SPD wählt einfache Antwort auf große Frage
Autor: Simone Bastian
Coburg, Dienstag, 21. Juni 2016
Wenn die Parteien und Politiker das Vertrauen der Bevölkerung wieder gewinnen wollen, müssen sie näher ans Volk, sagt Stefan Sauerteig.
"SPD vor Ort" nennt sich eine Veranstaltungsreihe, die der SPD-Stadtverband Coburg nun gestartet hat. Für den Vorsitzenden des SPD-Stadtverbands, Stefan Sauerteig, ist es auch ein Versuch, bei den Bürgern mehr Vertrauen in die Parteien und die Arbeit der Politiker auf allen Ebenen zu schaffen, wie er im Gespräch mit dem Tageblatt sagt.
Tageblatt: Herr Sauerteig, was ist unter "SPD vor Ort" zu verstehen? Wie oft findet das statt, wie ist die Reihe angelegt? An wen richtet sie sich?
Stefan Sauerteig: Wir möchten dem Alltagstrott zwischen den Wahlen und dem kurzfristige Haschen nach Aufmerksamkeit und Wählerstimmen in dieser Wahlkampfzeit noch mehr entgegensetzen, als wir das mit Infoständen in der Innenstadt oder unseren bekannten Veranstaltungen Maibock-, Oktober- und Sommerfest oder den Veranstaltungen der Ortsvereine als einzige Coburger Volkspartei
Sollte man bei der SPD Coburg mit ihren Ortsvereinen nicht vermuten, dass sie die Probleme der einzelnen Stadtteile kennt? Warum noch vor Ort gehen?
Selbstverständlich wird die Veranstaltungsreihe nicht in die Arbeit der Ortsvereine eingreifen. Wir sehen diese eher als ein Instrument, die Arbeit der verschiedenen Ortsvereine auf Stadtverbandsebene politisch und organisatorisch zu unterstützen. Denn wir wollen auch ehrlich sein. Wir haben zwar fast 300 Mitglieder in der Coburger SPD. Diese sind aber nicht über das gesamte Stadtgebiet und in allen Altersgruppen gleich verteilt. Deshalb wollen wir mit den Veranstaltungen noch stärker den Fokus darauf legen, die Menschen der Stadtteile in die politischen Geschehnisse einzubinden und uns mit ihnen über Wünsche und Anregungen an die Politik austauschen. Das wird dann sicherlich in die Arbeit der Stadtratsfraktion, des Oberbürgermeisters, des Dritten Bürgermeisters oder - bei landes- und bundespolitischen Themen - in die Partei einfließen.
Sie beginnen mit einem Besuch beim Stadtjugendring, wo sie sich sehr grundlegend über die Arbeit, die Struktur, die Finanzierung des Stadtjugendrings unterhalten. Was werden Ihre nächsten Themen sein? Richtet sich das nach Tagesaktualität, oder planen Sie da eher eine Bildungsreihe?
Den Start in unsere Veranstaltungsreihe haben wir ganz bewusst auf einen Besuch der CoJe gelegt. Der Stadtjugendring Coburg setzt sich für die Belange von Kindern und Jugendlichen in unserer Stadt ein. Es ist uns ein zentrales Anliegen, all jene zu unterstützen, die sich um das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen bemühen und ihnen Möglichkeiten geben, ihre Freizeit aktiv zu gestalten und ihr Lebensumfeld ganz wesentlich mitzubestimmen. Grundsätzlich planen wir jedoch keine Bildungsreihe, sondern wollen uns mit allen möglichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Themen in unserer Stadt, und auf Landes- oder Bundesebene bemühen. Dies kann mal durch Tagesaktualität bestimmt sein, mal auch durch andere Aspekte.
Was wollen Sie mit den Veranstaltungen erreichen? Soll die SPD sichtbarer werden, oder wollen Sie Impulse sammeln für die politische Arbeit?
Seit längerer Zeit schon beobachten wir ein steigendes Desinteresse bis hin zu Frustrationen gegenüber politischen Entscheidungen und Entscheidungsträgern. Viele Menschen fühlen sich von Politikerinnen und Politikern nicht mehr in all ihren Wünschen, Bedürfnissen und Sorgen ernst genommen. Vielmals scheinen die Grenzen zu und die Unterschiede zwischen den klassischen Volksparteien nicht mehr erkennbar zu sein. Ein einschneidendes Erlebnis war hier sicher der Informationsstand unserer Jusos anlässlich des Equal-Pay-Days und des Aktionstages gegen Rassismus im März 2016: Offene Anfeindungen von zu recht oder unrecht Frustrierten und der Ruf nach einfachen Antworten auf schwierige Fragen. Auch die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2014 zeigt, dass die Parteien auch vor Ort in Coburg ein Umdenken einleiten müssen, wollen sie weiterhin das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger genießen und die Stadt vorantreiben. Alle sechs Jahre, wenn es auf die Wahl zugeht, mit den Kandidaten Überaktivität zu entfalten, wie das von allen Parteien und Wählergruppierungen auch in Coburg praktiziert wird, erscheint mir als jungem Menschen nicht zeitgemäß. Wir wollen mit gutem Beispiel vorausgehen und den Versuch starten, eine offenere und transparentere Politik zu gestalten. Dies ist nur möglich, wenn man zu den Menschen hinausgeht und nicht nur im Hinterzimmer tagt. Dass unsere Politik damit auch sichtbarer und offener wird, betrachten wir als einen positiven Nebeneffekt. Selbstverständlich sollen von den Erkenntnissen der Veranstaltungen auch wichtige Impulse für unsere politisch-inhaltliche Arbeit ausgehen. Wir wären schlecht beraten, würden wir die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger nicht versuchen in die Tat umzusetzen.