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Zerreißprobe für Mraz' Muskelmänner in Coburg


Autor: Christoph Böger

Coburg, Mittwoch, 12. August 2020

Beim HSC Coburg ist die Vorfreude auf die 1. Bundesliga trotz vieler coronabedingter Fragezeichen schon riesengroß. Egal ob der ruhige tschechische Trainer, der neue Geschäftsführer oder die hoffnungsvollen Neuen aus dem Iran und Serbien - alle sind sich einig: "Wir schaffen das!"
Wollen  in der 1. Liga an einem Strang ziehen:  Andreas Schröder (links) und Florian Billek.Tobias Herrling


Breite Brustkörbe, kräftige Oberarme, Sixpacks. Bebende Oberschenkel und stählerne Waden: Top-Bodys also - egal wohin man schaut. Beim Media-Day des HSC 2000 Coburg herrscht absolute Manpower. Das komplette Team, das ab Herbst in der 1. Handball-Bundesliga für die Vestestadt die Kastanien aus dem Feuer holen soll, verkörpert eindrucksvoll und im wahrsten Sinne Ehrgeiz, Teamgeist, Siegeswillen und eiserne Disziplin. Alles Tugenden, auf die es ankommt, wenn "Gelb-Schwarz" in der stärksten Liga der Welt bestehen will.

Auch Jan Gorr macht sich in seiner neuen Rolle gut. Der zum Geschäftsführer aufgestiegene Ex-Trainer trägt keine lässigen Trainingsklamotten mehr. Sondern ein schickes weißes Hemd mit vielen kleinen schwarzen Sternen - wenn seine Mannschaft so viele Punkte holt, wird sie mit dem Abstieg sicher nichts zu tun haben. Allen Beteiligten ist klar, dass das Saisonziel als Aufsteiger nur der Klassenerhalt sein kann - was bei vier Absteigern in einer Mammutliga mit 20 Teams schwer genug wird.

Es herrscht große Zuversicht

Doch beim HSC ist die Zuversicht groß: "Es gibt fünf, sechs Mannschaften - vielleicht auch sieben - die auf einem ähnlichen Level sind wie wir. Und wenn wir mit der Corona-Situation richtig umgehen, können wir Boden gutmachen und die Liga halten", ist Gorr überzeugt.

Sein Nachfolger bläst ins selbe Horn: "Die Jungs sind 100 Prozent bei der Sache. Das ist eine sehr gute Grundlage. Wir müssen uns in den nächsten Wochen spielerisch festigen und an Sicherheit gewinnen. Dann bin ich guter Dinge, dass wir unsere Ziele erreichen", verspricht der ruhige Tscheche. Alois Mraz, der laut eigener Aussage bisher nur nette Leute in Coburg kennengelernt hat, ist nach Meinung von Torjäger Florian Billek ein "unfassbar authentischer, natürlicher Trainer". Er sei sehr akribisch und könne auch schon einmal lauter werden, wenn es nicht nach seinen Vorstellungen läuft. Und der Rechtsaußen hat noch etwas gespürt: "Man merkt natürlich, dass Alois selbst lange auf einem hohen Niveau gespielt hat." Angesprochen darauf, ob er denn auf der Platte noch mithalten könne, schmunzelt Mraz: "Vielleicht ein paar Minuten." Die Kondition reiche dafür aber nicht mehr. Der in wenigen Wochen 42 Jahre alt werdende Pilsener spielte immerhin 139 Mal für sein Heimatland und erzielte 317 Tore.

Sportlich scheinen die "Gelb-Schwarzen" mit ihrem neuen Hoffnungsträger also auf einem guten Weg zu sein. Die Mischung aus erfahrenen Spielern wie Neuzugang Pouya Norouzi Nezhad oder Jan "Wolle" Kulhanek auf der einen Seite und den "jungen Wilden" Paul Schikora, Justin Kurch oder dem wieder genesenen Jakob Knauer auf der anderen passt.

Mit oder ohne Fans?

Neben der Platte sind die Herausforderungen größer. Rund zwei Monate vor dem geplanten Saisonstart ist weiter nicht absehbar, ob und wie viele Fans die Heimspiele besuchen dürfen. "Wir arbeiten mit Feuereifer an einem maßgeschneiderten Konzept für unsere Heimspiele. Wir nehmen die Situation sehr ernst, schließlich ist es eine gesundheitsgefährdende Situation. Da ist viel Augenmaß erforderlich", erklärt Gorr. "Aber wir haben mit unserer Arena beste Voraussetzungen, denn die Halle verfügt über eine richtig gute Lüftungsanlage, zahlreiche Ein- und Ausgänge, ausreichend Toiletten und genügend Plätze für Kiosk-Verkäufe."

Ob mit oder ohne Publikum - sportlich muss den Fans nicht bange sein. Es sei denn, Drasko Nenadic behält mit seiner ersten Einschätzung recht: "Unsere ganze Mannschaft ist sehr, sehr lieb!" Für "lieb" und "brav" wird nämlich kein Platz auf der Platte sein. Im "Haifischbecken" 1. Liga sind andere Eigenschaften gefragt: Harte Jungs mit breiten Brustkörben, kräftigen Oberarmen, Sixpacks, bebenden Oberschenkeln und stählernen Waden ...

Kommentar von Christoph Böger: Spieler im Flow - Fans im Ungewissen

Tobias Varvne, Stepan Zeman, Andreas Schröder oder auch Flo Billek sind bereits im Flow. Jan Gorr sprüht schon wieder vor Ideen und Ehrgeiz. Und sein Nachfolger Alois Mraz ist heiß wie Frittenfett. Doch was ist mit den Fans? Von Euphorie in Coburg keine Spur. Die 1. Handball-Bundesliga ist in der Vestestadt derzeit so weit entfernt wie der 1. FC Nürnberg von der Champions League.

Handball-Coburg wäre Anfang August bereits auf den Beinen. Die Begeisterung beim ersten Aufstieg ins deutsche Oberhaus 2016 war grenzenlos. Der Run auf die Tickets groß. Doch in diesen verflixten Corona-Zeiten ist alles anders. An einen geregelten Kartenvorverkauf ist nicht zu denken. Von einem Boom ist nichts zu spüren. Das treibt vor allem dem Geschäftsführer Jan Gorr Falten auf seine flache Stirn. Der Trainerfuchs, der sich auf neuem Terrain erst noch Sporen verdienen muss, hat sich diesen Job ganz anders vorgestellt. Von wegen offene Türen einrennen und neue, finanzkräftige Sponsoren an Land ziehen. Dem Hobby-Angler ist bisher noch kein dicker Fisch ins Netz gegangen.

Mehr Geld zu bekommen ist schwierig. Der HSC kann heilfroh sein, wenn die bisherigen Gönner treu bleiben und den Spitzensport in der Region zumindest so fördern wie bisher.

Die wirtschaftliche Situation ist in Corona-Zeiten außerordentlich schwierig. Mindestens so kompliziert, verflixt und ungewiss wie die sportliche des HSC.

Keiner weiß, wann und ob der Handball wieder ins gewohnte Fahrwasser kommt. Also mit Spitzenspielen vor begeisterungsfähigem Publikum.

Coburg braucht gelb-schwarze Handballfeste in einer gut gefüllten HUK-Arena. Die Fans sollen das Team nicht nur zum Klassenerhalt supporten, sie sind nach dem Hauptsponsor auch die größte Einnahmequelle und spülen Kohle in die Kasse. Wenn diese treuen Anhänger nicht mehr in den Sporttempel dürfen, wäre das der Anfang vom Ende des Profihandballs in Coburg. Spieler wie den Champions-League-Sieger Drasko Nenadic oder Rückraum-Kanonier Pouya Norouzi Nezhad kann sich der HSC dann nicht mehr leisten.