz besondere Einstellung zu ihrem Geschäft geerbt hat. Für sie geht es bei ihrer Arbeit nicht nur ums Geld verdienen. "Die Leut' kommen ja auch zum Plaudern", sagt sie und strahlt wieder. Im Laden, der irgendwie immer noch der der "Millich-Emma" ist, begegnet man sich, geht aber nicht aneinander vorbei. "Hockt Euch a weng raa!", sagt Brigitte dann und die Einberger lassen sich nicht zweimal bitten, bleiben für "a weng Gelatsch" und gehen bestimmt oft ein kleines bisschen fröhlicher, als sie gekommen sind. Geld bringt das Geschäft schon seit Jahren nicht mehr. Es war so Anfang der 90er, meint Brigitte Pechauf, als der stete Niedergang beim Umsatz einsetzte. Kaum ein Zehntel der Umsätze aus Spitzenzeiten ist übrig geblieben. "Ich brauch' bald 500 Euro Strom im Monat, wenn ich noch Miete zahlen müsste, könnte ich es nicht mehr machen", sagt die Ladenbesitzerin. Und mit einem Augenzwinkern: "Nur gut, dass mein Mann Wilfried eine gute Rente bekommt."
Sechs Tage die Woche steht sie im Laden. Nicht einmal in der Mittagspause gönnt sich die Tochter der "Millich-Emma" Ruhe: "Liefern ist zu teuer, ich fahr' in der Mittagsstund' und hol' meine Sachen im Großhandel", erzählt Brigitte Pechauf und kann halt nicht aus ihrer Haut. Urlaub? Kaum. Zu einem runden Geburtstag fährt sie mal zwei Tage zur Schwester Ursula nach Murnau, dann muss sie einfach wieder in ihrem Laden stehen und für die Einberger da sein. Viel Arbeit hat sie, aber: "Ich bin da von Kind auf reingewachsen..." Auch wenn sie heute alleine ist, ohne die Mutter, die sie über Jahre neben der Arbeit gepflegt hat, bis sie starb. Ohne ihre Schwester Renate, die den Laden früher führte, aber ebenfalls schon verstorben ist: Brigitte Pechauf macht weiter, weil der Laden irgendwie ihr Leben ist - so sehr, dass sie sich noch Nebenjobs gesucht hat, damit es weitergehen kann: "Ich geh' noch putzen und biete einen Party-Service an, dann langt's", sagt sie und lacht, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.
Für Brigitte Pechauf ist es um die Zukunft der letzten "Tante-Emma-Läden" nicht rosig bestellt: "Manche sagen, das kommt wieder, aber ich glaube das nicht, man kann von so einem Laden kaum leben", überlegt sie und bezieht Dorfläden mit ein, die hier und da ins Leben gerufen werden. "Man muss es gern machen", ist ihre Erfahrung. Das Geldverdienen dürfe nicht im Vordergrund stehen.
Für die Einberger da
Sie selbst denkt auch mit Mitte der 60 noch nicht ans Aufhören, bleibt den Einbergern wohl noch eine Weile als Anlaufstelle erhalten, wo man Neuigkeiten erfährt, sich austauscht und menschlichen Kontakt findet. Und die Einberger wissen ihre Arbeit zu schätzen. "Die Brigitte ist noch eine, die für andere da ist", sagt Werner Kessel, der ein Stück die Straße runter seine Schuhmacherwerkstatt hat und für die Einberger als Sozialdemokrat im Stadtrat sitzt. Das weiß auch der Einberg-Kreis, der im vergangenen Jahr eine umfassende Chronik zum 850-jährigen Bestehen Einbergs herausgebracht hat. Wo man die bekommt? Natürlich im Laden bei Brigitte Pechauf, "der Millich-Emma ihrer Tochter".