"Das Wichtigste ist der Respekt"
Autor: Udo Schilling
Coburg, Dienstag, 14. Juli 2020
Jessica Miller coacht nun Männer. Die Amerikanerin kommt als Co-Trainerin zum Drittligisten BBC Coburg. Die 32-Jährige bringt Erfahrung aus der Frauen-Bundesliga und der WNBA mit.
Offen, freundlich und mit sehr gutem Deutsch begegnet einem Jessica Miller, die die meisten nur Jessie nennen. Die 1,73 Meter große Frau hat bis vor fünf Jahren als Aufbauspielerin die Fäden im Spiel der DJK Bamberg in der Bundesliga und 2. Liga gezogen. Wegen einer Knieverletzung musste sie ihre aktive Karriere beenden und wechselte direkt auf die Trainerposition der DJK. In der kommenden Saison coacht sie als Assistentin von Valentino Lott den Männer-Drittligisten BBC Coburg.
Dort bringt sie vielfältige Erfahrung mit ein, denn neben dem Traineramt in Bamberg arbeitete Miller im Sommer in der Frauen-NBA, der WNBA, in den USA, zunächst als Video-Koordinatorin in Chicago und bis zum vergangenen Jahr als Co-Trainerin in Indiana.
Kein Anschlussvertrag in der WNBA
In den Staaten lief ihr Vertrag Ende 2019 aus, da in Indiana der Headcoach entlassen worden war. Für das dreimonatige Corona-Turnier in Florida kam kein neuer Vertrag zustande. So kann Miller seit 2010 erstmals einen Sommer in Deutschland verbringen. Mit ihrer Lebenspartnerin und ehemaligen Mitspielerin Svenja, mit der sie im Januar die Ehe eingegangen ist, zieht sie derzeit von Ingolstadt wieder ins Fränkische. Mit ihrer Beziehung gehe sie offen um, posaune das aber nicht bei jeder Gelegenheit hinaus.
Svenja hofft - nachdem ihr befristeter Vertrag in Oberbayern ausgelaufen war, auf eine Gymnasiallehrerstelle in der Nähe Bambergs, damit beide ihre Jobs in Franken ausüben können. "Ich wollte wieder als Trainerin arbeiten und hatte verschiedene Angebote. Ich hatte eigentlich wieder an den Frauenbereich gedacht, doch nun kam es anders", sagt die 32-Jährige. Den ersten Kontakt mit Coburg hatte Miller schon im Februar. Lott, in der kommenden Saison Nachfolger von Ulf Schabacker auf der Cheftrainerposition, rief Miller nach dem Corona-Saisonabbruch an. "Er fragte mich, ob ich mir vorstellen konnte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Nach ein paar weiteren Gesprächen haben wir zusammengefunden", erklärt Miller.
"Ich will den Spielern helfen, besser zu werden"
"Klar habe ich wenig Erfahrung im Männer-Coaching", gesteht Miller und betont, "es ist wichtig, dass die Jungs erkennen, dass ich ihnen mit meiner Basketball-Erfahrung helfen kann, ihre Ziele zu erreichen. Dann wächst der Respekt zueinander. Ich bin selbstbewusst, weiß viel über Fitness und über Basketball. Das will ich den Jungs vermitteln und deren Fähigkeiten verbessern. So sehe ich keine Probleme in der Zusammenarbeit. Es muss locker zugehen, das Wichtigste ist aber der Respekt."
Warum es so wenige Trainerinnen bei Männerteams gibt, weiß Miller auch nicht. "Es werden aber immer mehr Frauen in Männerteams, weil es mehr Möglichkeiten für Frauen gibt. Entscheidend ist erst einmal die fachliche Kompetenz. Wenn die Männer erkennen, die kann was, lassen sie sich auch von einer Frau coachen", ist Miller überzeugt.
Lott: Keine Frage von Mann oder Frau
So sieht es auch Lott, der schon bei Vertragsabschluss sagte: "Man muss von dieser Frage eigentlich wegkommen - es ist 2020. Es geht nicht um Mann oder Frau, sondern um Stärken und Schwächen. Und da sehe ich niemanden sonst in Deutschland, der dieses Profil mitbringt."