Waterloo in Coburg: Weite Felder der Geschichte
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 09. Januar 2019
Dem Bildenden Künstler, Autor und Regisseur Stephan Kaluza gilt im Coburger Kunstverein eine Ausstellung zu dessen ungewöhnlichen Foto-Aktionen.
"Macht zu haben heißt, dass andere machtlos sind." So fasst der Autor und Bildende Künstler Stephan Kaluza den treibenden Gedanken hinter der übergreifenden Themenwoche "Masse Mensch Macht" zusammen. Bevor am Samstag, 12. Januar, sein Theaterstück "30 Keller / Atlantic Zero" in seiner eigenen Regie am Landestheater Premiere hat, eröffnet der Kunstverein eine Ausstellung mit Landschaftsfotografien Kaluzas. -
Was hat Landschaft mit Macht zu tun? Vor allem solch "leere", eigentlich lapidare, mehrere Meter breit abgebildete Landschaft? Das erschließt sich zumindest in den in Coburg gezeigten riesigen Bildern erst, wenn man die Namen der Orte erfährt, die Kaluza fotografiert hat. Also fordert er für die Wirkung seiner Abbildungen unmittelbarer den Wissenshorizont der Betrachter und unserer Gesellschaft heraus, als dies Bildende Künstler sonst meist tun. Ohne das geschichtliche Wissen bleiben die breiten Landschaftsbilder eigenwillige Blicke auf eigentlich banale Landschaft: Nicht ohne Stimmung, aber eben schlammige Äcker vor einer Baumlinie, ausgedehnter holpriger Boden in Braun oder Grün, ein im großen Saal des Kunstvereines von der Mitte der linken fast über die gesamte Breite der hinteren Wand ausgedehntes Stück Strand mit ein paar Badenden, Spaziergängern, unter diesem nordeuropäischen Grau nicht gerade fröhlich. Die Bilder sind in der Wucht dieser Formate durchaus eindrucksvoll. Doch mit der schieren Größe einer Darstellung zu agieren, ist nicht unbedingt etwas Besonderes.
Der Name des Ortes
Dann allerdings kommt die Vergegenwärtigung im Betrachter: Die Kamera Kaluzas blickt auf Kriegsschauplätze, Orte von Massakern und Gräueln, wie sie heute da liegen. In der Rotunde ist man umgeben von Waterloo. Felder, Felder, leerer Himmel. Und dann die Vorstellung von 50 000 Toten und Verwundeten, Kilometer um Kilometer in verbranntem Salpeter, Blut, Kot, Erbrochenem, Schweiß...
Im Katalogbuch wird eine Flußlandschaft mit Badenden Seite um Seite fortgeführt: Auschwitz. Sechs Seiten Buchenwald im Querformat stehen für Buchenwald.
Im Ausstellungssaal hilfreich wären allerdings Informationen zu Namen wie Seelow und Omaha Beach; viele wissen heute sicher nicht mehr, wofür diese Orte stehen. Und ohne das Gedächtnis an die mehr als 100 000 Soldaten, die in der größten Schlacht des Zweiten Weltkrieges auf deutschem Boden, im Oderbruch, starben, gelangen diese Bilder eben nicht über die "Demarkationen", wie die Ausstellung überschrieben ist, findet der "Transit" nicht statt.
Wobei hinter diesem Titel ein weiteres kunsttheoretisches Gedankenkonstrukt des Künstlers und Hochschullehrers in Salzburg und Düsseldorf steht. Das man nachlesen kann. Elementarer für die Wirkung der Fotografien ist es zu wissen, dass mit Omaha Beach einer der Küstenabschnitte in der Normandie bezeichnet wurde, an dem die Alliierten am 6. Juni 1944 landeten.
Über die Schrecken all dieser Landschaften ist die Natur mit Gleichgültigkeit hinweggegangen, wie Stephan Kaluza im Beitrag für die neue, von Reinhard Heinritz verfasste Mitgliederzeitung des Kunstvereines sagt, mit "interesselosem Wohlgefallen", womit sich Kaluza auf einen Aspekt in Kants Analytik des Schönen bezieht. Und womit man sich des im gesamten Kosmos wirkenden Zynismus' bewusst wird.