Schnäppchenmarkt beim Coburger Fundamt
Autor: Simone Bastian
Coburg, Samstag, 05. Dezember 2015
Flohmarkt statt Versteigerung: Auf diesem Weg bringt das Ordnungsamt liegengebliebene Fundsachen an den Mann oder die Frau. "Bei den Kunden kommt das besser an", sagt Organisatorin Anja Hofmann. Für die Mitarbeiter des Fundamts gilt dabei: "Alles muss raus!"
Manchmal ist Vergessenkönnen ein Glück. Doch es geschieht selten freiwillig. Ob ein Kind um seinen kleinen Säbelzahntiger aus Plüsch geweint und ihn verzweifelt gesucht hat? Zumindest hat es nicht dort gesucht, wo er schließlich landete: Im Fundbüro der Stadt Coburg in der Rosengasse.
Doch am Samstag endet das Asyl für den Säbelzahntiger auf dem Wiegetisch von Kohlen-Puff. Die Stadt hat das Gebäude des ehemaligen Brennstoffhandels an der Rodacher Straße gekauft, ein paar der früheren Möbel sind noch da. Darunter auch der Tisch mit der Anzeige für die Fahrzeugwaage draußen im Hof, längst nicht mehr benutzt.
Am Samstag haben die Mitarbeiter des Fundamts die Puppen und Plüschtiere darauf gepackt: Eine rosa Stoffpuppe, ein Einhorn mit Glitzerstern, einen Knautschebären, den Säbelzahntiger und ein paar andere.
Um 10 Uhr öffnen die Pforten der improvisierten Verkaufsstelle im Tiefgeschosse. Die ersten Kunden stehen schon eine halbe Stunde vorher davor. Drinnen wirft Anja Hofmann vom Fundamt noch einmal einen prüfenden Blick auf die Tische voller Pullis, Sporthemden, T-Shirts, Schmuckstücke. Am Boden stehen Schuhe und Kisten mit Kleinteilen: Handschuhe, das Paar für einen Euro, Mützen, Schals, für einen Euro oder 50 Cent. Auf dem Tisch darüber Brillen und (leere) Geldbeutel.
Wie viele Stücke es insgesamt sind, könne sie, wenn nötig, zwar im Amt nachprüfen, aber sie wisse es nicht, sagt Anja Hofmann. Nach einem halben Jahr endet die Aufbewahrungspflicht für Fundgegenstände. Dann werden sie verkauft. Früher versteigerte das Fundamt die Stücke. Voriges Jahr schlug Anja Hofmann vor, stattdessen eine Art Flohmarkt zu veranstalten und die Stücke einzeln zu verkaufen statt bündelweise. "Das Publikum war zufriedener", stellte sie fest.
Der Vorteil fürs Ordnungsamt: Der Verkauf ist schneller vorbei. "Die Versteigerungen dauerten länger", sagt Reiner Kob. Er gehört ebenfalls zur Abteilung Wirtschaft im Ordungsamt, als Lebensmittelkontrolleur. Heute steht er am Tisch mti den Textilien und lässt mit sich handeln. "Der Fahrradhelm? Zwei Euro, oder wie viel wollen Sie bezahlen?" Zwei Euro sind für das ältere Paar okay; Kob vermerkt Artikel und Preis auf einem Laufzettel, den er der Kundin mitgibt. Die steht wenig später in der Fahrradabteilung. Rad und Helm sind für den Enkel bestimmt, der Oma und Opa gelegentlich besucht und bei diesen Gelegenheiten auch Fahrradfahren können soll. "Dafür reicht das", stellt die Frau zufrieden fest.
Fahrräder, Brillen, Mützen, Schirme: Diese Dinge werden gern und häufig vergessen; Fahrräder so häufig, dass fast jeden Monat ein Verkauf stattfindet. Aber wer lässt Krücken, ein Kruzifix, Faschingsorden oder eine neu gekaufte Jeans liegen? Das "Tagebuch einer Schwiegermutter" liegt noch in Folie eingeschweißt auf dem Büchertisch, der eher wenig beachtet wird. Immerhin: Das Tastentelefon mit quer aufliegendem Hörer hatte schon nach einer halben Stunde einen Käufer gefunden, wie Fabian Leutheußer überrascht und amüsiert feststellt.
"Hier gilt das Motto ,Alles muss raus‘", erläutert Kai Holland, der Ordnungsamtsleiter, der vorbeigekommen ist, um zu schauen, wie's läuft. Was nicht weggeht und brauchbar ist, wird mit einer Hilfsorganisation nach Rumänien geschickt. Der Rest entsorgt.
Aber noch haben die Schnäppchenjäger alle Chancen. Das sei der Grund für ihren Besuch, sagt eine Frau, den Arm voller Mützen, Handschuhen, Schals, in der anderen Hand eine Brotzeitdose. "Wo kriegt man das so günstig?" Alles zusammen kostet 12,50 Euro, "und ich bring die Sachen nur schnell zum Auto und komm dann wieder", versichert die Kundin.
Auch der Säbelzahntiger findet eine Abnehmerin. Aber es ist kein Happy-End: "Den nehm‘ ich als Spielzeug mit", sagt die Käuferin. "Für den Hund."