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HSC Coburg: Die Sehnsucht nach Erstklassigkeit


Autor: Ralph Bilek

Coburg, Montag, 19. August 2019

"Wer einmal in der 1. Liga war, will wieder hin": HSC-Geschäftsführer Michael Häfner wünscht sich eine ambitionierte Platzierung, gibt das Oberhaus aber nicht als Ziel aus. Das Tageblatt macht drei Tage vor dem Saisonstart den Teamcheck.


20 Jahre alt wird der HSC am 10. März 2020. Gibt es zum Jubiläum in der Vestestadt den zweiten Aufstieg in das deutsche Oberhaus zu bejubeln? Drei Tage vor dem Saisonstart (Samstag, 19.30 Uhr gegen TV Emsdetten) nimmt das Tageblatt den Ist-Zustand der Coburger und die Konkurrenten unter die Lupe. Die Konkurrenten

Als Saisonziel hat der HSC 2000 Coburg "eine ambitionierte Platzierung im vorderen Bereich" ausgegeben - das lässt Raum für Interpretationen. Das kann der Aufstieg sein, muss aber nicht. Warum? "Gummersbach, Nettelstedt, Bietigheim, Hamm, Lübeck", hat Michael Häfner, HSC-Geschäftsführer, neben seinem Verein auf Anhieb fünf Kontrahenten parat, die sich um die begehrten zwei Erstliga-Aufstiegsplätze streiten werden. Von den genannten Teams hat nur Bietigheim Farbe bekannt, spricht ganz klar vom Wiederaufstieg. Gummersbach, Lübeck, Nettelstedt-Lübbecke sind vorsichtiger ("Um den Aufstieg mitspielen"), Hamm stapelt tief (Gesichertes Mittelfeld). Was ist also eine ambitionierte Platzierung für den HSC?

Häfner lässt sich nichts Konkretes entlocken, verweist zudem darauf, dass noch einige andere Mannschaften für die Aufstiegsplätze in Frage kommen, ohne weitere Namen zu nennen. Essen und Hamburg sind solche Kandidaten, die zur Wundertüte werden können. "Wer einmal in der 1. Liga war, will wieder hin", sagt Häfner. Das gilt auch für Coburg. Die Vestestädter haben aus der vergangenen Saison gelernt. "Wir haben vieles schon sehr gut gelöst, aber auch genau gesehen, wo es hakt. Aus den da gemachten Fehlern werden wir auch irgendwann profitieren", analysierte Coburgs Trainer Jan Gorr. Das dürfte vor allem für den Angriff gelten, dem nicht selten die Präzision gefehlt hat.

Die Verletzten

Wie schon in den Vorjahren wird Gorr nicht mit seinem kompletten Kader in die Saison starten können. Ein großes Fragezeichen gibt es auf der rechten Rückraumposition. Auf Jakob Knauer muss der Vorjahresdritte mindestens bis Dezember verzichten. Pontus Zetterman, der sich mit Schulterproblemen durch die gesamte Rückrunde "schleppte", kehrte in der letzten Vorbereitungsphase zwar auf das Spielfeld zurück, hat aber aufgrund der langen Pause seit Mitte Mai noch einen Rückstand, der sich nur nach und nach kompensieren lässt. Auch Christoph Neuhold ist nach seinem Bandscheibenvorfall noch nicht wieder da, wo er in der letztjährigen Hinrunde für die so wichtigen Tore aus dem Rückraum sorgte. Die Verletzungen beziehungsweise Angeschlagenheit dieses Duos in der Rückrunde waren mit ausschlaggebend dafür, dass der HSC am Ende nicht auf einem der beiden Aufstiegsplätze stand.

Der Innenblock

Der Coburger Trainer steht vor einer Herkulesaufgabe im Abwehrbereich, dem bisherigen Prunkstück des HSC. Gorr muss einen neuen Innenblock installieren. Nachdem Markus Hagelin in seine schwedische Heimat zurückgekehrt ist und Anton Prakapenia vorzeitig aus seinem Vertrag nach Nordhorn-Lingen entlassen wurde, sollen es die Neuzugänge Andreas Schröder und Stepan Zeman zusammen mit Marcel Timm reißen. Letzterer ist jedoch aufgrund der Junioren-Weltmeisterschaft verspätet in die Vorbereitung eingestiegen.

Die Liqui Moly HBL

Den Aufstieg in die Liqui Moly Handball-Bundesliga, unter der die 1. Liga ab der kommenden Spielzeit firmiert, hat der HSC in seiner 20. Saison zumindest ein bisschen anvisiert, wobei aus Coburger Sicht zu hoffen bleibt, dass langfristige und gravierende Verletzungen wie in den beiden vergangenen Spielzeiten ausbleiben. Der vergleichbar recht dünne Kader ist zwar ein Risiko, das der Verein aber bewusst eingeht. Der Etat des Zweitliga-Kaders musste aufgrund von Steuernachforderungen, die fast zehn Jahre zurückliegen, wieder etwas abgespeckt werden. Bereits in den vergangenen drei Spielzeiten konnten die Coburger das gut auffangen, und gleichzeitig hat die Spielstärke zugenommen. "Wir haben uns entgegengesetzt entwickelt, sind aus meiner Sicht sportlich noch besser geworden", betont Gorr. Das wird auf Dauer aber nicht gehen. Wenn das große Ziel "1. Liga" wieder erreicht werden soll, muss der Umschwung geschafft werden, sprich die Entwicklung auch etattechnisch wieder nach vorne gehen.

Die Neuzugänge

Die Vorbereitung hat angedeutet: Andreas Schröder kann in die Fußstapfen von Anton Prakapenia treten - hinten wie vorne. Mit seiner siebenjährigen Erstliga-Erfahrung kann der Rechtshänder, der im fränkischen Rothenburg ob der Tauber das Handballspielen gelernt hat, ein wichtiger Faktor dafür werden, dass Coburg seine ambitionierte Platzierung im vorderen Bereich erreicht. Die linke Rückraumseite wird, vorausgesetzt Christoph Neuhold kann an seine Hinrundenform des Vorjahres anknüpfen, eine recht unberechenbare Komponente. Youngster Max Preller muss in der wohl stärksten, zumindest aber ausgeglichensten 2. Liga der Welt, natürlich erst einmal Erfahrung sammeln. Aber das ist ja auch ein Teil des "Coburger Weges", eigene Spieler an das Zweitliga-Team heranzuführen. Natürlich ist das gerade bei der Spielstärke der Liga ein riskantes Unterfangen. Doch die HSC-Verantwortlichen sind davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist, langfristig auf jeden Fall.

Gerne bei seinem Verein, dem TV Emsdetten, Auftaktgegner des HSC am Samstag, hätte der tschechische Nationaltrainer Daniel Kubes den neuen Coburger Kreisläufer Stepan Zeman gesehen. Der 22-Jährige wird im Zusammenspiel mit Schröder noch einige Zeit brauchen, bis die Abwehr wieder die gewohnte Stabilität hat. Doch die Vorbereitung hat gezeigt, dass Gorr mit seinem Team auch in der Deckung auf einem guten Weg ist.

Gespannt darf man auf die neue 3:2:1-Abwehrformation sein, die Gorr in der Vorbereitung des Öfteren spielen ließ. Bereits vor zwei Jahren hatte er eine andere Formation in der Deckung angekündigt, jedoch kaum zum Einsatz gebracht - beim 6:0-Bollwerk auch selten nötig. Doch soll es noch schneller nach vorne gehen, ist das ein erster Schritt dazu. Denn Coburg musste gerade in der Rückrunde zu oft hart für seine Torerfolge arbeiten, die Schnelligkeit von Felix Sproß, Max Jaeger, Florian Billek und Lukas Wucherpfennig wurde zu selten in die Waagschale geworfen. Eigentlich ein Pfund, mit dem der HSC wuchern kann und dies 2019/2020 vermehrt tun sollte.

Die Risiken

Was kann den Coburgern einen Strich durch die Rechnung machen, vorne mitzumischen? Eine ähnliche Verletztenmisere wie in den beiden Vorjahren. Das kostete zu viele Körner, um am Ende noch einmal zulegen zu können. Auch wenn die Liga auf 18 Mannschaften reduziert wurde und dadurch vier Spiele weniger auszutragen sind, braucht es bei der diesjährigen Kaderzusammensetzung Power bis zum Schluss. Dann winkt den Coburgern wenigstens eine um zwei Wochen längere Spielpause, da die Saison bereits Mitte Mai endet.

Doch bis dahin wird Jan Gorr für sein Hobby, dem Angeln, wohl keine Zeit finden. Im zurückliegenden Urlaub hatte er zusammen mit einem Freund elf Dorsche aus der Ostsee gezogen. Beim wohl nächsten Besuch dort sollen es am Nikolaustag zwei Punkte beim VfL Lübeck-Schwartau sein. Spätestens dann weiß nicht nur er, wohin der Weg des HSC 2020 führen kann. Gorr ist im Übrigen mit sechs Spielzeiten, und das ohne Unterbrechung, inzwischen der Trainer mit der längsten Dienstzeit beim HSC. Mit zwei Aufstiegen, 2014 in die 2. und 2016 in die Bundesliga, zudem der erfolgreichste.

Das Fazit

Der HSC 2000 Coburg hat in den vergangenen beiden Spielzeiten nach dem sofortigen Wiederabstieg aus der 1. Liga 2017 um die Aufstiegsplätze mitgemischt. Das vor einem Jahr neu formierte Team stand in der vergangenen Saison 30 Spieltage auf einem Aufstiegsplatz, hat viele sehenswerte Spiele geboten. Gereicht hat es nicht.

Es gab in der Rückrunde zu viele leichte Fehler, der hohe Verletztenstand tat sein Übriges - auch wenn diese Problematik lange gut kaschiert werden konnte. Zudem fehlte öfters das Überraschungsmoment im Coburger Spiel. In der kommenden Spielzeit wird der HSC wieder mittendrin sein, wie wohl die Hälfte der Liga, wenn es um die Vergabe der beiden Erstliga-Plätze geht.

Die Coburger werden aber erneut nicht unter den "Zwei Glücklichen" sein. Mit Prakapenia hat die spielbestimmende Figur den Verein verlassen, Schröder wird Zeit brauchen. Zudem muss Gorr seinen Mittelblock neu installieren. Nicht jedes Jahr gelingt solch ein Katapultstart mit den Neuzugängen, wie Coburg es vor einer Saison gelungen ist. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten im linken Rückraum. Diese Hypotheken sind zu groß, um den ganz großen Wurf zu schaffen.