Sturz in den Abgrund des Hasses: Shakespeares "Othello" feierte Premiere in Coburg
Autor: Jochen Berger
Coburg, Sonntag, 09. Februar 2020
Wie Gastregisseurin Konstanze Lauterbach William Shakespeares "Othello" als Endzeit-Drama auf die Bühne des Landestheaters Coburg bringt.
Die Welt ist aus den Fugen geraten. Endgültig und ohne Chance auf Rettung. Endzeit-Stimmung auf der Bühne des Landestheaters bei William Shakespeares "Othello". Die Geschichte um den dunkelhäutigen Feldherrn Venedigs und seine zarte Frau Desdemona, diese Geschichte um Jagos skrupellose Intrige mit tödlichem Ausgang - in der Neuinszenierung von Gast-Regisseurin Konstanze Lauterbach wird daraus ein Drama von geradezu apokalyptischer Wucht.
Rückhaltlose Liebe
Im Strudel der Emotionen verwandelt sich rückhaltlose Liebe in gnadenlosen, in maßlosen Hass. Zweieinhalb Bühnen-Stunden weit ist der Weg vom verliebten Umarmen zum verzweifelten Erwürgen. Zweieinhalb Bühnenstunden, in denen das Coburger Schauspielensemble auf beeindruckende Weise vor Augen führt, wozu es in der Lage ist - wenn es von einer klugen, eindringlichen Regie geführt und herausgefordert wird.
Als Regisseurin ist Konstanze Lauterbach von unbeirrbarer Konsequenz. Das bewies zuletzt vor knapp zwei Jahren ihre ebenso stringente wie eindringliche Deutung von Weills "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny". Ihre sechste Coburger Produktion ist fraglos ihre bislang düsterste Inszenierung am Landestheater - ausweglos düster und doch geleitet von einer unstillbaren Sehnsucht, in einer Welt des Bösen an die Möglichkeit des Guten zu glauben. Mitten im mörderischen Bühnengeschehen ereignen sich immer wieder Wunder zarter poetischer Momente.
Drama eines Außenseiters
Othello, der Mohr von Venedig, ist als Feldherr ein Mann von unerschrockener Tatkraft und umsichtiger Klugheit. Als Liebender aber ist er ein Gefährdeter - gefährdet, weil er als Außenseiter in Venedigs standesbewusster Gesellschaft ein williges Opfer ist für intrigante Einflüsterungen.
Eigene Textfassung
Aus Shakespeares Fähnrich Jago macht Konstanze Lauterbach in ihrer Textfassung, die sich aus drei modernen Übersetzungen speist, eine ehemalige Geliebte Othellos. Das lässt Jagos Intrige scheinbar leichter nachvollziehbar werden, raubt der Figur (packend gespielt von Kerstin Hänel) jedoch ihre mephistofelische Abgründigkeit, gibt ihr aber zugleich eine fast beklemmende emotionale Wucht.
Zeitloser Bühnenraum
Bühnenbildnerin Ariane Salzbrunn hat einen zeitlosen offenen Raum geschaffen, der mit wenigen, aber symbolschweren Versatzstücken seinen Charakter verändern kann und zum perfekten Rahmen für dieses Endzeit-Drama wird. Mit diesem Bühnenraum korrespondieren die präzis charakterisierenden Kostüme Konstanze Lauterbachs, die ebenfalls zeitlos wirken und zwischen Anklängen an die Shakespeare-Zeit und der Gegenwart changieren
Hommage an Felsenstein
Mit einigen Ausschnitten zitiert Lauterbach die legendäre Felsenstein-Inszenierung von Verdis "Otello" in der Verfilmung von 1969 - eine Huldigung, die durchaus effektvoll wirkt, dramaturgisch aber - von einigen Stellen abgesehen - auch irritiert, so als würde die Regie der Macht des ungesungenen Wortes gerade an zentralen Stellen misstrauen.