Druckartikel: Schätzen der Natur auf der Spur

Schätzen der Natur auf der Spur


Autor: Katja Nauer

Meeder, Donnerstag, 16. Oktober 2014

Hecken prägen unsere Landschaft. Welche Schätze sie in sich bergen und welche Bedeutung sie haben, weiß Kräuterpädagogin Lydia Fuchs.
Die Teilnehrnerinnen an der Herbstwanderung nehmen die gefundenen Kräuter unter die Lupe.  Fotos: Katja Nauer


Auf den ersten oberflächlichen Blick hat er so gar nichts Besonderes, der von Hecken umgebene Kompostplatz vor Herbartsdorf. Doch nimmt man sich eine oder zwei Stunden Zeit, schaut Kräuterpädagogin und Agraringenieurin Lydia Fuchs über die Schulter und lauscht ihren Ausführungen, kommt man ganz schön ins Staunen über die Schätze, die so eine grüne Einfriedung in sich birgt.
"Viele Menschen wollen ihre nähere Umgebung stärker wahrnehmen", erzählt Fuchs. "Sie haben das Bedürfnis, sich in Ruhe und intensiv mit der Natur zu beschäftigen." Eine von ihnen ist Heidemarie Dressel aus Coburg. Zusammen mit neun weiteren Frauen ist sie zum Kompostplatz gekommen, um noch mehr über die heimische Pflanzenwelt zu erfahren. "Ich bin sehr naturverbunden", erklärt sie, "ich koche und backe viel und stelle Marmelade und Säfte her."
"Ich bin offen für alles und neugierig, was ich erfahren werde", sagt Carola Kröger aus Wiesenfeld, die von ihrer Freundin zu dem Rundgang eingeladen wurde, "und würde das Wissen auch selbst testen." Aus Rosenblättern, Johanniskraut und Lavendel ist das "Sonnenöl", das Lydia Fuchs den Frauen vor der Wanderung auf die Hände tröpfelt. Vom bewölkten Himmel, der ab und an seine Schleusen öffnet, lassen sich die Teilnehmerinnen nicht schrecken: Erst einmal wird gefachsimpelt. Wie hat Lydia Fuchs das schmackhafte, leicht säuerliche Hagebutten-Schlehen-Weißdornmus hergestellt, das sie zum Probieren mitgebracht hat, und was gibt über die jeweiligen Früchte zu wissen?
"Die Schlehe blüht, bevor sie Blätter bekommt", erzählt die Pädagogin und schneidet einen Zweig. Die Frauen kosten von Schlehe und Weißdorn. "Es ist ein Irrglaube, dass letzterer giftig ist", informiert Fuchs. "Aus ihm wird ein gängiges Herzmedikament hergestellt." Die Früchte sind rot, ähneln einem kleinen Apfel, enthalten einen Kern und haben einen mehligen Geschmack. "Von diesem Rosengewächs kann man alles verwenden", sagt sie und gibt Tipps für die Zubereitung. "Schwarz- oder Weißdorn heißt so, weil sich die Holzfarbe im Winter entsprechend färbt", fährt sie fort "Der Name hat nichts mit der Blütenfarbe zu tun."
Die Hecke dient nicht nur als Wind- und Sichtschutz und Heimat für viele Insekten, Vögel und Tiere wie den Igel, sondern wurde früher als Wildschutz und zur Vitamin- und Mineralstoffversorgung rund um die Dörfer gepflanzt: "Heckenmeister war ein angesehener Beruf", sagt Fuchs, "er entschied, welches Holz zum Drechseln oder zum Bauen verwendet wurde."

Bei Pest starben auch die Hecken

Es sei ein schwerer Verstoß gewesen, wenn sich jemand unbefugt an der Hecke zu schaffen gemacht habe. Während der Pest begann ihr Niedergang: Die Dorfbewohner brannten sie ab oder zerstörten sie, in dem Glauben, dort wohne Ungeziefer und sie fürchteten, dass Pilzkrankheiten ihren Weg auf die benachbarten Getreidefelder fänden. "Heute gibt es leider nicht mehr so viele Hecken", sagt Fuchs. Nicht nur Christine Meyer, die ihren Golden Retriever "Lexi" mitgebracht hat, bedauert das: "Früher hatten wir sie auf fast jedem Feld", erzählt sie und zeigt in die fast heckenlose Landschaft.
Die Frauen zücken ihre Lupen: Viele Pflanzen, darunter auch die aus der Kräuterzone und dem niedrigeren Saumbereich, werden genau untersucht und natürlich probiert. Die Fragen prasseln nur so auf Lydia Fuchs nieder. Und sie beantwortet sie alle: Erzählt vom sehr schmackhaften Ackerpfennigkraut, dem Hirtentaschel, dessen getrockneter Samen früher als Pfefferersatz genutzt, dem Fuchsschwanz, der in Gestecken verwendet wurde, als sogenanntes Amaranth im Müsli steckt und ursprünglich aus den Anden kommt. Der Melde, die zur Familie der Quinoa gehört und dessen Fruchtstände damals als Mehl verwendet wurde, vom Spitz- und Breitwegerich, der viele Schleimstoffe enthält und gegen Husten wirkt und von der Hundsrose, dessen Früchte, die Hagebutten, sehr gesund sind und deren Samen den Aromastoff Vanillin enthalten. Den Unterschied zwischen Dornen und Stachel kennen nun alle: "Der Dorn ist ein umgewandelter Zweig. Wenn man den abreißt, verletzt man die Pflanze", erklärt Fuchs,. "Im Unterschied dazu kann ein Stachel einfach abgebrochen werden."