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Sicherer Hafen für Flüchtlingskinder in Coburg


Autor: Katja Nauer

Coburg, Freitag, 14. Oktober 2016

Jugendliche aus Kriegsgebieten haben ein schweres Schicksal zu tragen. Ein gesetzlich bestellter Vormund kümmert sich und schafft Vertrauen.
Caritas-Betreuerin Anja Heinz holt Numan und Nezar (rechts) aus ihrer Schule am Plattenäcker ab. Foto: Katja Nauer


Numan und Nezar strahlen über das ganze Gesicht: Soeben holt sie Anja Heinz von ihrer Schule am Plattenäcker ab. Die beiden 17-Jährigen absolvieren dort ein Integrationsjahr und machen ihren Mittelschulabschluss. Anja Heinz hat die Vormundschaft für die beiden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, abgekürzt UMFs, übernommen.

Nezar stammt aus Aleppo in Syrien und wurde von seiner Mutter aus der schwer umkämpften Stadt geschickt. In einer Schneiderwerkstatt in der Türkei verdiente er sich sieben Monate lang das Geld für die Flucht nach Deutschland. Numan ist Paschtune und stammt aus Afghanistan. Er fiel auf einen Schlepper herein: In einem völlig überladenen Schlauchboot überwand er nachts die Seestrecke von der Türkei nach Griechenland. "Da waren viele Familien mit Kindern und wir hatten alle furchtbare Angst", erzählt er auf Deutsch.

Das Boot habe tief im Wasser gelegen.

Die beiden jungen Männer sprechen schon recht gut Deutsch, wollen aber noch besser werden. Ihr Ziel ist es, sich schnell zu integrieren, eine Ausbildung zu machen und in einem Beruf Fuß zu fassen. Beide leben - nach einem ersten Aufenthalt in einer Wohngruppe - mittlerweile in einer Pflegefamilie im Landkreis. Nezar würde gerne Kindergärtner werden, Numan, der auf einem Bauernhof untergekommen und technisch interessiert ist, könnte sich gut vorstellen, Mechaniker zu werden.


In ständiger Angst

Beide vermissen ihre Familie sehr und leben in ständiger Angst um das Leben von Eltern und Geschwistern. "Einen Antrag auf Familiennachzug können jedoch nur anerkannte Flüchtlinge stellen", informiert Heinz. In der Regel ist das zu spät für die Jugendlichen, denn mit 18 Jahren erlischt das Recht auf Familiennachzug. "Numan schafft das nicht mehr."

Anja Heinz ist gesetzlich bestellter Vormund für Numan, Nezar und 14 weitere Kinder. "Insgesamt betreuen die vier Mitarbeiter im Caritasverband Coburg derzeit 93 UMFs", erläutert sie. "Im Landkreis Coburg ist ausschließlich die Caritas verantwortlich, in Coburg teilen wir uns die Verantwortung mit dem Stadtjugendamt", erläutert Geschäftsführer Richard Reich.

Der Caritasverband betreut derzeit 93 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan, Eritrea, Somalia und Syrien. Für sie ist in Deutschland ein Vormund gesetzlich vorgeschrieben. Das Familiengericht stellt das Ruhen der elterlichen Sorge fest und bestellt einen Vormund. In einem schriftlichen Verfahren wird jeder Flüchtling individuell betrachtet. Der Antrag kommt vom Jugendamt. Der Vormund wird persönlich per Handschlag bestellt und erhält eine Bestallungsurkunde.


Anstelle der Eltern

Vormunde müssen sich um alles kümmern, was mit der Person des Mündels zu tun hat. Sie sind die vollständige rechtliche Vertretung anstelle der Eltern.

Mit Nezar war Anja Heinz in Schweinfurt, mit Numan in Bayreuth zum sogenannten Interviewtermin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ihre Aufgabe ist es auch, die Minderjährigen auf die Fragen zu ihrer Flucht vorzubereiten. Viele seien traumatisiert und es falle ihnen schwer, über ihre Erlebnisse zu berichten. Es muss aber sein: "Aufgrund des Interviews wird über die Anerkennung und das Bleiberecht entschieden", informiert Heinz.

Die Betreuerin ist eine "Frau der ersten Stunde": Sie hat 2015 den ersten Bus mit UMFs in Empfang genommen. "Am Anfang geht es darum, ob die Kinder genügend Kleidung haben, ob sie in der Wohngruppe zurechtkommen und wir ihnen einen Schulplatz bieten können", erzählt sie. Ein 300-stündiger Sprachkurs ist Pflicht. Anja Heinz lobt die Schulen, die sofort nach der Flüchtlingswelle "ganz viel aus dem Boden gestampft" und zusätzliche Klassen eingerichtet hätten.

Auch die Arbeitgeber in der Region zeigten sich sehr aufgeschlossen, betont Richard Reich. "Da wurden gute Strukturen für eine gelingende Integration geschaffen."

Reich weiß auch, dass die männlichen Jugendlichen eine erfüllende Freizeitgestaltung brauchen. Ob nun Karate, Feuerwehr oder Sportverein, ihre Schützlinge hätten alle einen Ausgleich zur Schule gefunden, berichtet Heinz.
Für den Kontakt mit ihrer Familie sind die jungen Leute zwingend auf das Handy angewiesen, weil die herkömmliche Telefonverbindung in den Ländern zusammengebrochen ist. Weil die Jugendlichen kein Geld haben, treffen sie sich an den kostenlosen mobilen Hotspots - wie so viele deutsche Jugendliche auch. Die Jungs teilen ihre Gefühle und Ängste mit Anja Heinz.