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Sternenguckers kleines Paradies


Autor: Simone Bastian

Coburg, Montag, 11. August 2014

Der Coburger Willy Oberender hat sich im Itzgrund auf einem Gartengrundstück eine kleine Sternwarte eingerichtet. Was heißt einrichten: Vom Klappdach der Hütte bis zur technischen Ausstattung ist alles selbst ausgetüftelt. Er selbst nennt sein kleines Reich sein "Paradies".
Einige Exemplare aus Willy Oberenders Teleskope-Sammlung. Einige besitzt er schon seit Jahrzehnten.  Foto: Simone Bastian


Schuld ist der Jupiter: Den sah der zehnjährige Willy Oberender jeden Abend an der gleichen Stelle überm Muppberg aufgehen. Dass es der Jupiter war, wusste Oberender noch nicht. Aber er fand es heraus und las, dass der Jupiter Ringe hat, die schon durch ein einfaches Teleskop zu sehen sind. Somit war klar: Willy Oberender brauchte ein Teleskop.

Das erste, einfache, kam noch vom Versandhaus. Das zweite, mit 14 vom Konfirmationsgeld gekauft, war da schon anspruchsvoller. Doch dann machte die Sternenleidenschaft Pause: Willy Oberender begann eine Lehre als Fernsehmechaniker, machte den Führerschein, kurz: Für den Blick ins All blieb keine Zeit mehr.

Erst Mitte der 90er-Jahre begann Oberender, sich wieder für die Himmelsbeobachtung zu interessieren. Aber alles ins Auto zu laden, an Stellen mit dunklem Nachthimmel zu fahren, die Teleskope auszuladen, zusammenzubauen, und auszurichten, wurde ihm bald zuviel.

"Das hat immer zwei Stunden gedauert", erinnert er sich. Oberender, inzwischen Kastellan von Schloss Ehrenburg in Coburg, begann, nach einem passenden Grundstück zu suchen, das er pachten konnte. Viel Platz braucht er nicht. In Gleusdorf hat er rund 30 Quadratmeter an einem Südhang. Dort steht das zur Sternwarte umfunktionierte Gartenhaus, tummeln sich Molche in zwei in den Boden eingelassenen Fässern und schirmen Hecken das Streulicht aus Bamberg ab.

Denn Sternengucker in Deutschland haben ein großes Problem: Der Himmel ist zu hell. Gerade ist die Rhön zum "Sternenpark" ernannt worden, weil es dort dunkler ist als an den meisten anderen Orten in Deutschland. Zur Lichtverschmutzung kommt die Luftbelastung: Einen richtig klaren Himmel gibt es über Deutschland selten. Wobei es nicht der Nachthimmel sein muss: "Hier, die Sonnenflecken sind heute schön zu sehen", sagt Oberender und rückt eins der Teleskope zurecht. Filter machen es möglich, direkt in die Sonne zu blicken. "Jeder Sonnenfleck ist so groß wie unsere Erde."

Filter, Gläser, Objektive: Natürlich schaut Oberender nicht nur durch. Er fotografiert auch. Damit die Teleskope trotz des Kameragewichts ihre Position halten, hat Oberender eine Konstruktion mit verschiebbaren Gegengewichten ausgetüftelt. Auch die Computersteuerung, die dafür sorgt, dass das Teleskop immer auf den gleichen Himmelsausschnitt gerichtet bleibt, obwohl sich die Erde weiterdreht, hat er selbst zusammengebaut. Damit auch nichts wackelt, ist der Projektionstisch aus Beton gegossen und hat ein eigenes Fundament.


"Am Weltall erst gekratzt"

Früher, als er noch mit Film fotografierte, dauerte die Belichtungszeit für ein Bild mehrere Minuten. Heute, mit den Digitalkameras, geht das schneller. An der Wand hängen einige Vergrößerungen. "Venustransit, 8. Juni 2004" steht an einer Aufnahme von der Sonne. Davor ist die Venus als dunkler Punkt zu sehen. Zu Oberenders Lieblingsmotiven gehört der Orionnebel, 1344 Lichtjahre entfernt. "Das ist das schönste Sternbild überhaupt, mit seinem Gasnebel." Bei den Galaxien ist ihm die M31 die liebste, die Andromeda-Galaxie, über 2,5 Millionen Lichtjahre weit weg. "Die Andromeda ist voller Spiralen", schwärmt er.

Wenn schon das Licht der Andromeda-Galaxie über 2,5 Millionen Jahre braucht, um bis zur Erde zu gelangen, wie lange wäre dann ein von Menschen erbautes Raumschiff dorthin unterwegs? "Wir haben bislang am Weltall erst gekratzt", sagt Willy Oberender angesichts dieser Strecken.

Die Raumsonde Rosetta, die jetzt mit dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko aufnehmen soll, befindet sich nach zehnjähriger Reise gerade mal 406 Millionen Kilometer von der Erde entfernt - das ist nicht mal ein Zwanzigstel eines Lichtjahrs. "Die meisten Kometen wurden von Amateuren entdeckt", erzählt Oberender. Er hält sich zwar über die Entwicklungen in der Astronomie auf dem Laufenden, doch er zählt sich nicht zu den forschenden Amateurastronomen.Er möchte sich die Sternenkunde als Hobby bewahren, "da macht es mehr Spaß". Was es bedeutet, sein Hobby zum "Fast-Beruf" zu machen, hat er bei der Musik gemerkt. Oberender führte elektronische Orgeln für einen Hersteller vor, bis es ihm zuviel wurde. "Es machte keinen Spaß mehr."

Seine Sternwarte hingegen sucht er auch auf, wenn es gar nichts zu sehen gibt. Allein die Umgebung, die Natur und die Ruhe lassen ihn entspannen, sagt er. Und wenn er Glück hat, sieht er doch noch ein paar Sternschnuppen. Derzeit kreuzt die Erde wieder die Staubspur des Kometen 109P/Swift-Tuttle. Die Sternschnuppen werden Perseiden oder, im Volksmund, Laurentius-Tränen genannt.