So schön klingt Operette in Neustadt
Autor: Jochen Berger
Neustadt bei Coburg, Sonntag, 12. Januar 2014
Wie der "Musizierkreis" sein Publikum mit Melodien von Johann Strauss bis Fred Raymond verzaubert.
Vor der Sopranistin Andrea Chudak ist niemand sicher an diesem Abend. Wenn die aus Berlin angereiste Solistin beim Neujahrskonzert des Musizierkreises Neustadt Fred Raymonds "Ja, das Temp'rament" anstimmt und singend das Podium erobert, müssen Geiger und Cellisten auf ihre Bögen aufpassen - und selbst Dirigent Norbert Luche muss sich ganz besonders konzentrieren, um sich von der heftig flirtenden Sängerin nicht ablenken und damit aus dem Takt bringen zu lassen.
70 Melodien an einem Abend
Operette als verstaubte Angelegenheit, als nostalgische Reise in die Vergangenheit? Nicht an diesem Abend vor den bestens gefüllten Zuhörerreihen in der Mehrzweckhalle Heubischer Straße. Denn bei diesem Konzert muss sich kein Regisseur mit vielleicht nicht mehr ganz so frischen Textbüchern und dramaturgisch bisweilen allzu konstruierten Handlungssträngen plagen.
Viel Arbeit für Dirigent Luche
Gerade in diesen Potpourris aber ist Dirigent Norbert Luche ganz besonders gefordert. Denn ständig muss er im flinken Wechsel von Takt und Tempo seinen "Musizierkreis gehobener Unterhaltungsmusik" zusammen halten, muss gestalterische Impulse geben und den Klang dynamisch feinfühlig abstufen. Das gelingt mit Konzentration und großer Umsicht - immerhin steht Luche bereits seit mehr als drei Jahrzehnten am Dirigentenpult des Musizierkreises.
Während Christine Luche in ihrer Moderation Informationen zu den ausgewählten Werken mit kleinen Anekdoten aus der Welt der Musik würzt, überzeugt der Musizierkreis durch sein jederzeit engagiertes und klanglich abgerundetes Spiel.
Stilistisch bunt ist das Programm zwischen Wiener und Berliner Operette. Im Grunde ist dieses Neujahrskonzert in Neustadt eine kleine klingende Geschichte der Gattung Operette - vom Meisterwerk der Wiener Operette mit der "Fledermaus" von Johann Strauß bis zu Fred Raymonds "Maske in Blau", in der sich Operette und Revue begegnen.
Robert Stolz ist an diesem Abend mit dem "Frühjahrsparade"-Marsch ebenso vertreten wie Carl Zeller mit einem Potpourri aus seinem "Vogelhändler" und Franz Lehár mit Ausschnitten aus seinem Erfolgsstück "Die lustige Witwe", die als Neuinszenierung erst vor wenigen Tagen Premiere am Landestheater feierte.
Andrea Chudak begeistert
Und ganz und gar nicht zuletzt ist da ja noch die Berliner Sopranistin Andrea Chudak, die ganz genau weiß, worauf es bei der Operette stilistisch ankommt. Sie verwandelt die Gesangsnummern von Paul Lincke bis Fred Raymond immer wieder regelrecht in kleine Szenen, verteilt als "Christel von der Post" Brief und Pakete im Orchester und im Publikum und lockt mit dem Versprechen "Wien wird schön erst bei Nacht". Ihr Sopran verbindet kokette Koloraturgeläufigkeit in Adeles "Spiel ich die Unschuld vom Lande" aus der "Fledermaus" mit lyrischer Wärme in "Meine Lippen, die küssen so heiß" aus Lehárs "Giuditta".
Mit ausdauerndem Beifall erklatscht sich das Publikum sogar noch zwei Zugaben - "Ja, das Temp'rament" und "Schlösser, die im Monde liegen".