So wird das Landestheater Coburg zum Ballsaal
Autor: Jochen Berger
Coburg, Mittwoch, 14. Oktober 2015
Nach dem "Weißen Rössl" nun "Ball im Savoy": Gastregisseur Tobias Materna verrät im Gespräch, warum er von Paul Abrahams Erfolgs-Operette fasziniert ist.
Wie zeitgemäß kann heute eine Revue-Operette aus den frühen 30er Jahren sein? Gast-Regisseur Tobias hat darauf eine ganz klare Antwort. Paul Abrahams "Ball im Savoy" feiert am 24. Oktober Premiere am Landestheater
Nach drei Schauspiel-Inszenierungen am Landestheater ist "Ball im Savoy" Ihre zweite Musiktheater-Produktion in Folge in Coburg nach dem "Weißen Rössl". Werden Sie jetzt der Mann für die unterhaltende Muse?
Tobias Materna: Das ist zum einen Zufall - und zum anderen vielleicht doch nicht. Denn ich muss zugeben, dass ich mich mit dem "Rössl" schon ein wenig in das Musiktheater verliebt habe und merke, dass ich große Freude daran habe. Da hilft mir sicher, dass ich früher zehn Jahre lang Geige gespielt habe und als ehemaliger Musikredakteur natürlich auch früher schon viel mit dem Thema Musik in Berührung gekommen bin. Und die nächste Inszenierung ist tatsächlich wieder eine Operette: "Die Csárdásfürstin" in Pforzheim. Aber ich möchte dem Schauspiel schon die Treue halten.
Im Original spielt "Ball im Savoy" in den 30er Jahren in Venedig und Nizza. Wo und wann spielt die Operette bei Ihnen?
Sie spielt dort, wo sie im Original spielt - in Nizza in der Villa von Marquis de Faublas und im Ballsaal im Hotel Savoy. Wir machen den Ball in unserer Inszenierung so groß, dass wir aus diesem Ballsaal mehrere Räume machen. Es gibt einen großen Ballsaal, einen kleinen Ballsaal und Separées. Zeitlich bleiben wir in den 30er Jahren, wobei wir bei den Kostümen ein paar Bögen in die 60er und 70er Jahre schlagen. Das sind aber eher Anleihen. Wir haben es bewusst nicht in der 60er, 70er Jahre verlegt.
Zwei Telegramme fungieren als dramaturgischer Auslöser. Wie passt das in Ihre Inszenierung?
Die Depeschen gibt es bei uns auch ganz klassisch noch in Papierform - sozusagen analog. Ich habe überhaupt nichts gegen Modernisierungen, aber sie müssen Sinn machen, und bei "Ball im Savoy" sehe ich überhaupt keinen Mehrwert, wenn man sagen würde, das muss unbedingt heute spielen. Ich finde es im Gegenteil manchmal fast noch schöner, wenn man nicht mit dem Zeigefinger daher kommt, sondern wenn man dem Zuschauer die Möglichkeit lässt, selber zu entdecken, dass es Gemeinsamkeiten gibt, auch wenn die Geschichte in einem anderen Land oder einer anderen Zeit spielt.
Warum ergibt es aus Ihrer Sicht keinen Sinn, Paul Abrahams "Ball im Savoy" in eine andere Zeit zu verlegen?
Es geht letztlich um das Überthema Sehnsucht, um die Liebesgeschichten und die Sehnsüchte zwischen den einzelnen Partnern. Das Hauptpaar, erfahren wir ganz am Anfang, war ein Jahr auf Hochzeitsreise. Das war eigentlich gar nicht so geplant. Aber sie haben einfach Angst davor, dass der Alltag sie einholt. Das sind Themen, die zeitlos sind. Wir haben das Ende ein bisschen offener gelassen als im Original - aber das würde ich nicht als Modernisierung beschreiben.
Seit wann haben Sie sich auf diese Inszenierung vorbereitet?
Etwa seit anderthalb Jahren - seit der Arbeit am "Rössl". Seitdem beschäftige ich mich mit dem Text, mit der Musik. Auch das Ausstatterteam war von Anfang an klar - das Team, mit dem wir "Rössl" gemacht haben. In der Zwischenzeit haben wir zwei andere Stücke zusammen gemacht. Das hat den Vorteil, dass man sich immer wieder auch über die Ideen austauschen kann. Ideen können auf diese Weise auch reifen - oder werden verworfen.
In zwei, drei Sätzen: Worum geht es im "Ball im Savoy"?
Es ist eine klassische Operette. Das liebe ich auch so an diesem Stück. Es geht ganz klar um zwei Liebespaare. Die einen machen's kompliziert und finden sich dann doch. Und die anderen machen es nicht so kompliziert und finden sich schneller und sind dabei auch noch lustiger und leichter. Die Operette ist gespickt mit vielen kleinen Zitaten, mit Geschichtchen, mit Depeschen hier, Intrigen da. Das macht Spaß zu folgen, wenn man es sieht, aber man braucht es nicht, um die Geschichte zu verstehen. Das ist eine klassische Operettengeschichte mit einer unglaublichen Musik.
Wie liegen die Stärken?
Die Stärken liegen in der Klarheit der Figuren, weil klar ist, was sie wollen und wo sie hin wollen. Auch die Musik finde ich sehr klar. Die Nummern haben einen sehr klaren Charakter. Ein klarer Walzer, ein klarer Foxtrott, eine klare Ballade.
Und wo sind die Schwächen?
Das müssen Sie jemanden andern fragen. Ich bin gerade sehr in dieser Stück verliebt. Es ist auch nicht so, dass wir die Versuchung hätten, überall kürzen zu wollen. Wir haben sogar einen Anhang noch mit herein genommen. "Ball im Savoy" ist wahnsinnig gut gebaut und war sicher nicht umsonst damals ein so großer Erfolg. Nur im dritten Akt haben wir etwas gestrichen, denn es gibt nichts Schlimmeres als einen zu ausführlich erklärten dritten Akt einer Operette. Man könnte vielleicht noch fünf Minuten kappen. Aber es gibt so viele kleine Sachen, an denen die Darsteller Spaß haben. Wer das "Rössl" gemocht hat, wird "Ball im Savoy" auch mögen. Es gibt eine Menge zu sehen. Man kann gut zwei oder drei mal rein gehen.
Sie bringen Paul Abrahams "Ball im Savoy" in Coburg auf die Bühne
Premieren-Tipp "Ball im Savoy", Operette von Paul Abraham- Samstag, 24. Oktober, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Produktionsteam Musikalische Leitung: Roland Fister; Inszenierung: Tobias Materna; Bühnenbild: Jan Hendrik Neidert; Kostüme: Lorena Diaz; Choreografie: Tara Yipp; Dramaturgie: Renate Liedtke; Chor: Lorenzo da Rio
Aufführungen 28. Oktober, 4., 5., 12., 13., 22. November, 1., 4., 12., 26. Dezember, 19.30 Uhr, 31. Dezember, 15 und 19.30 Uhr, 15., 29. Januar, 19.30 Uhr, 31. Januar, 15 Uhr, 28. Februar, 15 Uhr, 12. März, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Tobias Materna Schon als junger Mensch interessierte sich Tobias Materna für das Theater, ebenso für den Journalismus. Nach einem Studium an der Akademie für Publizistik und einer kurzen Zeit als Redakteur, war die Entscheidung gefallen: Materna wollte Regisseur werden. Sein Weg führte ihn über Bruchsal, Bonn und das Wiener Burgtheater nach Wiesbaden, wo er zwischen 2003 und 2008 die Spielstätte Wartburg leitete. In der Vestestadt inszenierte er "Sein oder Nichtsein", "Maria Stuart", "Elchtest" und zuletzt Benatzkys Singspiel "Im weißen Rössl".