So erleben die Bayern-Fans in Coburg die Klatsche gegen Madrid
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Mittwoch, 30. April 2014
Nicht alle Fans in Coburgs größter Bayern-Kneipe können sich das 0:4 bis zum Ende anschauen. Doch wer Treue beweist, wird belohnt. Und ein "Club"-Fan hat sowieso ganz andere Sorgen.
"Club"-Fans denken weiter: Mit einem schönen Sieg gegen Madrid im Rücken würde Bayern am kommenden Samstag auch locker Hamburg schlagen, den direkten Konkurrenten des 1. FC Nürnberg im Bundesliga-Abstiegskampf. Aber: "Ich hab' irgendwie kein gutes Gefühl heute", orakelt der "Club"-Fan kurz vor Anpfiff des Champions-League-Krachers, der im Pinaz gleich auf mehreren Großbildleinwänden übertragen wird. Die Kneipe gilt als Hochburg von Coburgs Bayern-Fans und ist zudem Sitz des Bayern-Fanclubs "Red Naz".
Höchststrafe für Hoeneß
Mijo Kesina ist der Anführer der "Red Naz" und versucht die Bedenken des aber alleine schon aus Tradition pessimistisch denkenden "Club"-Fans zu zerstreuen: "Ich denke vor solchen Spielen immer zweistellig - das hilft!" Trotzdem ist die Anspannung groß. Als im Münchner Stadion die Hymne "Forever Number One" ertönt, werden in
Anpfiff. Und dann heißt es auch schon 0:1. Und 0:2. Diverse Flüche werden ausgestoßen. Jetzt hilft nur noch der Fußballgott. Oder der Kaiser? "Franz Beckenbauer hat doch 4:2 getippt", erinnert ein Fan und gibt Durchhalteparolen aus. Der "Club"-Fan hingegen hat die Sache mit Bayern und dem Final einzug längst abgehakt; die Gedanken kreisen jetzt schon an dieser komplizierten Dreiecksbeziehung mit München und Hamburg.
0:3. Mijo Kesina muss jetzt erstmal raus, frische Luft schnappen. Ein anderer Fan rechnet: "Uns bleiben noch 55 Minuten für fünf Tore!" - spontane Reaktion von links hinten: "Ach, die schaffen heute nicht mal eines!"
Pause. Ein Mann im roten Trikot verkündet: "Ich geh' hemm." Derweil wird im Fernsehen Jogi Löw interviewt. Seine messerscharfe Analyse: "Im Moment spricht alles für Real." "Ach, echt?", ruft da ein Bayern-Fan und vepasst dem Bundestrainer auch noch ein Schimpfwort, das sozusagen dessen Intelligenz infrage stellt.
Münchner Luxusprobleme
Mijo Kesina hat sich derweil wieder gefangen und gibt eine neue Devise aus: "Jetzt sollten wir zumindest mit Ehre verlieren - also wenigstens ein 3:3!"
82. Minute: Das wird nix mehr mit der Ehre. Die Bedienung kassiert die ersten Gäste ab. Andere wollen auf jeden Fall bis zum Schlusspfiff bleiben: "Wir stehen zum FC Bayern in guten wie in schlechten Zeiten", erklärt ein Fan. Und der "Club"-Fan fragt sich: "Wann gab's für mich zuletzt eigentlich mal gute Zeiten, in denen ich zu meinem Verein stehen konnte?!"
Die Bayern-Fans wälzen ihre Luxusprobleme und diskutieren, welche Bedeutung in ein paar Wochen das DFB-Pokalfinale gegen Dortmund hat. An Hamburg denkt niemand.
0:4! Ein lustiger Bayern-Fan rechnet schnell und verkündet lauthals: "Jetzt brauchen wir nur noch sechs Tore!"
Schlusspfiff, Ernüchterung, Stille. Das Pinaz leert sich recht schnell, doch einige bleiben. Ramona Scholz etwa, deren Herz eben nicht nur dem Gardetanz gehört, erklärt: "Ich bin stolz, Bayern-Fan zu sein. Das muss ein anderer Klub erstmal nachmachen!" Der "Club"-Fan nimmt das nicht persönlich - nein, sie hat bestimmt nicht Nürnberg gemeint.
Mitten in die Spielanalyse der letzten Getreuen verkündet Mijo Kesina ein flüssiges Trostpflaster: Er schmeißt eine Lokalrunde. "Auf den FC Bayern", ruft einer. "Auf Pep", meint ein anderer, während auch ein "Auf unseren Uli!" zu vernehmen ist. Der "Club"-Fan verschafft sich auch noch Gehör und merkt tapfer an: "Und auf Samstag!"