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So huldigt Coburg einem Mega-Star des 19. Jahrhunderts


Autor: Jochen Berger

Coburg, Sonntag, 13. Sept. 2015

Eine Soiree erinnert an die Sopranistin Wilhelmine Schröder-Devrient. Die einst in ganz Europa gefeierte Künstlerin starb 1860 in der Vestestadt.
Wilhelmine Schröder Devrient wurde einst auf allen großen Bühnen Europas gefeiert.Foto: Jochen Berger


Für knappe zwei Stunden wird das Landestheater Coburg zur Zeitmaschine. Der 1840 eingeweihte klassizistische Bau, den Herzog Ernst I. am damals neu gestalteten Schlossplatz errichten ließ, bietet schließlich den authentischen Rahmen für eine Hommage an die Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Denn sechs Jahre nach der Einweihung des Musentempels gastierte die Schröder-Devrient in Coburg - genauer: am 7. und 9. Juli 1846 verkörperte sie die Titelrolle in Bellinis "Norma". In Coburg endet auch die Biografie der in ganz Europa gefeierten Künstlerin. Hier starb sie im Januar 1860.


"Sie war ein Super-Star, ein Mega-Star des 19. Jahrhunderts", sagt Anno Mungen, der den Abend im Landestheater moderiert: "Die Kritiker überschütteten sie mit begeisterten Kommentaren." Wie aber mag ihr Gesang damals geklungen haben? Eine Frage, die sich ohne Tonaufnahmen natürlich nicht beantworten lässt.

Eine Frage, der man sich aber trotzdem auf Umwegen annähern kann. Anno Mungen, Leiter des Forschungsinstituts für Musiktheater an der Universität Bayreuth, hat dazu mit der Berliner Sopranistin Kristin Ebner ein sehr ehrgeiziges Programm zusammengestellt, das wichtige Rollen Wilhelmine Schröder-Devrients an einem Abend bündelt.


Der Bogen spannt sich von Joseph Weigls längst vergessenem Singspiel "Die Schweizer Familie" bis zur Ballade der Senta aus Wagners "Fliegendem Holländer". Dazwischen bleibt noch Raum beispielsweise für Carl Maria von Webers "Freischütz"-Agathe oder für Beethovens "Leonore" (Abscheulicher! Wo eilst du hin?"), die die junge Künstlerin einst schon als 17-Jährige sang.


Erste Sänger-Darstellerin auf der Opernbühne



"Sie war als Darstellerin die Erfinderin eines neuen dramatischen Opernideals, sie war die erste Sänger-Darstellerin auf der Opernbühne", würdigt Mungen die historische Bedeutung der Künstlerin. Historische Quellen lassen noch heute deutlich werden, worauf es ihr als Interpretin besonders ankam: Sprache und Textverständlichkeit.


Kraftvolle Stimme


Wie aber bringt man an einem Abend Bellinis Belcanto mit der Arie "Casta Diva" aus "Norma" gemeinsam mit dramatischen Ballade der Senta aus Wagners "Fliegendem Holländer" auf die Bühne? Kristin Ebner vertraut vor allem auf die Durchschlagskraft ihres in Mittellage und der Höhe kraftvollen Soprans. Gerne steuert sie die Forte- und Fortissimo-Regionen an, beweist bei Bellini aber auch ihre Fertigkeiten im Koloratur-Gesang.


Orchestrale Klangfülle bei Bedarf



Dazu zaubert Claudio Rizzi am Flügel bei Bedarf orchestrale Klangfülle aus den Tasten, musiziert aber auch dynamisch sehr zurückgenommen und einfühlsam.


Vom Coburger Publikum wird Kristin Ebner vor allem für ihre Wagner-Interpretation mit reichlich Applaus bedacht - besonders für ihre betont dramatische Deutung von Isoldes Liebestod. Dass Wagners "Tristan und Isolde" erst fünf Jahre nach dem Tod Schröder-Devrients uraufgeführt wurde, sprengt dabei den Rahmen diese Sänger-Hommage nur scheinbar. Schließlich meinte Wagner selber wenige Jahre vor seinem Tod, Wilhelmine Schröder-Devrient wäre seine ideale Isolde gewesen.



Erinnerung an ein außergewöhnliches Sängerleben


Ausstellungs-Tipp "Lorbeerkranz und Silberglanz" - Dokumente zu Leben und Rezeption der sängerin wilhelmine Schröder-Devrient, Landesbibliothek Coburg (bis 28. November; Konzept und Organisation: Annika Hertwig, Björn Dornbusch, Anno Mungen und Silvia Pfister)

Wilhelmine Schröder-Devrient wurde am 6. Dezember 1804 in Hamburg geboren als Tochter eines Schauspieler-Ehepaars. Sie starb am 26. Januar 1860 in Coburg. Beigesetzt wurde sie auf dem Trinitatis-Friedhof in Dresden. Die Künstlerin gilt als eine der bedeutsamsten Gesangstragödinnen des 19. Jahrhunderts.

Premieren-Tipp Vincenzo Bellini "Norma" - Samstag, 19. September, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg.