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Singen, Dichten, Hornblasen


Autor: Daniela Pondelicek

Bad Rodach, Freitag, 02. Sept. 2016

Die Auftritte des Nachtwächters sind in Bad Rodach beliebt. Mit dem Löschen der Laterne ging am Donnerstag die diesjährige Saison zuende.
Karl-Heinz Engelhardt und Samuel Schmidt (von links) bei ihrem letzten Auftritt in diesem Jahr.  Foto: Daniela Pondelicek


Für die Gäste des letzten Auftritts der Nachtwächter in diesem Jahr geht es zunächst hoch hinaus: Stufe um Stufe erklimmen sie die steile Wendeltreppe bis ganz nach oben in den Turm der Nachtwächter. Nach und nach füllt sich das kleine Museum, in dem die Geschichte der "neuen" Nachtwächter in Bad Rodach und Geschenke, die diese bei ihren Auftritten bekommen haben, untergebracht sind.


Seit 1300 nachweisbar

Die Tradition der Nachtwächter lässt sich in Bad Rodach bereits bis in das Jahr 1300 zurückverfolgen. Als Bad Rodach zur Stadt wurde, mussten sich die Bürger die Pflicht, nach Anbruch der Dunkelheit nach dem Rechten zu sehen, noch teilen - die Laterne der Nachtwächter wanderte von Haus zu Haus. Später wurden volldienstliche Nachtwächter eingesetzt, bis die Polizei am Ende des 19. Jahrhunderts den Job übernahm.
Dass man 1982 diese alte Tradition wiederbelebt hatte, sollte ursprünglich zur Unterhaltung der Kurgäste dienen. "Doch mittlerweile gehören unsere Auftritte und Führungen fest zur Bad Rodacher Kultur dazu", sagt Karl-Heinz Engelhardt. Er habe seinem guten Freund, dem ersten Nachtwächter Wolfgang Grosch, gesagt, dass er sich den Job vorstellen könne, sobald er in Rente gehe.
"Nach seinem Tod habe ich das Versprechen dann eingelöst", sagt er. Das mache er nun schon seit 14 Jahren. "In dieser Saison waren zwischen 700 und 800 Besucher bei unseren Veranstaltungen dabei", sagt er. Das sei zwar etwas mager, aber sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Saison mit 18 Auftritten der Nachtwächter auch etwas kürzer war.
Neben dem Singen, Dichten und Hornblasen sei jedoch noch eine andere Eigenschaft wichtig, damit man erfolgreicher Nachtwächter sein kann: "Man muss offen sein und auf die Menschen zugehen können", sagt er. Sein Ziel sei es bei jedem Auftritt, die Besucher froh zu stimmen. "Wenn die Leute mit einem Lächeln nach Hause gehen, dann bin auch ich glücklich", sagt er.
Bei Petra Spindler hat er dieses Ziel erreicht, denn sie sieht sich die Nachtwächter schon zum zweiten Mal an. Die Thüringerin macht zurzeit Urlaub im Kurhotel.
"Bad Rodach ist eine kleine, hübsche Stadt. Die Leute sind hier besonders nett", schwärmt sie. Doch auch die historische Stadtmauer und die Therme haben es ihr angetan. "Hier kann man einfach die Seele baumeln lassen", sagt sie. Zum ersten Mal habe sie die Nachtwächter bereits vor zwei Jahren gesehen. "Das hat mir so gefallen, dass ich sie mir auch in diesem Urlaub wieder ansehen wollte", erzählt sie.
Barbara Edelman hingegen sieht die Wächter am Donnerstagabend zum ersten Mal. Sie stamme zwar aus Bad Rodach, lebe aber seit 50 Jahren in den USA. "Mein Herz schlägt dennoch zur Hälfte auch hier", verrät sie.
Das liege nicht nur an den vielen Bekannten, die sie noch immer in Bad Rodach habe. "Die historischen Bauten und die Atmosphäre erinnern mich an die Zeiten, in denen ich noch hier gelebt habe", erzählt sie. Die Blasmusik habe sie zunächst zu den Nachtwächtern geführt. "Ich wollte unbedingt mal wieder den ,Coburger Marsch' hören", sagt sie. Doch schlussendlich habe sie das Gesamtpaket überzeugt. "Ich fand schön, dass sich die Nachtwächter mit ihren Versen so viel Mühe gegeben haben", lobt sie. In den USA habe sie noch nichts Vergleichbares gesehen. "Es gefällt mir, dass man sich hier die Zeit für solche Veranstaltungen nimmt", sagt sie.


Laterne gelöscht

Bad Rodachs Bürgermeister Tobias Ehrlicher löscht auch in diesem Jahr die Laterne, um die Saison zu beenden. Er zeigte sich stolz auf die Nachtwächter, auch wenn er die Saison etwas eher abschließen musste.
"Nachdem die Schlussfeier vergangenes Jahr buchstäblich ins Wasser gefallen war, wollten wir sie dieses Jahr beenden, so lange das Wetter noch gut ist", erklärt er. Manchmal frage er sich, was wohl wäre, wenn in Bad Rodach noch immer wie im Mittelalter Nachtwächter nach Anbruch der Dunkelheit für Recht und Ordnung sorgen würden: "Vielleicht würde es dann nicht so viele unerlaubte Graffiti-Sprayereien geben."