So fasziniert der Blockflöten-Virtuose Stefan Temmingh in Coburg
Autor: Jochen Berger
Coburg, Sonntag, 03. April 2016
Die Blockflöte hat ein Image-Problem. Nur allzu gern wird sie als harmloses Einstiegs-Instrument für den musizierenden Nachwuchs denunziert.
Schluss mit den Vorurteilen. Weg mit dem Etikett "harmloser Vielschreiber" für Georg Philipp Telemann. Weg mit dem Vorurteil, die Blockflöte tauge nicht ernsthaft zum vielseitigen Soloinstrument. Zumindest in den Händen eines Virtuosen wie Stefan Temmingh wird die Blockflöte zum Werkzeug eines Klangzauberers.
Bemerkenswert Stilkundig
"Virtuose Blockflöte" - dieses Motto beim Barock-Konzert im Landestheater jedenfalls erweist sich als blanke Untertreibung. Warum Stefan Temmingh, in München lebender Spross einer südafrikanisch-niederländischen Musikerfamilie, als Star auf seinem Instrument gilt, erleben die Zuhörer mit einer Mischung aus Staunen und Begeisterung. Staunend erleben sie, wie die Begegnung mit einem charismatischen Solisten ein Orchester nicht nur mitreißen, sondern scheinbar verwandeln kann.
Dabei beweisen Streicher des Philharmonischen Orchesters schon zum Auftakt ohne Stefan Temmingh als Solist, dass auch klassisch geschulte Orchestermusiker Barockmusik bemerkenswert stilkundig interpretieren können. Lorenzo Da Rio als musikalischer Leiter hat in der Einstudierung hörbar sorgfältig Arbeit geleistet und führt das 14-köpfige Streicherensemble vom Cembalo aus mit klaren Akzenten durch Georg Philipp Telemanns "Ouverture des Nations Anciennes et Modernes".
Prägnant in den Konturen, differenziert in der Artikulation und dadurch schattierungsreich im Klang - so musiziert das Streicherensemble Telemanns vielteiliges Werk, das aus Sicht des 18. Jahrhunderts alte und zeitgenössische Klänge kontrastreich mischt. Stilsicher und ausdrucksvoll interpretiert Diana Zohrabjan, zweite Konzertmeisterin des Landestheaters, im zweiten Teil Antonio Vivaldi Concerto a-Moll aus dem Zyklus "Estro Armonico".
Faszinierend dann aber, wie sich die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters von Stefan Temminghs Spiel inspirieren und mitreißen, ja beflügeln lassen.
Musik als Klangrde
Denn im Wechselspiel zwischen Streichern, Cembalo und Blockflöte wird Antonio Vivaldis Concerto G-Dur regelrecht zum Ereignis. Mit buchstäblich atemberaubender Virtuosität entlockt er der Blockflöte scheinbar völlig mühelos ebenso brillante wie schattierungsreiche Klänge.
Ehrenrettung für Telemann
Das Finale dieses Barock-Konzertes mit Telemanns Suite a-Moll für Blockflöte und Streicher wird dann noch zur Ehrenrettung für einen noch immer allzu gern als Vielschreiber abgestempelten Komponisten. "Musik als Klangrede" - diese Formel des vor wenigen Wochen verstorbenen Dirigenten und Alte-Musik-Pioniers Nikolaus Harnoncourt wird in dieser Interpretation zur Wirklichkeit.
Begeisterter Applaus für Solist, Orchester und Lorenzo Da Rio am Cembalo. Bei seiner Improvisation als Zugabe beweist Stefan Temmingh dann auch noch, dass sich auf der Blockflöte nicht nur Barockmusik faszinierend spielen lässt. Vielmehr demonstriert er, dass sich diesem Instrument ungeahnt vielfältige Klänge entlocken lassen - stiller Ausklang eines bemerkenswerten Konzertabends.