Sportunterricht in der Schule ist umstritten: Gibt es Alternativen?
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Mittwoch, 26. März 2014
Lehrer fühlen sich angegriffen, Leser zeigen sich betroffen. Der Leiter der Medau-Schule in Coburg wüsste schon Alternativen.
Die Einladung steht: "Kommen Sie doch mal zu uns in den Sportunterricht! Dann sehen Sie, wie es wirklich ist." Allzu gerne möchte uns ein Sportlehrer demonstrieren, dass es gar nicht so schlecht bestellt ist, um den Sport in unseren Schulturnhallen.
Im Artikel "Der Sportunterricht ist überholt" hatten wir am Dienstag über die Petition einer Coburgerin berichtet, die Geräteturnen als zu gefährlich und nicht mehr zeitgemäß einstuft. Auch Lehrer schilderten ihre Situation mit immer dicker werdenden Kindern und Kindern, die zu träge und unbeweglich seien, um beispielsweise einen Purzelbaum machen zu können.
Über Alternativen sollte nachgedacht werden, forderte die Coburgerin das Kultusministerium auf.
Wenigstens viermal wöchentlich
Peer Medau, Leiter der Medau-Schule Coburg, hat sich darüber Gedanken gemacht: "Tanz, Gymnastik, ästhetisches Training - wenigstens viermal wöchentlich, verbunden mit sportmedizinischer Wissensvermittlung, das wäre eine Alternative zur Neugestaltung des überholten Sportunterrichtes, wie er in den meisten Fällen heute vermittelt wird und in dem genannten Artikel beschrieben ist."
Diese Forderungen, ein modernes, zeitgerechtes und den Schülern entsprechendes Sporttraining aufzunehmen, gebe es schon seit Jahren. Die Umsetzung sei auch schon einmal besser vermittelt worden, als noch staatlich ausgebildete Sport- und Gymnastiklehrer/innen an Schulen unterrichten durften, schreibt Medau. Es wäre seiner Meinung nach wünschenswert, dass diese Berufsgruppe wieder für den Unterricht bestimmter Schulgruppen zugelassen wird, denn diese Leute sind - was im Lehrplan nachzulesen ist - in besonderer Weise qualifiziert, Freude bringenden und gesundheitliche Aspekte vermittelnden Unterricht zu erteilen. Daneben sollte auch Wissen über gesundes Lebensverhalten, wie Ernährung, Bewegung und Vermeidung von Gesundheitsschäden als wichtiges Unterrichtsfach angeboten werden, im Sinn einer Gesundheitsvermittlung oder -erziehung.
In Bayern gibt es drei staatlich anerkannte Gymnastikschulen: die Medau-Schule in Coburg sowie die Bode-Schule und die Kleine-Nestler Schule in München. An diesen Institutionen werden Sport- und Gymnastiklehrer in sechs Semestern ausgebildet mit einem staatlichen Examen. Medau appelliert an die Politik, diese qualifizierten Absolventen wieder in den Schulen zuzulassen, um die Komponente "Freude am Schulsport" zu fördern!
Vom Lehrer vorgeführt
Die in Facebook angeregte Diskussion zeigt deutlich, dass sich viele - ähnlich wie die Coburgerin geschildert hatte - vom Sportlehrer vorgeführt fühlten. So schreibt ein User: "Ich kann mich an meinen Sportunterricht noch gut erinnern, nur dass man sich damals nicht selbst aufgrund seiner Unsportlichkeit lächerlich gemacht hat, sondern von speziellen Pädagogen gezielt vorgeführt und bloßgestellt wurde."
Eine andere kommentiert: "Man kommt sich so blamiert vor. Sport ja, aber was, wo Sport =Spaß ist. Es gibt genügend Sportspiele, die Spaß machen und die Gemeinschaft fördern. Was ja in der heutigen Handy-Zeit auch ein positiver Nebeneffekt wär'..."
Angemerkt wird aber auch, dass es schon helfen würde, wenn der Sportunterricht regelmäßig stattfinden würde. Auf unserer Homepage zitiert ein Leser den Satz aus dem Artikel "Eine Rolle vorwärts geht gar nicht mehr" und kommentiert: "Das sagt eigentlich schon alles!!! Da sind doch die Eltern nicht ganz schuldlos! Da wurde sich in den Kinderschuhen schon zu wenig bewegt."
Eine Trainerin aus Coburg sieht das Problem ganz woanders: "Ich finde den Ansatz, beim Lehrplan der höheren Klassen anzusetzen, falsch. Ich bin, wie anscheinend viele andere, nicht traumatisiert vom Geräteturnen... Die Frage ist doch: Warum kommt es in den höheren Klassen soweit? Weil in den Grundschulklassen die Basics nicht mehr vermittelt werden! Geht schon mit dem Quatsch los: nur 45 Minuten Sportunterricht - bis die Kids umgezogen sind, geht's schon wieder zurück. Wie sollen Kinder und Lehrer die Zeit haben, einen Schwebebalken mit ausreichenden Matten überhaupt aufzubauen?
Selbst Trainerin in einem Verein, bedauere ich, dass die einfachsten Übungen, wie eine Rolle, saubere Strecksprünge oder Vierfüsslerlauf koordinativ nicht mehr beherrscht werden. Würden unsere Kinder wieder gezielter motorisch und koordinativ geschult werden, müsste sich ein Großteil nicht in der Pubertät blamieren - und von einem Pädagogen muss man im Schulsport ausgehen dürfen - traurig wenn da noch Drill und Vorführung herrscht."