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Spekulationssucht führt Kronacher vor den Kadi


Autor: Katja Nauer

Coburg, Montag, 16. Oktober 2017

Ein 49-jähriger Bankkaufmann aus dem Landkreis Kronach soll seine Kunden um mehr als 500.000 Euro betrogen haben. Jetzt steht er vor Gericht.
Symbolbild: Jens Wolf/dpa


"Ich war ein Getriebener, die Börse hat meinen ganzen Alltag und die Freizeit bestimmt", so äußerte sich ein 49-jähriger ehemaliger Banker vor Gericht. Auch seine Arbeit in einem Geldinstitut im Landkreis Kronach habe unter seiner Spekulationssucht gelitten. Das habe schon frühmorgens mit dem Prüfen der Börsenkurse begonnen. Auch wenn er sich manches Mal geschworen habe, nach einem Gewinn sofort aufzuhören, habe er sein Handeln nicht mehr stoppen können.

Seit Montag muss sich der Mann vor der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Coburg verantworten. Staatsanwältin Sarah Röll wirft ihm vor, in mehr als 160 Fällen arglose Kunden um ihr Erspartes gebracht zu haben, um sich zu bereichern. Der kleinste Betrag, den der Kronacher unberechtigt an sich brachte, beziffert sich laut Aufstellung der Strafverfolgungsbehörden auf 53,66 Euro, die größte Summe auf über 50.000 Euro. Insgesamt soll der Banker elf Kunden der Filiale, in der er eine höhergestellte Position innehatte, über einem Zeitraum von Juni 2011 bis Mai 2016 um mehr als 500.000 Euro erleichtert haben. Vorher soll der Mann in den Kassenbestand der Bank gegriffen haben. Um das Defizit zu verschleiern, so die Staatsanwaltschaft, habe der Mann insgesamt 161 Abbuchungen von den Konten seiner Kunden vorgenommen und dazu teilweise Unterschriften gefälscht.


Unterschrift der Ehefrau gefälscht

Doch das war noch nicht alles: Im Juni 2015 soll der Angeklagte bei einem Geldinstitut einen Darlehensvertrag über 15.000 Euro erschwindelt haben. Dazu fälschte er die Unterschrift seiner Ehefrau. Eine weitere Summe über knapp 15.000 Euro brachte er laut Anklageschrift vorher auf ähnliche Weise an sich. Auch die Unterschrift seines Sohnes soll er gefälscht haben, um an einen Geldbetrag von 9.000 Euro zu kommen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage. Sie wirft dem Kronacher Untreue in Tateinheit mit Diebstahl, Urkundenfälschung und Betrug vor.

Der Mann war weitgehend geständig und räumte den Großteil der 161 Fälle auch ein. Er bedauere, was er aufgrund seiner Spekulationssucht anderen angetan habe, sagte er. Während seiner Lehre zum Bankkaufmann sei er recht schnell mit Börsengeschäften in Kontakt gekommen und süchtig geworden. "Zu Beginn waren es übersichtliche Summen, die ich eingesetzt habe", erläuterte er den Richtern. "Die Intensität hat sich sukzessive gesteigert." Frühzeitige Verluste - der Mann verzockte unter anderem ein fünfstelliges Vermögen, das er aufgrund eines Lottogewinns in der Familie erhalten hatte - habe er mit weiteren Geschäften ausgleichen wollen, gab er an. Er habe sich ständig und überall mit dem Handel und den Kontoständen beschäftigt, Kredite aufgenommen und seine Lebensversicherung beliehen, immer im festen Glauben, die Verluste wieder auffangen zu können. Seine Familie habe von diesen Machenschaften nichts mitbekommen, erklärte der Kronacher. Er habe ihnen eine heile Welt vorgespielt, während er die komplette Kontrolle und auch die Übersicht bereits lange verloren und dennoch "immer weitergemacht" habe.


In suchttherapeutischer Behandlung

In seiner Verzweiflung habe er zu Alkohol gegriffen und bereits vor der Arbeit Sekt getrunken, gab er an. Knapp ein Jahr saß der 49-Jährige in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Kronach.
Nach seiner Entlassung in diesem Jahr begann er ehrenamtlich zu arbeiten und begab sich in suchttherapeutische Behandlung. Ein Sachverständiger aus Würzburg, der Facharzt für Psychiatrie ist, soll klären, ob der Mann wie angegeben unter Zwang handelte.

Durch seine Spekulationen hat der Mann hohe Schulden. Eine Immobilie und sein Auto habe er zum Zweck der Wiedergutmachung bereits zur Verfügung gestellt, gab er an. Betrogen haben soll er unter anderem eine ältere Dame, der er regelmäßig ihre Rente vorbeigebracht habe. Bei seiner Verhaftung sei er regelrecht "erleichtert" gewesen. Mittlerweile arbeitet der Kronacher nach eigenen Angaben im Dreischichtbetrieb einer Fabrik und besucht regelmäßig die Suchtberatung. Er führe ein zufriedeneres Leben, sagte er. "Ich schätze das Leben jetzt mehr."
Die Verhandlung wird am Mittwoch, 18.10., fortgesetzt.