Stoschek: "Es war ein politischer Prozess"
Autor: Simone Bastian
Coburg, Mittwoch, 25. November 2015
Michael Stoschek präsentiert sich am Ende des Verfahrens um die Verwendung nicht zugelassener Klebekennzeichen als moralischer Sieger. Er muss nur etwa ein Zehntel der ursprünglichen Summe zahlen und gilt als unschuldig. Szenen aus einem denkwürdigen Verfahren.
Eigentlich muss Amtsrichter Wolfram Bauer davon überzeugt werden, dass Michael Stoschek weder Urkundenfälschung noch Kennzeichenmissbrauch begangen hat. Doch genauso wichtig scheint dem Unternehmer das Urteil der Medien zu sein. Auch ihnen gilt seine Einlassung zu Beginn des Prozesses, und als er gar eine Fotografie in Richtung des Zuschauerraums hält, wo die Journalisten in der ersten Reihe sitzen, muss Richter Bauer den Angeklagten ermahnen: "Wir machen hier keine Presseveranstaltung."
"Stimmungsmache"
Aber das Medieninteresse ist da, von Anfang an, hervorgerufen und befeuert durch die Ermittlungsbehörden, wie Stoscheks Anwalt Rainer Brüssow in seiner Einlassung zu Prozessbeginn sagt. Die Behörden hätten die Medien schon während des Ermittlungsverfahrens informiert.
Brüssow spricht von "Stimmungsmache" durch die Behörden, "indem man über die vermeintliche Unbelehrbarkeit meines Mandanten redete". Stoschek sei einer "massiven Vorverurteilung" ausgesetzt gewesen, auch, weil in den Medien über eine mögliche Millionenstrafe spekuliert wurde. Die gab es dann tatsächlich - per Strafbefehl. Doch Stoschek akzeptierte diesen nicht, und deshalb läuft an diesem Mittwoch im Sitzungssaal D des Amtsgerichts Coburg der Prozess.
Es hätte ein langer Tage werden können: Elf Zeugen waren geladen, einige erst am frühen Nachmittag. Doch Richter Wolfram Bauer macht deutlich, dass er darauf verzichten würde - nachdem er einen zwölften und nicht vorgesehenen Zeugen gehört hat: Eckart Staritz, für Stoschek seit 1985 immer wieder als Anwalt tätig gewesen, bestätigt, dass er von Stoschek frühzeitig eingeschaltet worden sei.
Nämlich schon am ersten Tag: Am Abend des 29. April 2013 belehrt ein Polizist Stoschek in der Hindenburgstraße darüber, dass das Klebekennzeichen eine Urkundenfälschung darstelle, weil auch der amtliche Zulassungsstempel nur eine Kopie sei. Der Polizeibeamte riss das Klebekennzeichen ab, Stoschek rief seinen Anwalt Eckart Staritz an. Der versicherte, dass da keine Straftat vorliege, und im Vertrauen darauf ließ Stoschek neue Klebekennzeichen anbringen. "Verbotsirrtum" nennen das Juristen - und der ist nicht strafbar.
Das beim neuen Klebekennzeichen die Kopie des Zulassungsstempels fehlte, wollen weder Stoschek noch Staritz veranlasst haben. Die Frage wird im Prozess auch nicht mehr geklärt. Denn die nächste Zeugin scheint zu bestätigen, was Anwalt Brüssow zu Beginn kritisiert hat. Die Frau hatte laut Protokoll bestätigt, dass Stoschek am 1. Juli 2013 den Porsche in der Herrngasse parkte. Schon damals habe sie von den Polizisten verlangt, dass sie Passagen aus der handschriftlich aufgenommenen Aussage streichen, erzählt die Zeugin und bezeichnet einige Stellen als später eingefügt.
Als einziger beanstandet
Anwalt Brüssow wird später in diesem Zusammenhang von Protokollfälschung reden.Es bleibt bei diesen zwei Zeugen: Nach einer ersten Prozesspause verkündet Richter Bauer, dass er entschieden hat, auf weitere Befragungen zu verzichten, weil zum Sachverhalt an sich nichts Neues zu erwarten sei. Michael Stoschek hatte auch gleich zu Anfang eingeräumt, dass er das Klebekennzeichen beim Brose-Fuhrpark bestellt habe, aus ästhetischen Gründen.
Den Vorwurf, er habe ein Klebekennzeichen verwendet, weil die schwer erkennbar seien, weist er zurück. Er sei zweimal mit dem Porsche geblitzt worden, das Kennzeichen war lesbar. Jahrelang sei es nicht beanstandet worden. Gelegenheit hätte es gegeben: Im Korso zur Meisterschaftsfeier der Brose-Baskets 2013 fuhr Stoschek direkt hinter einem Polizeiauto. Überhaupt: Zahllose Autos seien anstandslos mit solchen Nummernschildern unterwegs. Auch er, Stoschek, habe immer das amtliche Kennzeichen im Auto dabeigehabt, um es vorzeigen zu können.
Geldfragen
Das alles hatte Stoschek schon mehrfach geltend gemacht, zumindest gegenüber und in den Medien. Aber eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft habe er ausgeschlagen, sagt Staatsanwalt Martin Dippold. Zu den Vorwürfen von Anwalt Brüssow sagt er nichts.Der Prozess gedeiht bis zu dem Punkt, wo Stoschek über seine Einkünfte Auskunft geben muss. "Zur Zeit" halte er zehn Prozent am Brose-Kapital, sagt er, als einer von fünf Gesellschaftern und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung. Ein festes Gehalt beziehe er nicht, seine Lebensverhältnisse seien "geordnet". Dass er regelmäßig zu den reichsten Deutschen gezählt wird, entspringe "der Spekulation von Journalisten" und sei nicht korrekt.
Dass es so detailliert ums Geld geht, hat seinen Grund: "Der Knackpunkt in dem Verfahren ist die Tagessatzhöhe. Und der Schuldspruch. Aber ein Tagessatz in Höhe von 15 Euro hätte das Medieninteresse nicht geweckt", sagt Richter Bauer.
Bei Stoschek geht es um insgesamt 55 Tagessätze zu 30 000 Euro, insgesamt 1,65 Millionen. So steht es im Strafbefehl.
Am Ende wird eine Geldauflage daraus: 150 000 Euro muss Stoschek zahlen, dass davon 100 000 Euro an die Welthungerhilfe gehen, hatte Stoschek so gewollt. "Das nehme ich in diesem Fall ausnahmsweise hin, weil ich genau weiß, was dann passieren würde", kommentiert Richter Bauer. Die Überweisung sei übrigens nicht als "Spende" zu deklarieren.
Stoschek und Anwalt Brüssow deuten ihr Einverständnis mit der Verfahrenseinstellung in einen moralischen Sieg um. Stoschek habe als unschuldig zu gelten, sagt Brüssow und spricht von "Besonderheiten, die kein rechtsstaatliches Verfahren zuließen". So sei nicht berücksichtigt worden, dass Stoschek anwaltlichen Rat eingeholt habe. "Deshalb war es aus meiner Sicht ein politischer Prozess." Die gleichen Worte verwendet Stoschek. Das Verfahren gegen ihn sei "europaweit einmalig", er habe in Coburg unter einem "Promi-Malus" zu leiden.