Druckartikel: Streit um einen Coburger Grünzug

Streit um einen Coburger Grünzug


Autor: Simone Bastian

Coburg, Mittwoch, 20. Januar 2016

Ein Investor möchte ein Grundstück am Coburger Judenberg mit einer Wohnanlage bebauen, die Stadt sieht die Chance, das ganze Gebiet nachzuverdichten. Das alarmiert Bewohner, die um den Wert ihrer Grundstücke fürchten - und um ein Naherholungsgebiet.
Auf der Brache gegenüber der Heinrich-Schaumberger-Schule möchte ein Investor eine Wohnanlage errichten. Wenn es nach der Stadt geht, entsteht im Anschluss daran ein Wohngebiet, und der Investor erschließt es gleich mit. Foto: Christiane Lehmann


"Die Stadt Coburg drückt derzeit im Eilverfahren einen Bebauungsentwurf für 27 000 Quadratmeter Wiesen, Feld und Gartenfläche durch." So lautet der Vorwurf, den Michael Jacob vor einer Woche per Leserbrief ans Tageblatt formulierte. Gemeint ist das Gebiet "Westlich der Pommernstraße zwischen Judenberg und Himmelsacker". So lautet auch die Bezeichnung für den Bebauungsplan.

"Innerstädtische Nachverdichtung" nennen das die Planer: Es werden Baulücken geschlossen anstatt neue Baugebiete auszuweisen. Das sei vom Stadtrat auch so gewollt, wie einige Mitglieder des Bau- und Umweltsenats bestätigen. Die Nachverdichtung bedeute für die Anwohner einen Verlust an Wohnqualität, argumentiert dagegen Michael Jacobi.


Investor soll erschließen

Auf dem Online-Portal der Stadt Coburg ist dieser Bebauungsplanentwurf einzusehen. Demnach könnte eine Wohnanlage am Judenberg gegenüber der Heinrich-Schaumberger-Schule mit vier Wohngebäuden und einer Tiefgarage darunter entstehen. Auf den beiden umgebenden Grundstücken könnten insgesamt vier Doppelhäuser entstehen, hinzu kommen 19 Einzelhäuser, alle maximal zweigeschossig. Die Erschließungsstraße dafür würde von der Pommernstraße her auf dem vorhandenen Feldweg verlaufen und in einem Wendeplatz enden. Auf diese Straße mündet eine zweite Erschließungsstraße vom Judenberg her.

Die Sorge, dass die Anwohner der Pommernstraße und am Judenberg diese Straße mitfinanzieren müssten, sei unbegründet, sagt Michael Selzer, Pressesprecher der Stadt Coburg. "Das übernimmt der Vorhabensträger. Weder auf die Stadt noch auf die Anwohner kommen Erschließungskosten zu."

In der Tat scheint es so zu sein, dass der Investor, der die Wohnanlage am Judenberg errichten will, verpflichtet werden soll, die Erschließungsstraße zu bauen. Wobei das nur für die Bereiche gelten würde, wo die Grundstückseigentümer dem zustimmen. So sieht es zumindest ein Eigentümer, dessen vor Jahren geerbtes Grundstück durch den Bebauungsplan Bauland würde. "Ich gehe davon aus, dass die Erschließung nur kommt, wenn die anderen auch mitmachen." Dass der Bebauungsplan aufgestellt werden soll, entschied der Bau- und Umweltsenat im November. Beschlossen wurde, dass ein "beschleunigtes Verfahren" durchgeführt werden solle, weil schon der Flächennutzungsplan hier Wohnbebauung vorsieht: Dann kann sich die Stadt nämlich den sonst vorgeschriebenen Umweltbericht sparen. Diese Entscheidung sei ein Fehler gewesen, meint inzwischen Wolfgang Weiß (Grüne), Mitglied im Bau- und Umweltsenat. Denn der Landesbund für Vogelschutz will in diesem Bereich ein Biotop erfasst haben. Laut Unterer Naturschutzbehörde gibt es jedoch nichts, was dem geplanten Baugebiet im Wege stünde, sagt Michael Selzer.


Biotope bedroht?

Das sehen die Anwohner, darunter Michael Jacob, anders: Der Siedlungsrand mit seinen Hecken und Obstgehölzen sei ein Biotop, das unter der Nummer CO-0046 im Bayerischen Fachinformationssystem Naturschutz registriert ist. Auch die Gärten mit ihren hohen alten Bäumen seien schützenswert. Und: Der Bebauungsplan würde Häuser erlauben, die wegen der leicht erhöhten Lage und vom Bau her höher werden als die bereits vorhandenen an Himmelsacker und Judenberg.

Für heute Abend hat Zweite Bürgermeisterin Birgit Weber (CSU) die Anwohner zu einer Besprechung ins Bauamt eingeladen, um alle Fragen zu klären. Eine davon lautet: Was wird dem Investor für die Wohnanlage tatsächlich erlaubt? Und was hat er dort vor? Er selbst ist nicht zu erreichen; Kontaktinformationen gibt das Internet nicht her. Der Bebauungsplan ist an dieser Stelle bewusst vage: Die Zahl der Wohnungen "bleibt demjenigen vorbehalten, der da investiert und plant", teilt Michael Selzer mit. Geklärt würden solche Dinge im Baugenehmigungsverfahren, dann, wenn konkrete Baupläne eingereicht werden. Zulässig wären laut Bebauungsplan bis zu zwei Vollgeschosse und ein Penthouse im Bereich der Wohnanlage. Auf allen übrigen Grundstücken wären entweder zwei Vollgeschosse möglich oder - anstelle der zweiten Etage - ein ausgebautes Dachgeschoss mit einem Kniestock von 80 Zentimetern.

Tageblatt-Informationen zufolge gehören die Grundstücke westlich der geplanten Erschließungsstraße vom Judenberg her insgesamt drei Grundstückseigentümern, einer davon ist der Investor selbst. Die anderen beiden sollen im Wesentlichen mit dem Vorhaben einverstanden sein.

Jacob kritisiert - auch im Namen weiterer Anwohner - dass die Stadt nicht ausreichend informiert habe. Zumindest sei sie nicht im Vorfeld auf die Anwohner zugegangen. Aber dafür habe der Bebauungsplan sieben Wochen statt der vorgeschriebenen vier Wochen ausgelegen, um die Weihnachtsfeiertage und Ferien auszugleichen, betont Selzer. Die Auslegungsfrist endet am Freitag. Dann wird sich die Bauverwaltung mit allen Stellungnahmen und Einsprüchen befassen. Wie damit umzugehen ist, muss dann wieder der Bau- und Umweltsenat beschließen.