Stirbt Trisha im Thüringer Wald?
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 02. Dezember 2015
Friederike Schmöe lässt Weihnachten wieder beklemmend werden: "Stille Nacht, grausige Nacht" heißt ihr neuer Roman, ein "frostiger Winterthriller". Nächste Woche liest sie in der Coburger Stadtbücherei.
Friederike Schmöe ist zuverlässig produktiv, erst Recht zu Weihnachten. Etwa alle halbe Jahre erfreut die aus Coburg stammende, in Bamberg lebende Autorin ihre Leserschaft mit einem Kriminalroman oder einem Sammelwerk an Geschichten, eigenen oder im Verbund mit ihren fränkischen Kollegen. Auch ihr "Weihnachtskrimi" hat schon Tradition. Heuer ist er "Stille Nacht, grausige Nacht" überschrieben und als "frostiger Winterthriller" eingeordnet. Eisig wird es tatsächlich in verschiedener Hinsicht.
Und gruselig, im Thüringer Wald, in den es Schmöes Hauptfigur Trisha in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember verschlägt. Dort, in diesem merkwürdig noch immer DDR-vergammelten Hotel am See, hat es irgendwer auf Trishas Psyche und dann durchaus auch auf ihr leibliches Leben abgesehen. Einziger Gast, der sie hier ist, fällt ihr ein Manuskript in die Hand - das ihr eigenes Leben beschreibt. Samt Drohung: In dieser Nacht wirst du sterben.
Thematisches Umfeld ist diesmal die Welt des Journalismus. Trisha ist Politjournalistin in dritter Generation. Bei der Recherche über die Hintergründe des Falles Ron Faber, Vorzeigepolitiker mit Kinderpornografie auf dem Computer, fühlt sie sich jedoch stärker denn je den berühmten Vorbildern von Großvater und Vater nicht gewachsen, als Versagerin, die in der heutigen gefräßigen Me dienmaschinerie nicht genügend Biss und Produktivität zeigt.
Mit "Stille Nacht, grausige Nacht" gelingt es Friederike Schmöe einmal mehr, knapp, stringent und in lebendiger Si tuationsbeschreibung in Psyche, Lebensgeschichte und Lebensverstrickung ihrer Figuren zu führen. In Sprache und Lebensstil sind Trisha, ihre Freundin Lusya oder der Volvo-Mann, den Trisha im Stau kennenlernt, als heutige Typen spürbar, in denen wir mitfühlen, aber durchaus auch kritisch distanziert unsere Zeit reflektieren. In der Schnelle wird Friederike Schmöe manchmal ein bisschen klischeehaft. Womöglich werden heutzutage die Leben aber auch immer klischeehafter. Wo ist denn noch Zeit und Kraft für die allmähliche Ausbildung des ganz Eigenen?
Wie nebenbei fallen bei Friederike Schmöe immer wieder hübsche Kabinettsstücklein der süffisanten Beschreibung unseres Alltages an. Der neue Roman beginnt auf der verschneiten A9 bei Eisenberg, wo Trisha am 23. im Stau steckt, statt zügig zum Journalistenübervater nach Nürnberg zu kommen. Hat sie die Lage nicht im Voraus gecheckt? "Wer im Stau steht, gilt als Idiot der Na tion. Und alle anderen haben es besser gewusst."
Dann lässt sich Trisha auch noch dazu verführen, sich über die Standspur zur nächsten Ausfahrt zu schleichen und den Weg durch den Thüringer Wald zu suchen. Prompt bleibt sie liegen, versucht es zu Fuß weiter. Und wird plötzlich verfolgt. Parallel dazu laufen die Erinnerungen und das Nachgrübeln über Ron Faber, der nach einem zweifelhaften Freispruch vor Gericht auf seiner Siegesparty, auf der auch Trisha eingeladen war, erschossen wurde. Durch einen Parteifreund.
Ein bisschen arg konstruiert erscheint die weitere Entwicklung. Aber aufhören zu lesen kann man nicht mehr bis zum überraschenden Schluss. Und belegen nicht immer wieder Kriminalisten und Juristen, dass die Realität oft jede Literaturkonstruktion an Raffinesse und Verrücktheit hinter sich lässt? - Wie dem auch sei. Der neue Schmöe-Krimi ist verdammt spannend.
Friederike Schmöe: Stille Nacht, grausige Nacht. Ein frostiger Winterthriller. Gmeiner Verlag Meßkirch, 244 Seiten, 9,99 Euro.
Friederike Schmöe, geboren 1967 in Coburg und hier aufgewachsen, studierte Französisch, Italienisch und Germanistik in Bamberg. Sie promovierte und habilitierte sich und ist als Privatdozentin in Bamberg und Saarbrücken tätig. Daneben hat Schmöe seit 2000 eine Vielzahl von Kriminalromanen veröffentlicht.
Lesung Friederike Schmöe stellt ihren neuen Weihnachtskrimi auch heuer wieder in der Coburger Stadtbücherei vor, am Mittwoch, 9. Dezember, um 19 Uhr. Wieder mit dabei ist auch Oliver Herrmann mit seinem weihnachtlichen Saxofon-Sound. - Der Eintrittkostet 6 Euro, Karten im Vorverkauf gibt es in der Stadtbücherei.