SPD-Kreis Coburg beschäftigen Berliner Probleme
Autor: Rainer Lutz
Ahorn, Freitag, 01. Dezember 2017
Ein Hauch von Schulz - wie der Bundesvorsitzende wurde auch Carsten Höllein als Vorsitzender der Landkreis-SPD mit 100 Prozent der Stimmen gewählt.
Dinge schön zu reden, dafür sei es nicht die Zeit, sagte SPD-Kreisvorsitzende zu Beginn der Kreisversammlung der Partei in Ahorn am Donnerstagabend. Er sieht das Jahr 2017 "als Zäsur für die Sozialdemokratie in Deutschland, aber auch für das politische System insgesamt." Die Partei hatte bei den Bundestagswahlen das schlechteste Wahlergebnis in ihrer Geschichte eingefahren. Wie sich die SPD jetzt in der Frage einer Regierungsbildung in Berlin verhalten soll, das war auch Thema für Kreisdelegierten, denn die Basis soll in dieser Frage mit bestimmen dürfen.
Wie an der Spitze gehen die Meinungen auch auf Kreisebene dazu durchaus auseinander. Doch wieder in eine große Koalition einwilligen, eine unionsgeführte Minderheitenregierung tolerieren, Neuwahlen, oder eine Partnerschaft mit einem SPD-Kanzler nach zwei Jahren - es werden etliche Varianten diskutiert. Während Höllein das schnelle Nein durch den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz am Wahlabend als voreilig sah, betonte etwa Thomas Lesch: "Damals hat mir Martin Schulz aus der Seele gesprochen." Entsprechend sah er den Beschluss des Bundesvorstands wenig später, eine GroKo-Fortsetzung abzulehnen. Aber: "In kürzester Zeit wurde dieser Beschluss konterkariert", wie er feststellt, weil sich einzelne SPD-Politiker öffentlich zu allen möglichen Spielarten einer Regierungsbeteiligung äußerten. So bleibe eine Minderheitsregierung als letzte Lücke, in welcher Form auch immer.
Bezirksvorsitzende Annette Kramme gab allerdings zu bedenken, dass die SPD im Falle einer Minderheitsregierung keine Ministerposten erhält, somit auch nicht an europäischen Prozessen beteiligt wäre. Neuwahlen hält sie für riskant. Es sei dabei kaum zu erwarten, dass die SPD ein deutlich besseres Ergebnis erreicht - vielleicht aber die AfD.
Für Neustadts Oberbürgermeister Frank Rebhan haben "zu viele SPD-Politiker zu früh in jedes Mikrofon gesprochen, das ihnen jemand vors Gesicht gehalten hat, Forderungen gestellt und rote Linien genannt, die nicht überschritten werden dürfen." Sie hätten lieber schweigen und Gespräche abwarten sollen, bei denen alle Möglichkeiten ausgelotet werden, um danach zu entscheiden.
Als Landtagsabgeordnete hofft Susann Biedefeld vor allem, dass jetzt rasch in Berlin eine Entscheidung getroffen wird, "damit wir noch Zeit haben uns vor der Landtagswahl inhaltlich zu profilieren, denn bis dahin sind nur noch zehn Monate Zeit." Sie meint, die SPD sollte sich jetzt in der Spitze auf wenige klare Punkte festlegen, die den Sozialdemokraten wichtig sind und klar stellen: "Wenn wir das bekommen, können wir uns einigen." Als mögliche Eckpunkte nannte sie etwa Steuersenkungen für untere Einkommen, Vermögenssteuer, ein Einwanderungsgesetz sowie eine Bürgerversicherung und fügte hinzu: "Aber einfach so als Hiwis von Frau Merkel, das kann es ja wohl nicht sein."
Sorgen, die auch die Mitglieder der Partei auf Kreisebene bewegen. Doch der Kreisverband hat auch seine eigenen. Die Zahl der Mitglieder sinkt. Zurzeit nennt Carsten Höllein eine Zahl von 850 für den Landkreis. Der Altersdurchschnitt liege bei 62 Jahren. Es seien einmal um 1500 gewesen. Austritte seien dabei weniger das Problem. Es sei schlicht die Zahl der sterbenden SPD-Mitglieder, die nicht durch Neueintritte in die Partei ausgeglichen oder überkompensiert werden könne. Höllein rief zur aktiven Werbung für politisches Engagement in der SPD, aber auch für die SPD auf. Denn mit einem Zuwachs an Wählerstimmen werde die Partei auch wieder attraktiver, für junge Leute, die sich politisch engagieren wollen.