Druckartikel: Statt Fußballprofi lieber Regisseur geworden

Statt Fußballprofi lieber Regisseur geworden


Autor: Jochen Berger

Coburg, Donnerstag, 26. Sept. 2013

Beim "Club" hätte der fränkische Wirtssohn Johannes Zametzer eine Karriere als Fußball-Profi starten können. Stattdessen ging er zum Theater und gastiert seit drei Jahrzehnten auf vielen Bühnen in Europa. Jetzt kommt der Regisseur erstmals nach Coburg.
Johannes Zametzer ist erstmals in Coburg zu Gast. In der Reithalle bringt er Becketts "Warten auf Godot" auf die Bühne. Premiere: Samstag, 28. September (20 Uhr). Fotos: Jochen Berger


Fußball und Theater - wie passt das zusammen? Das Leben von Johannes Zametzer ist voller scheinbarer Widersprüche und gehorcht doch einer inneren Logik. Mit Becketts "Warten auf Godot" stellt er sich erstmals in Coburg vor.

Lebensläufe von Theatermachern lesen sich oft kontrastreich bunt. Bei Ihnen findet sich der Eintrag "Geboren 1954 in Franken, Wirtssohn, Fußballer beim Club, Philosophie-Literatur-Geschichtsstudium in München und Neapel". Was verbirgt sich hinter "Fußballer beim Club"?
Johannes Zametzer: Ich wollte immer nur spielen. Und was macht man als Junge auf dem Land? Im Dorf, da gab's nur Fußball - Tennis war etwas für die Söhne vom Rechtsanwalt. Und im Fußball war ich halt gut, hab' in der Auswahl gespielt, dann hat mich der "Club" geholt. Dort habe ich dann in der 1. Jugend gespielt, war viel unterwegs bei Auswärtsspielen.

Ich kann mich noch erinnern, wie wir im Endspiel um die deutsche Meisterschaft in Köln gespielt haben.

Wie ging's nach der Jugend weiter?
Nach der Jugend habe ich radikal aufgehört mit dem Fußball - obwohl mir ein Vertrag angeboten wurde. Damals hätte ich mit dem Fußball viel mehr Geld verdienen können als später je mit dem Theater.

Warum haben Sie trotzdem mit dem Fußball aufgehört?
Weil ich die Frauen, die Literatur, die Philosophie für mich entdeckt habe. Witzigerweise komme ich jetzt irgendwie wieder zum Fußball zurück. Mit Jimmy Hartwig, der als Fußballprofi lange beim TSV 1860 München und beim Hamburger SV gespielt hat, werde ich im nächsten Jahr die Uraufführung eines neuen Stücks von Albert Ostermaier in Luxemburg machen ("Strafraum", Premiere 8. Januar, Grand Theatre in Luxemburg, Anm. d. Red.).

Fußball und Theater - wie passt das zusammen?
Schon während meiner aktiven Fußballzeit hatte ich als Schüler parallel dazu Theater gespielt. Damals gab's in Erlangen die seinerzeit sehr modern eingerichtete Studiobühne der Universität mit Festivals der Studententheater. Trotzdem wollte ich damals eigentlich nicht Theatermacher werden. In den 70er Jahren wurde man Revolutionär.

Sie sind dann schon in jungen Jahren nach Italien gegangen. Warum?
Ich war damals natürlich links, radikal links. Und die Linke war in Italien viel näher am Volk als in Deutschland. Ein Steinewerfer war ich damals freilich nicht - Theorie des Marxismus ja, aber Praxis nein.

Wie sind Sie dann doch zum Theater gekommen?
Das Theater in der Garage in Erlangen hat mich 1981 als Hausregisseur geholt. Dort konnte ich dann gleich inszenieren, ohne vorher jemals assistiert zu haben. Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Regisseure, der nie vorher Assistent war. Erst später, als die ersten Krisen kamen, habe ich dann ab und zu mal bei anderen Regisseuren zugeschaut, um mich neu zu orientieren.

Was passierte nach diesen Anfangsjahren in Erlangen?
Danach habe ich immer freiberuflich gearbeitet, zum Teil an Stadttheatern, oft aber auch mit freien Gruppen.

Wie hat sich dann der Kontakt zum Landestheater ergeben?
Das ist eine lustige Geschichte. Ich wollte eigentlich in Berlin als freie internationale Produktion "Warten auf Godot" machen. Das hat sich dann aber wegen fehlender Zuschüsse zerschlagen. Ich hatte Becketts Text in der Hand, als der Anruf aus Coburg kam.

Kannten Sie das Landestheater vorher schon?
Nur von einer Produktion - die "Familie Schroffenstein" vor drei Jahren habe ich besucht. Und "Woyzeck" habe ich gesehen, zweimal sogar - am Ende der letzten Saison und jetzt erneut als Wiederaufnahme: eine sehr gute Produktion, wie ich finde.

Hatten Sie "Warten auf Godot" schon einmal inszeniert?
Nein, obwohl ich in früheren Jahren sehr viel Beckett gemacht habe - aber eher die weniger bekannten späten Werke. Beckett hat mich natürlich immer interessiert, ich habe auch einige Produktionen in verschiedenen Sprachen gemacht. Die letzten rund zehn Jahre allerdings habe ich keinen Beckett mehr gemacht.

Was reizt Sie gerade jetzt an "Warten auf Godot"?
Das Stück passt einfach auf meine Situation. Ich lebe seit 13 Jahren in Barcelona, bin aber so viel unterwegs, dass ich fast nie daheim bin. Das Unterwegssein in "Warten auf Godot" ist das Thema, das ich selbst erlebe.

Was ist das Besondere an diesem Stück?
Das ist im Grunde das einzige Stück, das keinen Inhalt hat. Zwei Menschen, aber keine Geschichte, keine Kinder, keine Konflikte. Sie erfahren nichts über ihre Nationalität, ihre Familie, ihren Beruf, ihre Hoffnungen. Zwei Menschen, die nichts zu tun haben. Sie haben nur eine Bedingung: Sie können nicht weg. Im Grunde ist das Theater auf den puren Moment reduziert: Zwei Menschen treffen sich in einem Raum - und weil sie nichts zu tun haben, spielen sie. Das ist eine extreme Situation. Sie sind extrem verloren. Vielleicht kann man das auch apokalyptisch deuten. Aber im Grunde kann man dem Stück jedes Thema unterschieben.

Sehen Sie "Warten auf Godot" eher tragisch oder eher komödiantisch und absurd?
Vielleicht sollte man das am besten mit Buster Keaton und Charlie Chaplin besetzen. Natürlich wird es komische Elemente geben. Für mich ist das Spielen in "Warten auf Godot" nicht "L'art pour l'art". Der Mensch ist am meisten bei sich, wenn er spielt. Nur vergisst man das meist als Erwachsener.

Was treibt Sie an als Theatermacher?
Ich habe Theater immer als Notwendigkeit empfunden, nicht als Dessert. Mich hat die Literatur immer sehr interessiert, aber Theater ist etwas ganz anderes, keine Lyrik, keine Erbauung.


Ein fränkischer Theatermacher aus Barcelona inszeniert Beckett in Coburg

Johannes Zametzer Geboren 1954 in Franken, Philosophie- Literatur- Geschichtsstudium in München und Neapel. Erste Kontakte knüpft er an der Studiobühne der Universität Erlangen, wo Patrice Chereau, Klaus Peymann, Angela Winkler und viele andere inszenierten und spielten. Ab 1980 organisiert er die Internationalen Theaterwochen Erlangen. Erste Reisen zur Erforschung des Antiken Theaters führen ihn nach Griechenland. 1981 holt ihn das "Theater in der Garage" als Hausregisseur nach Erlangen zurück. Seit 1989 ist er fester Gast am Stadttheater Ingolstadt, Schauspiel Dortmund, Theater Regensburg, Landestheater Salzburg und Thêatre de la Ville Luxembourg, wo er mehrsprachige internationale Projekte realisiert. Seine Inszenierungen "Tätowierung" von Dea Loher und George Taboris "Mein Kampf" erhalten den Bayerischen Theaterpreis.
Als Gast wird er unter anderem am Schauspielhaus Bochum, Kammeroper Hamburg, Staatstheater Kassel und WDR Festival für Alte Musik in Köln engagiert.

Warten auf Godot Eine Bühne, ein Baum und die beiden landstreicherartigen Figuren Wladimir und Estragon: mehr brauchte Samuel Beckett in seinem Stück "Warten auf Godot" nicht, um die Fantasie der ganzen Welt in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dauerhaft zu beschäftigen. Wer sind diese beiden Figuren? Wo oder wann befinden sie sich? Und vor allem: Auf wen warten sie überhaupt?

Produktion Inszenierung und Ausstattung: Johannes Zametzer; Dramaturgie: Georg Mellert

Darsteller Wladimir: Helmut Jakobi
Estragon: Stephan Mertl
Pozzo: Nils Liebscher
Lucky: Thomas Straus

Premieren-Tipp "Warten auf Godot" - Samstag, 28. September, 20 Uhr, Theater in der Reithalle Coburg. - Termine 2., 3., 4., 6., 18., 19. Oktober, 20 Uhr

Vorverkauf Tageblatt-Geschäftsstelle (09561/888-125), Theaterkasse (0 95 61/89 89 89)