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Schützenswerte Lebensräume in den Sandgruben des Landkreises Coburg


Autor: Thomas Heuchling

Thann, Mittwoch, 17. Juli 2013

Im Landkreis gibt es viele Sandgruben, in denen seltene Tier- und Pflanzenarten leben. Biologe Frank Reißenweber verrät, warum diese nährstoffarmen Landschaften so viel Leben bergen.
Frank Reißenweber kniet am Hang in der Sandgrube bei Thann. Er kennt die Geheimnisse der Flora und Fauna. Fotos: Thomas Heuchling


Karge rötliche Sandböden, vertrocknete Pfützen, vereinzelt sind kleine Pflänzchen zu sehen. In einer Senke stehen einige Kiefern - es sieht nicht gerade nach einer blühenden Natur aus. Weit gefehlt, die Klingenhölzer Sandgruben in der Nähe des Ortes Thann sind ein spezieller Lebensraum für viele seltene und gefährdete Arten.
Was für den Laien auf den ersten Blick kaum erkennbar ist, dass ist für den Biologen vom Landratsamt, Frank Reißenweber, ein schützenswerter Lebensraum.

"Zuerst kommen die Rohbodenbesiedler, dass sind absolute Pioniere. Dazu zählen zum Beispiel das seltene Silbergras oder verschiedene Flechten", erklärt Reißenweber, kniet sich hin und fasst mit den Händen durch einen Grasbüschel.

Die rötliche Farbe erhält der Sand von Metalloxiden. "In der Region um Neustadt gibt es eine lange Tradition des Sandabbaus.

Es entstehen immer wieder neue Gruben und die alten holt sich die Natur zurück", sagt der Biologe und marschiert einen Hang hinab.Überall sieht er spannende Details und kann die Zusammenhänge in der Natur erklären.

Der Sandabbau ist für viele Tier- und Pflanzenarten ein Segen, denn sie sind auf nährstoffarme Böden, lockere Hänge und wechsel-feuchte Mulden - eben alles was es in einer Sandgrube gibt - spezialisiert.

Lebensräume aus zweiter Hand

"Der Mensch schafft durch den Sandabbau sogenannte sekundär Lebensräume. Durch die Begradigung von Flüssen und anderen Maßnahmen aus Menschenhand, kann die Natur hierzulande solche Lebensräume nicht mehr selbst schaffen", erklärt Reißenweber und gräbt am Hang ein kleinen Krater.

"Löwen gibt es hier auch", sagt er und lacht. "Der Ameisenlöwe, die räuberische Larve der Ameisenjungfer gräbt sich in den lockeren Sandboden ein um ihre Beute, die Ameise zu fressen", erklärt der Biologe.
Nach den pflanzlichen und tierischen Pionieren kommen die ersten Bäume, vorrangig Kiefern, Erlen oder Pappeln - je nach Feuchtigkeit des Bodens.

"Danach kommen die Pioniere zweiter Klasse, die im Halbschatten der Kiefern wachsen", sagt Reißenweber, der inzwischen hangabwärts an einigen Kiefern vorbeigegangen ist und nun am Rand eines Waldes steht. "Das rundblättrige Wintergrün ist so ein Pionier zweiter Klasse", sagt der Biologe. Aber hier ist der karge Lebensraum Sandgrube schon fast wieder vergangen.

Nach 15 oder 20 Jahren, wenn der Mensch nicht eingreift, entsteht ein junger Wald. Dann haben die empfindlichen Pionierarten keine Chance mehr, wie Reißenweber erklärt: "Sie können mit anderen Arten nicht konkurrieren, sondern sind an karge Lebensbedingungen angepasst."
Rund 300 Meter weiter ist ein anderer Teil der Klingenhölzer Sandgruben. Hier wurde aufgeschüttet - mit Bedacht. "Aufschütten muss mit Rücksicht auf die Arten erfolgen. Es müssen Mulden und Hügel modelliert werden", so Reißenweber.

Unterhalb eines Hanges ist ein Tümpel entstanden, dort leben Tiere, die auf der roten Liste stehen. Kammmolch, Knoblauch- oder Kreuzkröte sind hier heimisch. Der Biologe sieht sofort einen Bergmolch im Wasser und auch einige seltene Libellenarten - der ungeübte muss mindestens zweimal hinschauen.

Die Expedition in der Sandgrube geht weiter. Plötzlich ein pfeifendes Geräusch. Sofort hat Reißenweber sein Fernglas vor den Augen. "Das klingt mir doch verdächtig nach einem Flussregenpfeifer. Er lockt uns von seiner Brut weg. Ich bin überrascht, dass es ihn hier noch gibt", sagt Reißenweber freudig.

Den Flussregenpfeifer gibt es im Coburger Land nur an drei oder vier Stellen. "Man könnte ihn fast Baustellenvogel nennen. Sein Überleben hängt von solchen Abbruchstellen ab", betont Reißenweber.
Aber auch in Sandgruben, in denen noch gefördert wird, ist das Leben zu Hause. In der Sandgrube bei Wellmersdorf wird noch gearbeitet. Nach einem Windstoß regnet es feine Körner. Das Gelände ist mit drei Reihen Stacheldraht und einem hohen bewachsenen Erdwall dahinter gesichert. Alle paar Meter hängen Schilder: Sie warnen mit "Achtung Lebensgefahr" vor den Klärteichen.

Kein Blick dringt durch. Aber auch hier ist die Natur aktiv, verrät Reißenweber: "An den Hängen graben Schwalben Löcher in den Sand und bauen dort ihre Nester. Der alte Teil der Grube ist auch voller Leben." Die Natur ist eben überall zu Hause.

Sandgrube Spittelstein bei Rödental

Aufschüttung Die mit Bauschutt aufgefüllte Sandgrube bei Spittelstein beschäftigt die Staatsanwaltschaft. Die Aufschüttung der Sandgrube wurde vom Bergamt in Bayreuth genehmigt, ohne mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Coburgs Rücksprache zu halten. Frank Becker vom Bergamt in Bayreuth sagte, auf Nachfrage des Tageblatts: "Das Verfahren läuft noch, Punkt." Auch eine Aussage über den Zeitraum wollte er nicht machen.