Stadt Coburg sucht "Eltern auf Zeit" für Flüchtlinge
Autor: Ulrike Nauer
Coburg, Freitag, 14. August 2015
Für minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern in Coburg ankommen, sollen Familien gefunden werden. Dies soll den jungen Menschen Halt geben und das Ankommen erleichtern.
Die Gründe, warum minderjährige Flüchtlinge alleine nach Deutschland kommen, sind vielfältig: Ein Teil wurde von seinen Eltern losgeschickt, in der Hoffnung auf ein sicheres Leben in Europa. Andere haben ihre Familien im Krieg in ihrer Heimat oder auf der Flucht verloren. 28 dieser "unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge", wie es im Amtsdeutsch heißt, leben derzeit in Coburg. Sie sind größtenteils männlich und zwischen 16 und 18 Jahre alt. Um ihnen die Integration zu erleichtern und ihnen zu helfen, ihre teils schlimmen Erlebnisse besser zu verarbeiten, sucht die Stadt Coburg nun Familien im Stadtgebiet, die bereit sind, einen der Jugendlichen bei sich aufzunehmen.
Hoch motivierte Jugendliche
"Man muss sich das vorstellen, sie kommen in ein Land, wo sie weder Schrift noch Sprache verstehen", sagte Dritter Bürgermeister Thomas Nowak (SPD) im Gespräch am Freitag. Die Jugendlichen kommen aus Afrika, Syrien, Afghanistan, dem Iran. Ein Teil von ihnen habe eine gute Schulbildung, andere seien Analphabeten, berichtete Nowak. "Für viele war die Familie zuhause ein fester Halt und ein Verbund - noch viel stärker als hier bei uns. Nun sind sie entwurzelt." Welche Strecken und Strapazen die Jugendlichen auf sich nehmen, um hierher zu kommen, zeige anderseits die hohe Motivation, etwas aus ihrem Leben machen zu wollen. Thomas Nowak: "Sie wollen lernen, und sie wollen eine Ausbildung machen."
Wer einen der Jugendlichen bei sich aufnehmen wolle, der müsse vor allem sehr offen und neugierig sein, wie der stellvertretende Leiter des Amtes für Jugend und Familie, Rolf Grube, betonte. Weitere Voraussetzungen sind ein polizeiliches Führungszeugnis, ein ärztliches Attest und die Möglichkeit, dem Gastkind ein eigenes Zimmer zur Verfügung zu stellen.
"Die Chemie muss stimmen"
Im Normalfall dauere es zwischen einem viertel und einem halben Jahr, bis eine Pflegschaft ausgesprochen werde, so Grube. "So viel Zeit haben wir im Moment aber nicht, wir müssen das Verfahren beschleunigen."Deshalb wurden aus dem Standardkatalog für Pflegekinder die Grundvoraussetzungen herausgegriffen. "Flexibel, aber legal", wie Bürgermeister Thomas Nowak das Procedere mit einem Augenzwinkern zusammenfasste.
Die Lebensform der Gasteltern spiele übrigens keine Rolle: unverheiratet, gleichgeschlechtlich, alleinstehend - alles sei denkbar. Sehr wichtig sei dagegen die Bereitschaft, sich auf ein Eltern-Kind-Verhältnis einzulassen und dem Jugendlichen - bei aller Toleranz - feste Strukturen zu bieten und auch Grenzen zu setzen. "Und natürlich muss die Chemie stimmen", so Grube. Die "Eltern auf Zeit" werden vom Jugendamt begleitet und erhalten einen Beitrag zu den Lebenshaltungskosten.
Von den derzeit 28 minderjährigen Flüchtlingen in Coburg lebe der Großteil bereits in einer festen Wohngruppe zusammen. Drei oder vier kämen für die Unterbringung in einer Familie in Frage, so Grube. Genau genommen ist das Pilotprojekt auch schon Vorsorge. Grube: "Wir rechnen fest damit, dass wir im nächsten Jahr weitere minderjährige unbegleitete Flüchtlinge bekommen."
Kontakt
Wer einem der jugendlichen Flüchtlinge ein neues Zuhause geben möchte, kann sich unter Telefon 09561/89- 1511 melden. Die Namen werden erfasst und dann vom Jugendamt der Reihe nach abgearbeitet.