So "Bio" ist Landwirtschaft wirklich
Autor: Rainer Lutz
LKR Coburg, Sonntag, 12. Dezember 2021
Bio-Produkte zu kaufen, gibt vielen Kunden ein gutes Gefühl. Doch auch diese Branche hat schwarze Schafe. Medien sprechen schon von der Bio-Lüge. Regional und saisonal kaufen gewinnt an Bedeutung. Aber wo gibt es die richtige Ware bei uns in Coburg?
Traudel kommt aus ihrem Strohbett in die Box und schaut neugierig über den Rand. "Hallo, habt ihr was für mich?", scheint sie zu fragen. Traudel ist ein Kalb auf dem Hof von Harald Reblitz. Es ist ein Biobetrieb, den er als Aussiedlerhof nahe Herreth betreibt. Er hat nicht schon immer ökologisch gewirtschaftet. Erst 2016 wurde der Hof umgestellt nach den Richtlinien des Verbandes Bioland. Die Gründe dafür sind vielfältig, sagt Harald Reblitz.
Tatsächlich spielte auch das Bild der konventionellen Landwirtschaft in vielen Medien eine Rolle. "Plötzlich sollte die Landwirtschaft an allem schuld sein, Nitrat im Grundwasser, Rückgang der Artenvielfalt, Schwund bei den Insekten, da kommt man schon ins Nachdenken", sagt er heute. Dabei hatte ihn der Gedanke an eine Umstellung schon in den frühen 90er Jahren beschäftigt. Die Eltern waren damals dagegen. So wurde der Betrieb zunächst konventionell immer weiter entwickelt. 2008 stellte ein guter Freund um. Sein Beispiel wirkte ebenfalls auf die Entscheidung ein.
Harald Reblitz besuchte Lehrgänge, die von Bioland angeboten werden, und solche, die vom Bundesprogramm zur Förderung des ökologischen Landbaus unterstützt werden. Dann erfolgte 2016 die Umstellung. Bereut hat der Landwirt diesen Schritt nicht. Die Milch seiner 85 Kühe geht an die Milchwerke Oberfranken West in Wiesenfeld. Dort gibt es neben der konventionellen auch eine Bio-Schiene. Die Produkte finden mehr und mehr auch Absatz an Regionaltheken.
Verbände strenger als EU
Die Bioland-Zertifizierung ist in einigen Punkten noch strenger als die EU-Grundverordnung zum ökologischen Landbau. Wichtig ist aber grundsätzlich, dass die Rinder der Biobetriebe in der warmen Jahreszeit auf die Weide müssen. "Wenn es sehr heiß ist, dann gehen die Kühe tagsüber lieber in den Stall. Erst am Abend, wenn es kühl wird, gehen sie dann raus", sagt Harald Reblitz. Die Kälber stehen auf Stroh. Kühe, die bald kalben, haben ebenfalls einen mit Stroh gefüllten eigenen Bereich. "Das ist mein Kreißsaal", sagt er.
Auf einer Schiefertafel an der Wand steht, wann Schnecke, Anni und Distel Geburtstermin haben. Idylle? So groß ist der Unterschied zu anderen Milchviehbetrieben gar nicht. "Die Tierhaltung umzustellen, ist nicht so problematisch", sagt Harald Reblitz. Im Konventionellen habe sich in den vergangenen Jahren immerhin auch einiges getan in Sachen Tierwohl. Er kennt auch den Vorwurf, dass die Biobetriebe in Sachen CO2-Bilanz schlechter abschneiden, weil sie für die gleiche Produktionsmenge an Milch mehr Tiere im Stall stehen haben müssen. Und: "Ja, wenn ein Tier krank ist, dann kommt bei uns auch der Tierarzt und es wird behandelt. Wenn ein Antibiotikum gegeben werden muss, dann ist das nicht zu ändern." Aber prophylaktisch Medikamente zu verabreichen, das geht eben nicht.
Was erlaubt ist
Futtergetreide darf Harald Reblitz nur von Bioland-Betrieben kaufen. Anderes Futter, wie etwa Kleegras, kann er auch von Bauern kaufen, die nicht im Verband sind. Aber es müssen EU-zertifizierte Biobetriebe sein. So bekommt er von einem Biobauern, der nur Landbau betreibt, Grünfutter, und der bekommt dafür Gülle vom Reblitz-Hof. Chemischer Dünger darf ja nicht verwendet werden. "Was in der Natur vorkommt, darf auch ausgebracht werden, ist so eine Richtschnur", sagt er. Kali wäre also möglich. Kupfer auch. Kupfersalze sind als Pflanzenschutzmittel etwa gegen Pilze erlaubt - und umstritten, weil eben auch giftig.
Biolandwirte wollen Produkte liefern, die Vertrauen bei den Konsumenten genießen. Dass viel von diesem Vertrauen vorhanden ist, zeigen wachsende Absatzmengen an Bioprodukten, die längst die Reformhäuser verlassen haben und in jedem Supermarkt und Discounter zu finden sind.