Strahlender Mond im Landestheater Coburg
Autor: Jochen Berger
Coburg, Dienstag, 30. April 2019
Wie Gastregisseur Jörg Behr Eduard Künnekes Operette "Der Vetter aus Dingsda" auf die Bühne des Landestheaters bringen will.
Verkehrte Welt im Landestheater Coburg - zumindest dem Anschein nach. Denn bei der ersten Operetten-Produktion dieser Saison mit Eduard Künnekes "Vetter aus Dingsda" ist scheinbar nichts so, wie das Publikum es für gewöhnlich erwartet.
Das Orchester sitzt nicht im Orchestergraben, sondern musiziert droben auf der Bühne. Und die Darsteller spielen nicht nur auf der Bühne, sondern oft auch ganz vorne auf der Abdeckung des Orchestergrabens - ganz nahe am Publikum.
Zerbrochene Welt
Verkehrte Welt - diese szenische Konstellation führt mitten hinein in die Zeit, in der das Stück entstand und im Original auch spielt: die Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Für Gast-Regisseur Jörg Behr, der erstmals am Landestheater inszeniert, ist das der Ausgangspunkt seiner Deutung von Künnekes "Vetter aus Dingsda". Die Welt der Vorkriegszeit - sie ist unweigerlich zerbrochen.
Verwechslungsgeschichte
Das Personal dieser 1921 in Berlin uraufgeführten Operette residiert in einem fiktiven Schloss, kämpft aber in Wahrheit um das blanke Überleben - darum, jeden Tag den Magen sich füllen. Dieses Streben, nicht vertrieben zu werden von den Fleischtöpfen, liefert auch den äußeren Vorwand für eine Verwechslungsgeschichte, in der Logik und Wahrscheinlichkeit keine Rolle spielen.
Diese Geschichte zweier junger Menschen, die sich nach sieben Jahren erstmals wiedersehen, aber nicht wirklich wiedererkennen - diese Geschichte funktioniert nach dem typischen Theatermuster von Verwechslungen und Maskierungen, das für reichlich Verwirrung und für manche scheinbare Enttäuschung sorgt. Doch ein Happyend ist garantiert, verspricht Musiktheaterdramaturgin Dorothee Harpain: "Alles löst sich in Wohlgefallen auf."
Berlin und die Vergnügungssucht
In der Ausstattung von Marc Weeger spielt der "Vetter aus Dingsda" nicht in Holland wie bei Künneke, sondern in Berlin, wo das Werk im April 1921 im Theater am Nollendorfplatz aus der Taufe gehoben wurde und "wie eine Bombe einschlug", wie Jörg Behr erzählt.
Das Bühnenbild setzt auf geschmackvolle Opulenz mit einer scherenschnittartigen Berlin-Silhouette im Hintergrund. Damit wird es zur Hommage an das Berlin der 20er Jahre - mit seinen damals rund 30 Spielstätten für Operetten, Revuen und Varietés, die heftig um die Gunst des vergnügungssüchtigen Publikums buhlten.