Spachmann-Prozess: Erneuter Schuldspruch
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Freitag, 07. November 2014
Keine Chance im Berufungsverfahren. Die Große Strafkammer verurteilte Burkhard Spachmann zu 90 Tagessätzen a 100 Euro. Damit wurde der Direktor des Coburger Gymnasiums Casimirianum erneut schuldig gesprochen. Seine Verteidiger kündigten sofort nach der Urteilsverkündung Revision beim Oberlandesgericht Bamberg an.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Burkhard Spachmann sei von seinen Anwälten von Anfang an auf einen langen, steinigen Weg vorbereitet worden. Und der Schulleiter des Gymnasiums Casimirianum habe sich entschieden, diesen Weg - auch durch die Öffentlichkeit - zu gehen. Mit diesen Worten kommentierte gestern Eckart Staritz den Schuldspruch des Landgerichts gegen seinen Mandanten. Im nächsten Atemzug kündigte er an, Revision beim Oberlandesgericht Bamberg einzulegen. "Notfalls ziehen wir bis vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe", sagte der Verteidiger bestimmt.
"Eigenmächtig!"
Nur wenige Minuten zuvor hatte die Vorsitzende Richterin, Ulrike Barausch, Burkard Spachmann schuldig gesprochen. Der Schulleiter des Coburger Gymnasiums Casimirianum war der Falschbeurkundung im Amt in 86 tateinheitlichen Fällen angeklagt, weil er im Abitur 2013 die Deutschnoten um einen Punkt eigenmächtig angehoben hatte.
Spachmann habe eindeutig gegen die Schulordnung verstoßen, da Erst- und Zweitkorrektoren zu einem einhelligen Ergebnis bei der Benotung der Arbeiten gekommen waren. Er sei nicht berechtigt gewesen, einzugreifen. Auch habe er es versäumt, das Kultusminsterium vorzeitig einzuschalten. "Eine rechtliche Fehleinschätzung wäre vermeidbar gewesen, wenn der Ministerialbeauftragte um Rat gefragt worden wäre", ist Barausch sicher.
Auf und ab beim Strafmaß
Die Richterin schloss sich im Wesentlichen der Argumentation der Staatsanwaltschaft an, lediglich das geforderte Strafmaß setzte sie herab. Hatte der Leitende Staatsanwalt Philipp Karr 130 Tagessätze zu 100 Euro gefordert, lautete das Urteil schließlich auf 90 Tagessätze.
Kurios: Schon der erste Strafbefehl von Februar hatte auf 90 Tagessätze gelautet. Gegen den hatte Burkhard Spachmann seinerzeit Widerspruch eingelegt. Vor dem Amtsgericht Coburg kam es dann im Frühsommer zu einem spektakulären Prozess, bei dem unter anderem auch bekannt wurde, dass die Abiturnoten 2012 im Fach Deutsch ebenfalls angehoben worden waren.
Frage des Verwaltungsrechts
Richter Wolfram Bauer hatte den Schulleiter schließlich zu 60 Tagessätzen à 90 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Berufung ein. An drei Verhandlungstagen vor der Strafkammer versuchten die Verteidiger dem Gericht ihre Rechtsposition deutlich zu machen. Sowohl Eckart Staritz als auch Thomas Bittorf betonten immer wieder, dass Burkhard Spachmann nicht falsch beurkundet hätte, da die Noten bereits nach der mündlichen Bekanntgabe als Tatsache gelten. In dem Verfahren dürfe es gar nicht darum gehen, ob Spachmann die Noten hätte anheben dürfen oder nicht. Es sei eine Frage des Verwaltungsrechts.
Spannungen im Gericht
Staritz räumte ein, dass sie das Gericht nicht überzeugen konnten. Das Urteil sei für ihn nicht überraschend gekommen. "Wie erwartet", lautete sein knapper Kommentar. Die Spannungen zwischen der Richterin und der Verteidigung seien offensichtlich gewesen. Am zweiten Verhandlungstag hatten die Anwälte zwei Befangenheitsanträge gestellt, die allerdings abgewiesen wurden.
Staatsanwalt als Gruppenleiter Philipp Karr ließ sich ebenfalls nicht von der Argumentationskette der Verteidigung beeindrucken. In seinem Plädoyer betonte er immer wieder, dass Spachmann bei der Entscheidung, die Deutschnoten um einen Punkt anzuheben, "eigenmächtig" und "im Alleingang" gehandelt habe.
Es sei dem Schulleiter bei der erneuten Austeilung der Mantelbögen - die Lehrer sollten da ihre Noten und Bewertungen abändern - nicht um Transparenz gegangen, sondern um die Vertuschung der Vorgänge. Das Schweigen der beiden anderen Mitglieder des Prüfungsausschusses zur Notenanhebung, das die Verteidigung als Zustimmung gewertet hatte, war für Karr nichts dergleichen: "Es wusste überhaupt niemand, dass es um eine Entscheidung geht. Gefragt wurden sie auch nicht!"
Nach Karrs Auffassung habe die grundsätzliche Anhebung der Noten um einen Punkt bei allen Arbeiten nicht zu mehr Gerechtigkeit geführt. "Es wurde damit auch die Chancengleichheit von Schülern anderer Schulen verletzt!" Karr mag sich nicht vorstellen, was passiert, wenn die Schnitte ständig im Vergleich zu anderen Schulen immer wieder angeglichen werden.
"Massiver Druck"
Für den Staatsanwalt spielte auch das Verhalten des Angeklagten eine Rolle: Spachmann habe massiven Druck auf die Lehrer ausgewirkt. Die befragten Lehrkräfte hätten es teilweise als bedrohlich empfunden. In der Lehrerkonferenz habe er keine Diskussion zugelassen und den Lehrern, die sich gegen ihn gestellt hatten, ausdrücklich keine schöne Ferien gewünscht. Eine Lehrerin gar, die auch als Zeugin vernommen wurde, habe nach 33 Jahren die Oberstufe abgeben müssen, weil er in ihr eine Drahtzieherin gesehen habe.
Kein Einsehen
Spachmann habe den Lehrern Ignoranz vorgeworfen und sich - auch im Prozess - als Opfer hingestellt. "Er hatte kein Einsehen, dass auch er mal einen Fehler gemacht hat", sagte Philipp Karr.
Für den eigentlichen Fall habe das keine Relevanz betonten dagegen die Verteidiger. Bittorf: "Das Verhalten Spachmanns als Dienstherr hat nicht das Geringste mit der Falschbeurkundung zu tun."