Schweinemäster Schramm: "Wir sind ein Auslaufbetrieb"

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Rolf und Evelyn Schramm: "Wir sind gern Bauern, aber man macht uns das Leben auch schwer."Gabi Bertram
Rolf und Evelyn Schramm: "Wir sind gern Bauern, aber man macht uns das Leben auch schwer."Gabi Bertram

"Luxusauflagen für eine Standardproduktion" beklagt der BBV Coburg bei seinem traditionellen Stallgespräch. Diese Auflagen machen nach Meinung der Bauernvertreter wirtschaftliches Arbeiten immer schwerer.

Zum traditionellen Stallgespräch hatte der BBV-Kreisverband auf den Bauernhof von Rolf und Evelyn Schramm in Schottenstein eingeladen. Mit Information und Aufklärung soll das Image der Landwirtschaft durch diese Veranstaltung in die Zusammenhänge von Nahrungsmittelproduktion, Kulturlandschaftspflege und Wirtschaftlichkeit gestellt werden.

Der Hof von Rolf und Evelyn Schramm ist klein und seit dem 18. Jahrhundert Familienbetrieb. Die Schramms züchten Schweine im geschlossenen Kreislauf vom Ferkel bis zum Mastschwein und haben um die 300 Tiere in den Ställen.

1972 wurde hier der erste Schweineoffenstall in Bayern gebaut. Die Tiere haben Auslauf, viel Licht und wenig Stress. Ein Biobetrieb, sagt Rolf Schramm, sei man trotzdem nicht. Dann müsste noch ein Ferkelauslauf gebaut werden, was nicht nur standortmäßig mitten im Dorf nicht möglich sei, sondern auch finanziell kaum tragbar.

Im Nebenerwerb

Zum Betrieb gehören noch 30 Hektar Acker, die für die Futterproduktion und für die Biogasanlage bewirtschaftet werden, eine Photovoltaikanlage für die eigene Stromerzeugung und sechs Hektar Wald. Rolf Schramm arbeitet darüber hinaus in der Landschaftspflege, seine Frau Evelyn im Landhandel in Birkach. Der Hof ist ein Zuerwerbsbetrieb.

Eine 70-Stunden-Woche ist für die Schramms an der Tagesordnung. Für ein paar Tage Urlaub im Jahr muss eine Fremdarbeitskraft bezahlt werden. Was den Schramms zu schaffen macht, sind die immer höheren Auflagen für die Landwirtschaft, die Zeit, Geld und Nerven kosten und die BBV-Kreisobmann Martin Flohrschütz "Luxusauflagen für eine Standardproduktion" nennt.

Dabei, sagt die gelernte Landwirtin Evelyn Schramm, würde doch jeder Landwirt nach der Devise wirtschaften: "Wenn es den Tieren gut geht und der Ackerboden nachhaltig bewirtschaftet wird, geht es auch dem Bauern gut." Doch die Amortisierungszyklen werden auf Grund immer wieder neuer Anforderungen und gesetzlicher Auflagen kürzer. Früher, erklärt Flohrschütz, habe man einen neuen Stall für über 30 Jahre konzipieren können, heute seien es im besten Fall 15 Jahre.

Ständig im negativen Fokus der Öffentlichkeit zu stehen, massiv kritisiert und verunglimpft zu werden, schimpft der Kreisobmann, belaste die Bauernfamilien zusehends.

Harte Realität

"Wer eine rosarote Vorstellung vom Schwein auf der grünen Wiese hat, muss als Verbraucher das auch zu bezahlen bereit sein." Dazu komme, dass es in anderen EU-Ländern und weltweit beileibe nicht so hohe Auflagen gebe, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft erheblich beeinträchtige. Schon jetzt, hatte Vize-Kreisobmann Wolfgang Schultheiß erst dieser Tage bei einer Podiumsdiskussion auf den Tisch gelegt, werde jedes vierte Ferkel importiert.

Die Schweinepreise, sagt Rolf Schramm, seien mit 1,36 Euro pro Kilogramm und damit rund 130 Euro pro Sau derzeit wieder einmal im Keller. Vor allem kleinere landwirtschaftliche Höfe - und das fordern die Verbraucher schließlich auch - hätten Probleme, wirtschaftlich zu handeln.

Von Investitionen für die Umsetzung geforderter Auflagen ganz zu schweigen. Das betreffe unter anderem die Debatte um die Ferkelkastration ebenso wie die Gülleausbringung, für die ab 2020 neue Technik für bodennahe Ausbringung gefordert wird. Um die 100 000 Euro müssten dafür investiert werden -für die Schramms utopisch.

Umstrittener Erfolg

Einen wenn auch umstrittenen Erfolg nennt Flohrschütz die Verschiebung der betäubungslosen Ferkelkastration. Es gehe nicht darum, die Ferkel nicht zu betäuben, sondern darum, ob der Verbraucher letztlich die Mehrkosten einer Vollnarkose bezahlt. Der Landwirt werde per Gesetz zu etwas verpflichtet und bliebe auf den Kosten sitzen.

Und auch die Ferkelpreise sind im wahrsten Sinne des Wortes "unter aller Sau". Ein Schweinemastbetrieb, meint Kreisgeschäftsführer Hans Rebelein, würde nicht einmal mit 550 Tieren wirtschaftlich arbeiten können. Auch deshalb habe Axel Bracke in Ottowind in einen Stall für 1100 Tiere investieren müssen.

Wer die Auflagen erfüllen wolle, der müsse in große Einheiten investieren - genau das wollen aber Verbraucher und Tierschützer nicht. 1998 hatten Schramms bereits die Baupläne für einen neuen Stall auf dem Tisch, aber eine Dreiviertel-Million-Euro-Investition sei dann doch eine zu große Hürde gewesen.

Eine wirklich ehrliche Diskussion, meint Martin Florschütz, könnte nur erfolgen auf der Grundlage eines Welthandelsabkommens oder zumindest eines europaweiten Gesetzeswerks, das soziale und Umweltstandards einheitlich festlegt.

Flohrschütz fordert von denjenigen, "die in der Öffentlichkeit unter dem Deckmäntelchen Naturschutz und Tierwohl die Landwirte immer wieder ins Kreuzfeuer nehmen, mehr Information und Sachverstand statt Populismus und Aktionismus". Es sei ja wohl absurd, dass das Land Berlin gegen die aktuelle Schweinehaltungsverordnung klagt, obwohl das Land Berlin fast keine Schweineställe habe. Gerade in der Coburger Region könne sich die Bevölkerung auf sichere und qualitativ hochwertige Nahrungsversorgung verlassen. Das sei Wertschöpfung vor Ort, egal ob bio oder konventionell.

Die letzten Schweine im Ort

In Schottenstein sind Rolf und Evelyn Schramm die einzigen Landwirte, die noch Schweine im Stall stehen haben. Milchbauern, sagt der Landwirt, gebe es gar nicht mehr.

Auch der landwirtschaftliche Betrieb der Schramms hat ein absehbares Ende: in 15 Jahren, wenn Rolf und Evelyn in Rente gehen. Keine der vier Töchter hat Ambitionen, den Betrieb zu übernehmen.

"Wir sind ein Auslaufbetrieb", sagt Evelyn Schramm, "und meine größte Sorge ist es, dass wir es bis zur Rente mit all den Auflagen und Verordnungen noch schaffen. Große Investitionen werden wir nicht mehr tätigen."