Stöppacherin als Retterin in der Haushaltsnot
Autor: Berthold Köhler
Stöppach, Freitag, 19. Sept. 2014
Doris Hagemann ist die einzige hauptberufliche Dorfhelferin im Landkreis Coburg. Seit 25 Jahren kommt sie immer dann auf Bauernhöfe, wenn die Familien den Alltag nicht mehr bewältigen können.
In dieses "bayerische Sibirien", nach Oberfranken, wollte einfach keine ihrer Kolleginnen nach der Ausbildung beim Dorfhelferinnendienst Hesselberg. Doris Hagemann, die es für diesen Beruf sowieso schon von Lüneburg nach Mittelfranken verschlagen hatte, fand die Idee gar nicht einmal so schlecht. Sie ging in den Landkreis Coburg - wo sie auch heute noch, nach genau 25 Jahren, als einzige hauptberufliche Dorfhelferin im Einsatz ist. "Eine Entscheidung, die ich nie bereut habe", sagt die 48-Jährige heute.
An ihren ersten Einsatz, nur wenige Tage nach Abschluss der dreieinhalbjährigen Ausbildung, kann sich Doris Hagemann noch gut erinnern: Sie fuhr zur Familie Wank nach Stöppach, wo sich Hausherrin Helga Wank wegen einer dringenden Operation ins Krankenhaus begeben musste.
Einen normalen Einsatz gibt es eigentlich nie
"Dorfhelferinnen sind immer dann im Einsatz, wenn jemand in Not ist." Das sagt Hubertus Sollmann, der beim Maschinenring Coburg, Kronach, Lichtenfels für das Organisatorische beim Dorfhelferinnendienst zuständig ist. Seit Mitte der 80-er Jahre tut er dies und hat dabei manche Extremsituation in Landwirts-Familien dank Doris Hagemann in Griff bekommen. Unfall, Krankheit, Tod und - zum Glück - auch manchmal nur ein dringend notwendiger Urlaub sind es, die die Landwirte bei Sollmann anrufen lassen. Über den Maschinenring werden dann männliche Helfer (davon gibt es mehrere) oder eben eine der wenigen Dorfhelferinnen zur Entlastung der Familien geschickt. "Einen normalen Einsatz", sagt Sollmann, "gibt es dabei eigentlich nie."
Und genau das ist es, was Doris Hagemann an ihrem Beruf gefällt. "Immer nur an einem Ort zu arbeiten, ist doch langweilig", sagt die 48-Jährige, die nie im Leben "einfach nur" Koch oder Bäcker werden wollte. Und dann hat sie ja auch noch im Coburger Land nicht nur einen Job, sondern eine Heimat gefunden. Heute lebt sie mit Mann und Tochter in Gleußen. Noch heute profitiert Hagemann bei ihren zwischen drei Tage und sechs Monate langen Einsätzen von der breit gefächerten hauswirtschaftlichen Ausbildung, die eine Dorfhelferin auf dem Hesselberg genießt. "Sie ist das Fundament meiner Arbeit", sagt Hagemann.
Nichtsdestotrotz: Es sind meist Extremsituationen, in denen Doris Hagemann bei Landwirtsfamilien kocht, wäscht und den Alltag erleichtert. "Man ist schon froh, wenn man im Notfall jemand anrufen kann", sagt Helga Wank. Wie viele Männer reagieren, wenn sie kommt und in der Küche das Kommando übernimmt, lässt die Dorfhelferin Hagemann ein bisschen schmunzeln. "Die Männer sagen es meist nicht. Aber man merkt ihnen an, dass sie froh sind, wenn ich da bin", sagt sie dann.
Im Herbst ist viel zu tun
Bei ihren Einsätzen über den ganzen Landkreis hinweg muss Doris Hagemann ihre Zeit gut einteilen, denn die 48-Jährige hat nur einen 25-Stunden-Vertrag mit dem Dorfhelferinnen-Dienst - mit Urlaubsanspruch, freien Wochenenden und Überstundenausgleich. Richtig "ruhige Zeiten" hat sie dabei kaum. Wenn, dann vielleicht im Hochsommer zur Erntezeit. Warum dies so ist, kann Hubertus Sollmann erklären: "Zur Erntezeit geht ein Landwirt nicht ins Krankenhaus oder auf Kur. Da wird auch mal eine eigentlich notwendige Operation hinten raus geschoben." Deshalb haben die Dorfhelferinnen gerade im Oktober und November jede Menge zu tun.
Dass es in Bayern kaum Dorfhelferinnen gibt, die, wie Doris Hagemann, auf 25 Jahre Berufserfahrung zurückblicken können, hat einen kuriosen Grund. Bis Mitte der 80-er war es ein unveränderbarer Bestandteil der Arbeitsverträge, dass Dorfhelferinnen mit dem Tag ihrer Hochzeit aus dem Beruf ausscheiden müssen. "Es hieß: Da müssen sie sich um ihre eigene Familie kümmern", erzählt die 48-Jährige, die Beruf und Familie bisher immer unter einen Hut gebracht hat. "Eigentlich lebe ich ganz normal", versichert Doris Hagemann.