Stadt Neustadt reagiert auf Kinder-Boom
Autor: Rainer Lutz
Neustadt bei Coburg, Mittwoch, 28. Juni 2017
Die Geburtenzahlen in Neustadt bei Coburg sind zuletzt kräftig gestiegen. Deshalb wird jetzt der ehemalige Kindergarten in Ketschenbach reaktiviert.
"Wir haben einfach dringenden Bedarf an weiteren Kita-Plätzen", fasst Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD) in einem Satz zusammen, was die Entscheidungsgremien der Stadt bewegt hat, den vor Jahren stillgelegten Kindergarten in Ketschenbach aus dem Dornröschenschlaf zu holen.
Neustadt verzeichnet seit einigen Jahren schon einen Trend zu steigenden Geburtenzahlen. "Das entspricht einer allgemeinen Entwicklung, die zu beobachten ist", weiß Ulrich Wolf von der Verwaltung. In Neustadt kommt aber noch etwas hinzu: "Wir verzeichnen erheblichen Zuzug von Familien mit kleinen Kindern", bestätigt Frank Rebhan.
Noch bis vor kurzem sah sich die Stadt gut mit Kita-Plätzen ausgestattet. Trotzdem wurde in Erweiterungen investiert. In Haarbrücken und beim Kindergarten Farbenfroh entstanden oder entstehen neue Plätze - nicht zuletzt, weil die Quote der Kinder, die bereits vor dem Kindergarten in einer Krippe untergebracht werden, seit Jahren ansteigt. "Wir gehen derzeit von 69 Prozent aus, Tendenz steigend", sagt Ulrich Wolf.
Früher konnte Neustadt mit etwa 80 Geburten jährlich planen. In den vergangenen drei Jahren stieg diese Rate aber auf 115 bis 125 neue kleine Neustadter im Jahr an. Zuzug konnte dabei nicht kalkuliert, musste aber in gewissem Maß eingeplant werden. Trotz aller Planung drohte der Platzmangel akut zu werden. Eine rasche Lösung wurde gesucht.
Besser als Container
"Es wurde zunächst überlegt, Container einzusetzen", sagt Frank Rebhan. Doch dann kam der Kindergarten am Sonnenweg ins Gespräch. Vor einigen Jahren wegen fehlenden Bedarfs aufgelassen, wurde er zwischenzeitlich schon mal hergerichtet - als Unterkunft für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge."Das ist für uns jetzt schon auch ein Vorteil", sagt Architekt Ulrich Bieberbach. Es wurde ja bereits einiges verbessert. Allerdings war der Umbau ja für fast Erwachsene ausgestattet worden. "Wir müssen natürlich den kompletten Sanitärbereich umbauen", sagt Bieberbach. Im Augenblick ist das Gebäude praktisch vollkommen entkernt. "Wenn wir fertig sind, soll der Standard gegenüber anderen Kindergärten im Stadtgebiet gleich sein", betont Bieberbach. Im Erdgeschoss, wo die Krippengruppe mit zwölf Plätzen untergebracht wird, bauen die Handwerker eine Fußbodenheizung ein. Neue Wände grenzen einen Schlafraum ab, den die Erzieherinnen durch ein neues Fenster im Blick haben können. Auf dieser Ebene wird auch die Küche entstehen. Dafür können die Einrichtungsgegenstände verwendet werden, die - allerdings im Obergeschoss - verbaut waren, als die jungen Flüchtlinge hier einquartiert waren. Die Gegenstände wurden vom Landratsamt abgekauft, das sie damals auch angeschafft hatte.
Oben finden die 25 Kinder der Regelgruppe Platz. Es gibt Bewegungsräume, eine Mensa, eben alles, was von einer modernen Kita erwartet wird.
"Ich glaube, dass unsere Gremien eine gute Entscheidung getroffen haben", sagt Frank Rebhan. Trotzdem ist der Kindergarten Ketschenbach, dessen Name "Feldmäuse" bis jetzt noch ein Arbeitstitel ist, zunächst als temporäre Lösung gedacht. "Es gibt natürlich auch die Überlegung, ihn weiter zu betreiben", sagt der Oberbürgermeister. Architekt Bieberbach bestätigt: "Die Bausubstanz des Gebäudes ist nicht schlecht. Aber für eine länger gedachte Nutzung müsste energetisch etwas unternommen werden." Zunächst aber, sieht auch er die Reaktivierung in Ketschenbach als beste Lösung vor, wenn in kurzer Zeit neue Plätze geschaffen werden sollen. In nur zehn Wochen soll er das Projekt umsetzen. "Das ist schon sportlich", sagt er. Doch die lokalen Handwerker, die eingesetzt werden, ziehen super mit, lobt Bieberbach. Schwierigkeiten gebe es nur bei Zulieferern. Allein für die Türen, muss er acht Wochen Wartezeit einplanen.
Der Zeitdruck erlaubt keine langwierigen Förderanträge. "Wir hätten aber eh nichts bekommen, weil wir uns ja nicht auf 25 Jahre festlegen können", sagt Ulrich Wolf. Zum Beginn des neuen Kindergartenjahres im September soll alles fertig sein - möglichst auch der Spielplatz, der dem modernen Standard gemäß reaktiviert wird.
Für den wiedererweckten Kindergarten wird auch Personal gebraucht. Er wird verwaltungsmäßig an den Weidachkindergarten angehängt. Aber zwei Erzieherinnen und drei Kinderpflegerinnen werden eingestellt. Dabei erweist sich der idyllisch am Waldrand gelegene Kindergarten offenbar als attraktiver Arbeitsort. "Wir haben schon 75 Bewerbungen vorliegen", freut sich Ulrich Wolf.