Stoschek nimmt Coburger Stadtrat in Schutz
Autor: Simone Bastian
Coburg, Sonntag, 29. März 2015
Ein Gremium müsse seine Entscheidungen korrigieren können, sagt Michael Stoschek. Anlass ist ein Beschluss im Jahr 2004, die Von-Schultes- nicht in Max-Brose-Straße umzubenennen. Wie das zu Stande kam, hat der Stadtrat bedauert - und erntet Kritik.
"Eine Stadt unterwirft sich", ist ein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende betitelt, von "Selbsterniedrigung" des Stadtrats spricht Heiner Gremer, Radiojournalist beim Bayerischen Rundfunk. Es geht um die Entscheidung des Stadtrats am vergangenen Donnerstag, die Ursachen für die nicht erfolgte Umbenennung der Von-Schultes- in Max-Brose-Straße im Jahr 2004 zu bedauern. Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat das kritisiert.
Deshalb meldete sich am Sonntag Michael Stoschek zu Wort, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von Brose-Fahrzeugteile und Enkel des Firmengründers Max Brose. "Die Darstellung von Dr. Schuster, der Stadtrat habe sich entschuldigt, ist falsch", erklärt Stoschek. "Der Stadtrat hat die Entscheidung des Jahres 2004 bedauert. Zwischen ,entschuldigen‘ und ,bedauern‘ ist ein deutlicher Unterschied. Dass gewählte Parlamentarier frühere Beschlüsse korrigieren, ist völlig normal und wiederholt geschehen. Umgekehrt wäre es fatal, wenn Volksvertreter ihre Meinung nicht ändern dürfen."
"Welches Recht hat Dr. Schuster, dem Coburger Stadtrat die Glaubwürdigkeit abzusprechen?"
In der Erklärung am Donnerstag hatte es sinngemäß geheißen, dass dem Stadtrat 2004 nicht alle Informationen vorgelegen hätten, um das Verhalten von Max Brose im Dritten Reich angemessen zu beurteilen. Brose hatte sich 1933 der NSDAP angeschlossen, war Wehrwirtschaftsführer und beschäftigte Zwangsarbeiter. Damit habe er vom NS-Regime profitiert, sagt zum Beispiel Josef Schuster. 1949 wurde Brose im Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer eingestuft. Brose-Enkel Stoschek argumentiert unter Berufung auf den Historiker Gregor Schöllgen, dass Max Brose nicht anders habe handeln können, um das Unternehmen und seine Familie nicht zu gefährden.
"Ich finde es befremdlich, mit welcher Intensität schon im Vorfeld versucht wurde, den Stadtrat in seiner Entscheidung zu beeinflussen", erklärte Stoschek am Sonntag. "Natürlich kann und will ich nicht für den Stadtrat sprechen, aber als Demokrat meine Meinung äußern. Welches Recht hat Dr. Schuster, dem Coburger Stadtrat als demokratisch gewähltem Gremium die Glaubwürdigkeit abzusprechen? Er kennt keinen einzigen Fall, in dem Max Brose einer Person jüdischen oder anderen Glaubens Unrecht angetan hätte.
Unterstellung, der Stadtrat habe sich aus materiellen Gründen ,unterworfen‘ und ,ergeben‘
Denunzierung, Verleumdung und Intoleranz waren die traurigen Merkmale der NS-Diktatur. Sie sollten bei der Bewertung von Menschen in dieser Zeit, aber auch bei der Beurteilung der Entscheidung legitimierter Volksvertreter nicht wiederholt werden. Dazu zählt auch die Unterstellung zweier süddeutscher Medien, der Stadtrat habe sich aus materiellen Gründen ,unterworfen‘ und ,ergeben‘."
Die Zweifel an dem Verhalten seines Großvaters während der NS-Zeit hatten Stoschek 2004 so erbost, dass er als Brose-Geschäftsführer verfügte, dass das Unternehmen in Coburg keine Spenden mehr gibt. Auf diesen Sachverhalt wurde in den Ablehnungsschreiben an Vereine und Organisationen stets hingewiesen.
Er habe nie eine Max-Brose-Straße gefordert und tue das auch jetzt nicht, hat Michael Stoschek immer wieder erklärt. Er formuliert Wünsche - auch am Sonntag: "Sollte der Coburger Stadtrat in Sachen Max Brose noch weitere Entscheidungen treffen wollen, ist zu hoffen, dass er trotz des massiven Drucks von außen die Souveränität seiner freien Entscheidung beibehält." Über eine Umwidmung der Von-Schultes-Straße würde die Familie "sich freuen", hatte Stoschek vor Tagen erklärt.